Gefahr einer beschleunigten Liquiditätskrise

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Das US-Bankensystem erlebt derzeit einen massiven Liquiditätsstress, der sich zunehmend global ausbreitet. Die Märkte stellen die Systemstabilität immer mehr in Frage. Hauptgrund für die Unruhen ist allerdings die restriktive Geldpolitik und nicht die insgesamt noch sehr soliden Bankbilanzen und Kapitalausstattungen. Beat Thoma, CIO bei Fisch Asset Management in Zürich, äußert sich zur aktuellen Marktsituation:

Die Lage ist also in keiner Art und Weise mit der Finanzkrise von 2008 zu vergleichen. Trotzdem kann eine geldpolitisch induzierte Liquiditätsverknappung selbst bei gesunden Finanzinstituten jederzeit zu einem ‚Bank-Run‘ und damit raschen Einlagenabflüssen führen. Dabei ist die Ansteckungsgefahr für das gesamte System groß.

Es besteht in diesem Umfeld zudem die Gefahr einer beschleunigten Liquiditätskrise aufgrund von Rückkopplungseffekten: Der Mittelabfluss bei den Banken führt zu rückläufiger Kreditvergabe und damit zusätzlichem Liquiditätsrückgang sowie einer konjunkturellen Dämpfung. Die Zentralbanken können diese private Geldmengenvernichtung nicht direkt beeinflussen – dies macht die Situation potenziell gefährlich. Bisher haben die Zentralbanken das System mit massiver Notfallliquidität erfolgreich stabilisiert und Rückkopplungen sowie eine weitere Ausbreitung der Krise verhindert. Damit werden aber gleichzeitig auch das konjunkturelle Wachstum, der Inflationsdruck und insbesondere die Inflationserwartungen angeregt. Daraus ergibt sich eine äußerst schwierige Gratwanderung für die Geldpolitik. Folglich wird die System- und Geldwertstabilität immer stärker in Frage gestellt, worauf auch deutlich steigende Gold– und Bitcoin-Preise hindeuten.

Für die Aktien- und Kreditmärkte besteht weiterhin eine schwierige Kombination aus abkühlender konjunktureller Dynamik und rückläufigen Unternehmensgewinnen bei gleichzeitig restriktiver Geldpolitik und abnehmender Liquidität. Die Risiken überwiegen damit die Chancen. Wobei hier keine ‚schnelle Rettung‘ in Sicht ist, da der Handlungsspielraum der Notenbanken stark eingeschränkt ist. Zudem ist aktuell eine baldige Lockerung der Geldpolitik in den Kursen eingepreist, was zusätzlich zu Enttäuschungen führen kann.

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Wir positionieren uns deshalb bei Aktien, High-Yield-Anleihen und Wandelanleihen aus Industriestaaten weiterhin vorsichtig. Eine kurzfristige Zwischenrally erscheint allerdings möglich, da die Investorenstimmung mittlerweile sehr pessimistisch ist und die Notfall-Liquidität der Notenbanken jederzeit ein Strohfeuer auslösen kann. Im Investment-Grade-Segment und auch in den Emerging Markets ist das Umfeld dagegen aufgrund der konjunkturellen Stabilisierung in China sowie dem beschränkten Zinssteigerungspotenzial am langen Ende der Zinskurven leicht freundlicher.

Beat Thoma, Fisch AM

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