EZB: Daten zur Beurteilung der Angemessenheit einer Zinssenkung nicht vor der Juni-Sitzung

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Die EZB wird an diesem Donnerstag tagen und über die weitere Geldpolitik entscheiden. Meine Prognose lautet, dass die EZB alle geldpolitischen Rahmenbedingungen unverändert lassen wird. Allerdings dürfte die EZB deutlich signalisieren, dass der vom Markt eingepreiste Zinspfad noch zu aggressiv ist. Der aktuelle Marktkommentar von Tomasz Wieladek, Chef-Volkswirt für Europa bei T. Rowe Price:

An den Geldmärkten wird ganz klar eine zu starke Lockerung der Geldpolitik eingepreist. Vertreter der EZB haben bereits in Davos bei verschiedenen Anlässen versucht, den Finanzmärkten und der Öffentlichkeit klar zu machen, dass Zinssenkungen wahrscheinlich erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen werden, als sie derzeit eingepreist sind. Entscheidend ist, dass die Vorstellung, dass Zinssenkungen später als erwartet kommen werden, im gesamten Meinungsbild des EZB-Rats einheitlich kommuniziert wurde. Selbst die eher zurückhaltenden Mitglieder betonten deutlich, dass die notwendigen Informationen zur Beurteilung der Angemessenheit einer Zinssenkung nicht vor der Juni-Sitzung der EZB vorliegen würden. Aus dem Protokoll der Dezember-Sitzung, das in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, geht klar hervor, dass sich der EZB-Rat einstimmig gegen die Preisbildung durch die Märkte ausgesprochen hat. Ich gehe daher davon aus, dass die EZB zwar weiterhin betonen wird, dass sie datenabhängig agiert, dass sie aber auch deutlich machen wird, dass die Daten, auf deren Grundlage die EZB beurteilen kann, ob sie mit Zinssenkungen beginnen kann, nicht vor Juni vorliegen werden.

Alle Versuche der EZB, die Entwicklung der Marktpreise zu bremsen, waren bisher wenig erfolgreich. Die Marktpreise berücksichtigen zu viele und zu schnelle Zinssenkungen, als es der EZB recht sein kann. In der Berichterstattung über die Dezember-Sitzung wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass die Analysten in der SMA-Umfrage drei Zinssenkungen bis 2024 erwarten und nicht die 5,5 Zinssenkungen, die an den Märkten eingepreist sind. Die Tatsache, dass der EZB-Rat in seinem Rechenschaftsbericht zweimal drei Zinssenkungen erwähnt hat, deutet darauf hin, dass dies eher dem Ergebnis entspricht, das der EZB-Rat für 2024 bevorzugt. Es ist daher möglich, dass die EZB auf ihrer Sitzung in dieser Woche konkretere Hinweise auf den Zeitpunkt und das Tempo von Zinssenkungen geben wird, um den Marktpreisen weiter entgegenzuwirken und den Märkten zu signalisieren, dass der aktuelle geldpolitische Kurs, der in den Märkten eingepreist ist, unwahrscheinlich ist.

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Damit der Versuch der EZB, Einfluss auf die Preisbildung an den Märkten zu nehmen, erfolgreich sein kann, müssen sich die Daten tatsächlich so wandeln, dass sie das wirtschaftliche Narrativ der EZB unterstützen. Derzeit konzentrieren sich die Märkte auf die Vorstellung, dass die Spot-Inflation im Euroraum auf 2% fallen wird und die EZB daraufhin die Zinsen rasch senken wird. Die EZB hat jedoch klargemacht, dass die Arbeitsmarkt- und Lohnwachstumsdaten ein entscheidender Faktor für ihre geldpolitischen Entscheidungen sein werden. Die Daten zu den Lohnverhandlungen für das erste Quartal werden erst bei der Juni-Sitzung der EZB vorliegen. Da sich die Märkte bei der Preisbildung für die Geldpolitik auf kurzfristige Daten konzentrieren, werden die PMI-Daten am Mittwoch und die Januar-Inflationsdaten in der nächsten Woche von entscheidender Bedeutung für die Versuche der EZB sein, die Preisbildung an den Märkten zu beeinflussen. Ich glaube, dass die PMI-Daten die Finanzmärkte entweder im Januar oder in der Zukunft positiv überraschen werden, da sich die realwirtschaftliche Aktivität derzeit nahe der Talsohle des Zyklus befindet. Was die Inflation betrifft, so könnten die Januar-Daten für die Eurozone die Ökonomen ebenfalls positiv überraschen, da im Januar eine Reihe von Steuersubventionen auslaufen. Insgesamt könnten die veränderten Daten bald die Argumentation der EZB stützen, so dass die Märkte ihre Erwartungen hinsichtlich einer Lockerung der Geldpolitik neu bewerten könnten.

Tomasz Wieladek, T. Rowe Price

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