Turbulenzen im Bankensektor stellt Notenbanken vor Trilemma

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Die aktuelle Markt- und Konjunktureinschätzung für den Monat April 2023 vom Expertenteam der Swisscanto:

Bankensektor hält Finanzmärkte in Atem
Der zweitgrößte Bankenkonkurs in der Geschichte der USA (Silicon Valley Bank) und der Vertrauensverlust gegenüber einer der weltweit größten Banken (Credit Suisse) haben im März ungute Erinnerungen an die Finanzkrise von 2008/09 geweckt. Mit der per Notrecht durchgesetzten Übernahme der Credit Suisse durch die UBS erreichten Nervosität und Hektik Mitte März vorerst einen Kulminationspunkt. Auf beiden Seiten des Atlantiks haben Notenbanken, Aufsichtsbehörden und Regierungen jedoch rasch reagiert und das Finanzsystem mit Milliarden an zusätzlicher Liquidität versorgt. Die Lage hat sich damit wieder stabilisiert. Verglichen mit der Finanzkrise und der Europäischen Schuldenkrise ist der Stress im globalen Finanzsystem bis jetzt zudem begrenzt. So liegen die Prämien von Kreditausfallversicherungen für Banken trotz des deutlichen Anstiegs der vergangenen Tage immer noch viel tiefer als damals.

Milde Rezession in den USA und der Eurozone
Aufgrund der anhaltend restriktiven Geldpolitik und der Verknappung des Kreditangebots erwarteten wir in den USA im 2. Halbjahr neu eine milde Rezession. Gegen Jahresende dürfte auch die Wirtschaft in der Eurozone vorübergehend leicht schrumpfen, obschon sich die Geschäftsbanken in einer deutlich robusteren Verfassung befinden als die Regionalbanken in den USA. Dementsprechend haben wir unsere Wachstumsprognosen für 2023/24 gesenkt. Von den drei großen Regionen erweist sich nur China als widerstandsfähig, aber auch dort rechnen wir nach den pandemiebedingten Aufholeffekten schon bald wieder mit einer Wachstumsverlangsamung.

Notenbanken im Trilemma
Ein wichtiger Einflussfaktor für die Konjunktur wird die künftige Ausgestaltung der Geldpolitik sein. Die Turbulenzen im Bankensektor haben gezeigt, dass sich die Notenbanken zunehmend in einem Zielkonflikt befinden. Während bisher die Bekämpfung der Inflation gegenüber der Konjunktur klare Priorität genoss, gewinnt nun die Finanzstabilität zunehmend an Bedeutung. Aus dem bisherigen Dilemma ist dadurch ein Trilemma geworden. Mit den erneuten Zinserhöhungen im März haben die großen Notenbanken zwar signalisiert, dass die Inflationsrisiken noch nicht gebannt sind und dass sie ihre Hauptaufgabe weiter ernst nehmen. Gleichzeitig haben sie neue Instrumente und Gefäße aktiviert, um die Finanzstabilität zu gewährleisten. Beide Ziele gleichzeitig zu erreichen, ohne dass dabei die konjunkturelle Entwicklung beeinträchtigt wird, dürfte jedoch schwierig werden. Sicher ist hingegen, dass das Ende des Zinserhöhungszyklus nun rasch näher rückt. An den Termin- und Anleihenmärkten wird denn auch bereits auf einen bevorstehenden Kurswechsel der US-Geldpolitik spekuliert. Den Aussagen von Fed-Chef Jerome Powell, wonach der Leitzins dieses Jahr nicht sinken wird, wird somit kein Glauben geschenkt. Wir erwarten erste Zinssenkungen aber nicht vor Anfang 2024.

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Defensive Ausgestaltung der Anlagepolitik
Noch befinden sich die meisten Volkswirtschaften rund um den Globus auf Wachstumskurs. Die zuletzt weiter gestiegenen Vorlauf- und Stimmungsindikatoren signalisieren sogar eine Wiederbelebung. Pessimismus ist somit fehl am Platz. Eine restriktive Geldpolitik wirkt sich aber bekanntlich erst mit einer Verzögerung von einigen Monaten auf die Realwirtschaft aus und am Kredit- und Immobilienmarkt sind die Risse mittlerweile unübersehbar. Vor diesem Hintergrund ist bei der Anlagepolitik weiter Vorsicht angebracht, zumal die Auswirkungen der Bankenturbulenzen und die damit verbundenen schlechteren Konjunkturaussichten bisher nur beschränkte Auswirkungen auf die Aktienmärkte gehabt haben. Das Risiko von Rückschlägen an den Aktienmärkten bleibt somit erhöht. Gleichzeitig sind Anleihen in einem solchen Umfeld unverändert attraktiv.

Anleihen profitieren von Konjunktursorgen
Trotz der Sorgen um die Finanzstabilität im Bankensektor haben die bedeutenden Notenbanken die Leitzinsen weiter angehoben. Die Währungshüter haben zum Ausdruck gebracht, dass die Inflation immer noch zu hoch ist. Die Anleihenmärkte ließen sich davon allerdings nicht beirren und schlossen den Monat März teilweise mit einem deutlichen Plus ab. Konjunktursorgen haben in den USA zu stark fallenden Zinserwartungen geführt. Eine Leitzinsreduktion der US-Notenbank per Jahresende von mehr als 50 Basispunkten ist mittlerweile Marktkonsens. Trotz steigender Rezessionsrisiken auf dem nordamerikanischen Kontinent ist damit schon ein großer Teil an Konjunkturpessimismus in den gefallenen Kapitalmarktrenditen reflektiert. Wir rechnen nicht mit einem starken Rückgang der längerfristigen US-Renditen vom aktuellen Niveau.

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Aktien: Eurozone hat weiter Potenzial
Die Bankenturbulenzen im März hatten ihren Ursprung in den USA. Der vorübergehende Vertrauensverlust ging zwar nicht spurlos an den Wettbewerbern in der Eurozone vorbei, aber bislang zeigen sie sich widerstandsfähig. Dennoch sind ihre Aktien zum Teil stärker in Mitleidenschaft gezogen worden als die der US-Banken. Dies lässt sich unter anderem mit den Erfahrungen der Investoren aus der Euro-Schuldenkrise erklären. Vor allem der „gefühlte“ Wert der in den Bilanzen befindlichen Staatsanleihen kann je nach Gemütszustand der Investoren erheblich schwanken. Allerdings gilt nach wie vor das „Whatever It Takes“ der Europäischen Zentralbank. Und anders als in den USA wurden die regulatorischen Leitplanken in den vergangenen Jahren nicht wieder geweitet. Insofern erwarten wir, dass das überdurchschnittliche Wachstum der Gewinnerwartungen und die niedrige Bewertung als unterstützende Faktoren wieder in den Vordergrund rücken, sobald die Unsicherheit der Investoren abgeflaut ist.

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Schweiz attraktiver als UK
Der britische und der Schweizer Aktienmarkt besitzen ein hohes Gewicht an defensiven Sektoren, was beiden in eher unsicheren Zeiten Unterstützung bietet. Dennoch sehen wir in den kommenden Monaten mehr Potenzial für die Schweiz als für Großbritannien. Dies liegt vor allem an den Indexgewichten der rohstoffnahen Sektoren und der Finanzdienstleister, die in UK deutlich höher sind. Bei den Rohstoffpreisen erwarten wir angesichts unserer nochmals leicht reduzierten globalen Konjunkturprognosen wenig Aufwärtspotenzial. Daraus folgt, dass die hohen Gewinnwachstumsraten des Vorjahres kräftig sinken, möglicherweise sogar im Laufe des Jahres 2023 unter die Nulllinie fallen werden. Bei den Finanzdienstleistern gehen wir zwar nicht von einer Krise aus, aber auch dessen ungeachtet hat der Sektor rein auf Basis unserer konjunkturellen Einschätzung weniger Rückenwind zu erwarten.

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