Die Law Corner von Dr. Anne de Boer, LL.M. (RSA), Partnerin, HEUKING, über Erleichterungen bei Emissionen durch Listing Act und Zukunftsfinanzierungsgesetz II, die u.a. zu Erleichterungen bei der Prospektpflicht und -dokumentation führen sollen:
>> aus BondGuide #22-2024 vom 01. Nov. <<
Am 8. Oktober 2024 wurde durch den Europäischen Rat der Listing Act angenommen, der u.a. zu Erleichterungen bei der Prospektpflicht und -dokumentation führen soll. Zudem liegt der Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetztes II (ZuFinG II) vor, mit dem einige der Regelungen ausgestaltet und umgesetzt werden. Ziel beider Gesetze ist es, den Kapitalmarkt erneut attraktiver zu machen. Die Regelungen werden 20 Tage nach deren Veröffentlichung mit Übergangsfristen von im Wesentlichen 15 bis 18 Monaten anwendbar sein. Für Emissionen bedeutet dies voraussichtlich schematisch Folgendes:
Bekannte Ausnahmen von der Prospektpflicht, Schwellenerhöhung
Die bekannten Ausnahmen der Prospektpflicht bleiben bestehen. Ausgenommen von der Prospektpflicht für öffentliche Angebote sind insbesondere Angebote an maximal 149 Personen bzw. qualifizierte Anleger und solche mit einem Mindestausgabebetrag/Stückelung von mindestens 100 TEUR[1]. Weitere Ausnahmen sind in den Art. 1, 3 der Prospektverordnung geregelt.
Weiterhin wird die Zulassung von Wertpapieren, die mit bereits zum Handel am selben geregelten Markt zugelassenen Wertpapieren fungibel sind, prospektfrei möglich sein, sofern sie über einen Zeitraum von 12 Monaten weniger als 30% – und nicht mehr nur 20% – der Anzahl von Wertpapieren ausmachen, die bereits zum Handel am selben geregelten Markt zugelassen sind.
Emissionen mit einem aggregierten Gesamtwert von bis zu 12 Mio. EUR: WIB mit 3 Seiten
Nach dem Listing Act in der Ausgestaltung des ZuFinG II sollen in Deutschland Emissionen bis zu einem aggregierten Gesamtwert der angebotenen Wertpapiere von bis zu 12 Mio. EUR innerhalb von 12 Monaten, und nicht wie bisher 8 Mio. EUR, auf der Grundlage eines 3-Seitigen Wertpapierinformationsblattes (WIB) angeboten werden dürfen.
Der Listing Act regelt nunmehr die Berechnung des aggregierten Gesamtwertes: Dieser berücksichtigt alle öffentlichen Angebote von Wertpapieren des Emittenten oder Anbieters (alle Arten und Gattungen), die zum Zeitpunkt laufen oder die in den letzten 12 Monaten vor dem Datum des Beginns eines neuen öffentlichen Angebots unterbreitet wurden, ausgenommen soweit ein Prospekt vorliegt oder eine andere Prospektausnahme besteht. Die BaFin stellt dabei bereits heute auf das Angebot und nicht die platzierten Wertpapiere ab. Vereinfacht bedeutet dies: Sofern über 12 Monate Wertpapiere durch den Emittenten in Höhe von 12 Mio. EUR angeboten wurden – auch wenn es unterschiedliche Wertpapiere oder Angebote waren –, kann über weitere 12 Monate keine Emission auf der Grundlage eines WIB durch den Emittenten erfolgen; rollierende Daueremissionen wären z.B. auf 6 Mio. EUR zu beschränken.
Aktuell setzt die Emission mit einem WIB nach § 6 WpPG voraus, dass die angebotenen Wertpapiere ausschließlich im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung über ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen vermittelt werden und eine Angemessenheitsprüfung stattfindet. Nicht qualifizierte Anleger dürfen abhängig von ihrem Einkommen und Vermögen 1.000 bis 25.000 EUR investieren. Diese Voraussetzungen führen zu hohen Kosten und einer Kleinteiligkeit der Emissionen. Insofern ist zu begrüßen, dass die Voraussetzungen des § 6 WpPG nach dem ZuFinG II gestrichen werden sollen. Unverständlich ist, wieso dies erst 18 Monate nach Inkrafttreten der Anpassungen zur Prospektverordnung erfolgen soll und nicht unverzüglich.
Sekundäremissionen: 11-seitiges Dokument
Bei Sekundäremissionen genügt bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen[2] ein 11-seitiges Dokument, mit dem zugleich bestätigt wird, dass der Emittent fortlaufend die anwendbaren Rechnungslegungs- und Offenlegungsvorschriften eingehalten hat und zur Zeit des Angebots bzw. der Zulassung die Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht aufgeschoben wird, und zwar für
- ein Angebot von Wertpapieren, die zum Handel an einem geregelten Markt oder einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen werden sollen und die mit bereits zum Handel am selben Markt zugelassenen Wertpapieren fungibel sind, sofern die Wertpapiere über einen Zeitraum von 12 Monaten weniger als 30% der Anzahl von Wertpapieren ausmachen, die bereits zum Handel am selben Markt zugelassen sind;
- ein Angebot bzw. Zulassung von Wertpapieren, die mit Wertpapieren fungibel sind, die mindestens während der 18 Monate vor dem Angebot bzw. Zulassung der neuen Wertpapiere ununterbrochen zum Handel an einem geregelten Markt bzw. einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen waren.
Die Inhalte des 11-seitigen Dokuments sind dabei bereits im Anhang XI des Listing Act niedergelt.
EU-Folgeprospekt und EU-Wachstumsemissionsprospekt
Ebenso wird der EU-Folgeprospekt eingeführt und ersetzt die Regelungen zu Sekundäremissionen und zum EU-Wiederaufbauprospekt. Der EU-Folgeprospekt kann genutzt werden, wenn die Wertpapiere ununterbrochen seit mindestens 18 Monaten zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen oder in den Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt einbezogen sind. Bei einer Zulassung im geregelten Markt müssen die Aktien mit den bereits gehandelten fungibel sein; sofern nur Nichtdividendenwerte entsprechend gehandelt werden, kann der EU-Folgeprospekt nicht für die Zulassung von Dividendenwerten verwendet werden. Der EU-Folgeprospekt soll im Grundsatz maximal 50 DIN-A4-Seiten umfassen.
Daneben wird ein sog. EU-Wachstumsemissionsprospekt eingeführt und ersetzt den EU-Wachstumsprospekt. Diese Prospektform kann von KMUs, Emittenten, deren Wertpapiere an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind oder zugelassen werden sollen, und Emittenten, die maximal Wertpapiere mit einem Volumen von 50 Mio. EUR emittieren wollen und nicht mehr als 499 Mitarbeiter haben, gewählt werden. Der KMU-Wachstumsemissionsprospekt umfasst im Grundsatz maximal 75 DIN A4-Seiten.
In beiden neuen Formaten sind lediglich die veröffentlichten Finanzinformationen der letzten zwölf Monate vor Billigung des Prospekts qua Verweis aufzunehmen.
Weitere Anpassungen
Der EU-Listing Act führt zudem zu einer stärkeren Standardisierung der Struktur, des Formats und des Inhalts von Prospekten. Dadurch soll der Aufwand für Emittenten reduziert werden. Prospekte für Aktienemissionen sollen z.B. grundsätzlich nicht mehr als 300 Seiten umfassen.
Abschaffung Mindestnennwert von 1 EUR für die Ausgabe von Aktien
Auch wenn dieser Punkt nicht direkt mit der Dokumentation bei einer Emission zusammenhängt, dürfte er für die Emission von Aktien bedeutend sein: Mit dem ZuFinG II wird der Mindestwert von 1 EUR für Aktien abgeschafft. Damit können Aktien mit einem Mindestwert von 1 Cent ausgegeben werden. Die Regelung ist wohl so gemeint, dass auch höhere auf volle Cent lautende Aktiennennbeträge möglich sein werden.
Im Hinblick auf eine Börsennotierung kann dies zu einer besseren Handelbarkeit der Aktien führen, weil mehr Aktien im Umlauf wären. Auch Kapitalerhöhungen ohne Börsen können bei niedrigeren Nennwerten erleichtert werden.
Fazit
Ob die neuen Emissionsregelungen zu einer Belebung des Kapitalmarkts führen, bleibt abzuwarten; zumindest wird es dringend gewünscht von den Akteuren.
[1] Art. 1 Abs. 4 der Verordnung (EUR) 2017/1129 („Prospektverordnung“).
[2] U.a. keine Übernahmeangebote, kein laufendes Restrukturierungs- oder Insolvenzverfahren des Emittenten.