Konsultation zu der europäischen Börsengesetzgebung

Ingo Wegerich

Law Corner von Ingo Wegerich, Rechtsanwalt und Partner, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und Präsident, Interessenverband kapitalmarktorientierter KMU e.V.

Ziel ist die Kapitalmarktfinanzierung in der EU für Unternehmen attraktiver zu machen und insbesondere den Zugang zu Kapital für kleine und mittlere Unternehmen zu erleichtern.

Vom 19. November 2021 bis zum 25. Februar 2022 hatten Interessenvertreter die Möglichkeit, sich an einer Konsultation der Europäischen Kommission zu der europäischen Börsengesetzgebung zu beteiligen. Neben einer generellen öffentlichen Konsultation fand auch eine mehr zielgerichtete, sehr umfangreiche technische Konsultation statt, die sich mit einer Vielzahl von Einzelfragen auseinandersetzte.

Erklärtes Ziel der Kommission ist es, die Attraktivität der europäischen Kapitalmärkte zu erhöhen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sollen leichteren Zugang zum Kapitalmarkt erhalten. In der Konsultation wurden weite Bereiche des europäischen Kapitalmarktrechts auf den Prüfstand gestellt.

Auch der Interessenverband kapitalmarktorientierter kleiner und mittlerer Unternehmen hat sich an der umfangreichen technischen Konsultation beteiligt.

In insgesamt 109 Fragen wurde in dieser so ziemlich alles hinterfragt, was gegenwärtig bekannter Standard ist.

Prospektverordnung
Im Prospektrecht erkundigte sich die Kommission zunächst nach der jeweiligen Höhe der Kosten für die Erstellung der unterschiedlichen Prospektformate und wollte auch wissen, welche der Sektionen eines Prospekts am umständlichsten zu erstellen und am kostenintensivsten sei. Sie wollte ferner in Erfahrung bringen, wieviel Geld die Emittenten durch ein erleichtertes Prospektformat wie den EU-Wachstumsprospekt oder den EU-Wiederaufbauprospekt einsparen könnten. Bei den Ausnahmen der Prospektpflicht wurde gefragt, ob diese aus Sicht der Interessenvertreter weiter ausgedehnt werden könnten.

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Der KMU-Interessenverband hat sich bei den Ausnahmen von der Prospektpflicht dafür ausgesprochen, die Ausnahmeschwellen deutlich zu erweitern. So wurde vorgeschlagen, die gegenwärtige Schwelle für prospektfreie Emissionen von 8 Mio. EUR auf 15 Mio. EUR anzuheben.

Der Verband hat sich auch generell dafür ausgesprochen, den Prospektumfang seitenmäßig zu begrenzen – das Seitenlimit sollte sich dabei an der Größe des Unternehmens orientieren. Dabei sieht der Interessenverband das erleichterte Prospektformat des EU-Wachstumsprospekts als immer noch zu umfangreich für KMU an.

Weiter wurde von der Kommission auch nach den Erfahrungen der Interessenvertreter im Prüfungs- und Billigungsverfahren gefragt.

Hier wurde vom Interessenverband im Hinblick auf die sehr unterschiedliche Verfahrensdauer und Art der Kommentierung angeregt, dass die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde auf anonymer Basis Informationen über die Verfahrensdauer und die Anzahl und Art der gegebenen Kommentare der einzelnen nationalen Wertpapieraufsichtsbehörden veröffentlichen sollte.

Weiter forderte der Interessenverband, das Wahlrecht nach dem Herkunftsmitgliedsstaat auch auf Equity-Emissionen auszudehnen. Bisher hat nur der Emittent von Debt-Emissionen ein Wahlrecht bei der zu prüfenden Aufsichtsbehörde. Somit könnten dann auch zukünftig Börsengänge und Kapitalerhöhungen deutscher Unternehmen von der Luxemburger Finanzaufsicht geprüft werden.

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Diese Maßnahmen würden aus Sicht des Verbandes zu einer Vereinheitlichung der Prüfprozesse führen und damit einen einheitlichen Kapitalmarktzugang in der EU gewährleisten.

Marktmissbrauchsverordnung
Auch hier wollte die Kommission zunächst wissen, welche der einzelnen Regelungen (Definition, Veröffentlichung und Aufschub von Insiderinformationen, Erstellen und Aufrechterhalten von Insiderlisten, Marktsondierung, Veröffentlichung von Directors’ Dealings sowie deren Durchsetzung) am lästigsten und kostenträchtigsten für die Unternehmen sei.

In der Folge wurden dann einzelne Erleichterungen zur Disposition gestellt.

Bei Erleichterungen von der Marktmissbrauchsverordnung, die zwingend notwendig für die kleinen und mittleren Unternehmen sind, die keinen großen Verwaltungsapparat haben, hat sich der Interessenverband erneut vehement dafür ausgesprochen, dass es nicht sachgemäß sei, diese Erleichterungen an das rechtliche Konstrukt eines EU-Wachstumsmarktes zu knüpfen. Vielmehr sollten diese Erleichterungen zwingend bei dem einzigen sinnvollen Kriterium ansetzen: der Unternehmensgröße selbst. Ansonsten würden allein die Unternehmen in den Genuss von Erleichterungen kommen, die an einem solchen KMU-Wachstumsmarkt gelistet seien. In Deutschland ist das allein das KMU-Segment Scale der Deutschen Börse. Damit wären in Deutschland sehr viele KMU-Unternehmen von notwendigen Erleichterungen ausgeschlossen.

Unabhängig von notwendigen rechtlichen Erleichterungen sind aus Sicht des Verbandes jedoch die wesentlichen Faktoren, warum Investoren bisher immer noch in nur verhältnismäßig geringem Umfang in Aktien und Anleihen von KMU investieren, insbesondere
– der Mangel an steuerlichen Anreizen
– ein Mangel an KMU-Indizes sowie
– nur geringe KMU-Research-Abdeckung.

Hier ist insbesondere ein Tätigwerden notwendig.

Fazit
Es bleibt abzuwarten, wie die rechtlichen Erleichterungen im Detail aussehen werden, die von der Europäischen Kommission vorgeschlagen werden. Es kann jedoch schon jetzt davon ausgegangen werden, dass rechtliche Erleichterungen beim Kapitalmarktzugang für KMU kommen werden. Rechtliche Erleichterungen reichen jedoch nicht. Diese müssen begleitet werden durch steuerliche Anreize und weitere angesprochene Förderungen. Noch im zweiten oder dritten Quartal 2022 will die Kommission einen Gesetzesvorschlag für Änderungen im Kapitalmarktrecht vorlegen. Dieser soll noch in 2022 verabschiedet werden.

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