Seit geraumer Zeit beschreibt der Ausdruck „Fifty Shades of Green“ die Herausforderung für Investoren, sich in einem Meer von nachhaltigen Anlageoptionen zurechtzufinden – von dunkelgrün über hellgrün bis hin zu schlichtem Greenwashing. Eine Analyse von Jacco Minnaar, Vorstandsvorsitzender von Triodos Investment Management
Kapitalanlagen mit nachhaltigen Anlagestrategien sind in den letzten Jahren exponenziell gewachsen, und obwohl ich das Wachstum sehr begrüße, basieren zu viele Produkte nur auf einen Marketing-Hype anstatt auf einer authentischen Investmentstrategie. Die Popularität von Nachhaltigkeits- und ESG-geprüften Indizes hat sprunghaft zugenommen. Für Investoren, die die Welt zu einem besseren Ort machen wollen, ist dies zunächst einmal eine positive Entwicklung.
Unsere Untersuchungen zeigen jedoch, dass von den Top-10-Unternehmen, die in mehreren bekannten Nachhaltigkeitsindizes enthalten sind, nur ein Unternehmen die strengen Mindeststandards von Triodos IM erfüllt. Das ist verblüffend.
Das Problem dabei ist, dass Nachhaltigkeit kein geschützter Begriff ist und es weder global noch national anerkannte Definitionen gibt. Dies macht den Sektor sehr anfällig und ist einer der Gründe, warum ich die neue EU-Taxonomie begrüße, die ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Aktivitäten ist. Endlich können wir uns von der vagen und irreführenden Produktpropaganda ein für alle Mal verabschieden.
Als Instrument bietet die EU-Taxonomie einen systemischen und zukunftsorientierten Ansatz, der erhebliche Auswirkungen auf die Transformation der Branche für nachhaltige Investments hat. Sie unterstützt den Übergang zu einer Wirtschaft, die im Einklang mit den sehr ehrgeizigen Zielen für die Verringerung klimaschädlicher Gase in der EU steht, und skizziert ein Klassifizierungssystem und Screening-Kriterien, die die wirtschaftlichen Aktivitäten definieren, die einen wesentlichen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels oder zur Anpassung an diesen leisten können. Mit anderen Worten definiert sie, was „grün“ eigentlich bedeutet.
Vermögensverwalter werden offenlegen müssen, wie ihre Produkte die Kriterien erfüllen und warum diese keinen Schaden anrichten. Das wird die Wettbewerbsbedingungen angleichen, Vergleiche erleichtern und das Vertrauen der Investoren stärken. Letztendlich wird es den Markt verändern, da es das Angebot an Produkten mit grünem Anstrich reduziert, und ich gehe davon aus, dass der Sektor durch Innovation und Produktentwicklung umgestaltet wird.
Es gibt natürlich Stimmen, die mit dem Konzept nicht einverstanden sind, und solche, die sich für eine verzögerte Umsetzung einsetzen. Einige sind nicht unbedingt vom Mehrwert der Taxonomie überzeugt, während andere sie als zu komplex und zu aufwendig empfinden.
Aber wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Taxonomie wird bis Ende 2021 in die Praxis umgesetzt, obwohl die Richtlinien dafür noch nicht vorliegen. Zuvor muss jedoch das Berichtswesen der Unternehmen verfeinert werden, die Datenlieferanten müssen die Informationen angemessen verpacken, und die lokalen Finanzaufsichtsbehörden müssen sich vergewissern, wie sie das alles überwachen werden. Als Sektor müssen wir agil vorgehen, die Dynamik beibehalten und vorantreiben.
Obwohl wir ein 100%iger Impact-Investor sind, wissen wir bereits jetzt, dass nicht alle unsere Fonds die Auflagen der EU-Taxonomie zu 100% erfüllen werden. Unserer Strategie liegen eine Vision und eine Theorie des Wandels zugrunde – wir denken über die globalen Probleme nach, die wir angehen wollen, und dies führt uns schließlich zu den Lösungen, in die wir investieren. Das bedeutet aber auch, dass bei vielen unserer Fonds soziale Ergebnisse im Fokus stehen, die von der Taxonomie noch nicht abgedeckt sind. Dieser Umstand hat mich dazu bewogen, für die Aufnahme zusätzlicher Screening-Kriterien einzutreten, die sich an den sozialen Herausforderungen orientieren, die in der Agenda 2030 und allen 17 SDGs umrissen werden. Wir brauchen kluge, aktive Investitionen, die nicht nur Umweltverbesserungen erreichen, sondern die auch zu allgemeineren gesellschaftlichen Fragen wie Ernährungssicherheit, Bildung und Gesundheitsversorgung Stellung beziehen.
Bis zur offiziellen Einführung der EU-Taxonomie und bevor wir uns endgültig vom Greenwashing verabschieden können, rufe ich alle Investoren, Eigentümer, Vermögensverwalter und Entscheidungsträger auf, ihre Hausaufgaben zu machen.
Fragen Sie sich selbst: Bin ich davon überzeugt, dass mein Geld für meine Wirkungs-, Risiko- und Ertragsziele eingesetzt wird? Was passiert, wenn ich in diesen Fonds investiere? Was ist die Vision meines Vermögensverwalters?
Wenn Sie mit Ihren Antworten nicht zufrieden sind, werfen Sie einen Blick auf alternative Optionen, bei denen es kein Greenwashing gibt, sondern eine ehrliche Verpflichtung zu reiner Nachhaltigkeit.
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