Weitblick mit Winkler: Bärenmarktrallye vor dem Ende

Hinter den Aktienmärkten liegen äußerst dynamische Wochen. Für die meisten Leitindizes weltweit ging es bedingt durch die Coronakrise im Rekordtempo mit den Kursen nach unten, und im gleichen Tempo fand dann eine – begrenzte – Gegenbewegung statt, ggf. eine sog. Bärenmarktrallye. Von Michael Winkler, St.Galler Kantonalbank Deutschland

Es zeigt sich immer klarer, dass es sich dabei um eine typische Bärenmarktrallye handelt, basierend auf Short Covering und dem Abbau von Untergewichtungen. Viele positive Faktoren waren und sind darin bereits eingepreist.

Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass die Investments der Erholungsphase im Wesentlichen in wenige Mega Caps vor allem aus dem Digitalbereich sowie aus dem Medizin- und Biotech-Bereich geflossen sind. Entsprechend überdurchschnittlich stark ist die Performance des NASDAQ-100. Er hat jetzt die 200-Tages-Linie überschritten, während die meisten anderen Indizes fallende 38-Tage-Linien erreichen.

So schnell die relative Erholung kam, so schnell könnte sie nun auch wieder vorbei sein. Der gerade wieder auf neue Tiefstände gefallene Ölpreis (gemäß dem WTI-Index) ist dafür ein Signal. Anleger verlieren zunehmend das strategische Vertrauen in eine Erholung der Märkte. Die negativen Effekte schlagen also in einem nach wie vor stark meldungsgetriebenen Markt immer deutlicher durch.

Dieses kritische Sentiment gilt im Übrigen nicht nur für Anleger. Es dürfte auch für viele der jetzt 22 Mio. arbeitslos gewordenen US-Amerikaner gelten. Selbst wenn diese Menschen in den nächsten Monaten an ihre Arbeitsplätze zurückkehren sollten, werden sie kaum wieder in Konsumstimmung verfallen. Gerade für die stark binnenmarktgetrieben US-Wirtschaft sind also in nächster Zeit positive Impulse durch den Konsum nicht zu erwarten. Selbst ein langsames Wiederhochfahren der Wirtschaft wird somit kurzfristig keine große Dynamik erzielen.

Michael Winkler, St.Galler Kantonalbank Deutschland

Dies gilt nicht nur für die USA, sondern weltweit. Die Coronakrise wird die Märkte mit ihren Auswirkungen deutlich länger beschäftigen, als mancher Teilnehmer das erwartet und erhofft hat. Anleger werden also zumindest in diesem Jahr Durchhaltevermögen aufbringen müssen. Momentan kommen nur ausgesuchte Sondersituationen als Kaufgelegenheit in Frage. Attraktive Investitionsmöglichkeiten in der Breite werden sich erst wieder auf ermäßigtem Kursniveau bieten.