Importpreise : wie die Terms of Trade Europa ärmer machen

Die Importpreise steigen stärker als der Export, Deutschland avanciert aktuell zu einem Nettoimporteur – wie die USA. Von Dieter Wermuth*

Seit April 2020 befinden sich die deutschen Terms of Trade im freien Fall. Es handelt sich dabei um das Verhältnis zwischen den Indices für Ausfuhr- und Einfuhrpreise: Die Exporte haben sich bis heute um 26% verteuert, die Importe dagegen um 56%, so dass die Terms of Trade um 19% gesunken sind, so stark wie bisher nur zweimal in der Nachkriegszeit – von März 1972 bis Januar 1974 und von Oktober 1978 bis August 1981.

Das klingt auf den ersten Blick vielleicht nicht weiter beunruhigend, bedeutet aber, dass das real verfügbare Einkommen gesunken ist – für eine Einheit an Exporten kann viel weniger importiert werden als zuvor. Etwas anschaulicher: Für einen BMW, der ins Ausland verkauft wird, konnten einst 500 Fässer Erdöl erworben werden, jetzt sind es nur noch 400, der Lebensstandard ist also gesunken.

In den USA haben sich im selben Zeitraum die Terms of Trade um 9,4% kräftig verbessert und hatten damit einen positiven Effekt auf das real verfügbare Einkommen, ebenso wie in allen Ländern, in denen die Preise für die Ausfuhren stärker gestiegen sind als für die Einfuhren (Russland, OPEC, Norwegen).

Der Terms of Trade-Effekt lässt sich auch anders darstellen: Vom ersten Quartal 2020 bis zum dritten Quartal 2022 hat Deutschlands reales Bruttoinlandsprodukt aufgrund von Corona und Putins Krieg nur wenig zugenommen (1,7%), das reale Volkseinkommen aber ist um 5,0%, das real verfügbare Einkommen der privaten Haushalte um knapp 4% gesunken, die realen Stundenlöhne um 5%. Es wurde mehr produziert, aber es kam trotzdem zu einem Verlust an Kaufkraft, zugunsten der ausländischen Lieferanten.

Wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist und dringend neue Jobs hermüssen, sind niedrige und/oder sinkende Terms of Trade eine gute Sache, weil sie vom Preis her die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft verbessern, die Exporte stimulieren und die Importe tendenziell vermindern.

Anders, wenn der Arbeitsmarkt robust ist, wie zurzeit in Deutschland – dann wäre ein Anstieg der Terms of Trade das Gebot der Stunde. Er würde die Inflation dämpfen und die Wirtschaft zwingen, höherwertige Produkte herzustellen, die sich weniger vom Preis her als von der Qualität und anderen nicht-monetären Faktoren verkaufen lassen, in guten wie in schlechten Zeiten. Die deutsche Wirtschaft dürfte auf Dauer kein Interesse daran haben, mit Billigangeboten Marktanteile zu erobern und zu sichern (die Schweiz zeigt, wie man es macht).

 

Nun ist unser Land Teil einer Währungsunion und hat daher nur wenig Einfluss auf die Preise im Außenhandel. Die Terms of Trade lassen sich trotzdem verbessern: durch kräftigere Lohnerhöhungen (also eine reale Aufwertung des deutschen Euro) oder durch eine gezielte Wachstumspolitik.

Letztere erfordert beispielsweise Anreize für eine höhere Erwerbsquote, leichteren Zugang von Ausländern zum deutschen Arbeitsmarkt, eine bessere Qualifikation der Arbeitskräfte auf allen Stufen der Ausbildung, einschließlich lebenslangem Lernen, Anreize für eine stärkere Expansion von Forschung und Entwicklung, staatliche Investitionsanreize (vor allem für Erneuerbare Energien), mehr Wettbewerb und, nicht zuletzt, eine gleichmäßigere Verteilung von Vermögen und Einkommen.

Die Modernisierung der wirtschaftlichen Strukturen ist in einer Zeit, in der eine tiefe Rezession droht, Strukturen ohnehin auf dem Prüfstand stehen und Euro-Assets international eher gemieden werden, der Königsweg in eine bessere Zukunft und eine Daueraufgabe der Wirtschaftspolitik.

Der Einbruch der Terms of Trade, also der überproportional starke Anstieg der Importpreise, hat übrigens erhebliche Auswirkungen auf die Leistungsbilanz. Jahrelang betrug der Überschuss zwischen 7 und 9% des BIP, jetzt aber bewegt er sich rapide in Richtung Null, wenn nicht sogar in Richtung rote Zahlen. Dass sich Deutschland dadurch von einem der größten Nettoexporteure von Kapital zu einem Nettoimporteur wandelt, ist nicht weiter schlimm – die USA sind das bereits seit Jahrzehnten.

Dieter Wermuth

Aber in der langen Frist sollte es in einer alternden Gesellschaft wieder zu Überschüssen in der Leistungsbilanz kommen und damit netto zu weiter steigendem Auslandsvermögen. Nach wie vor ist Deutschland nach Japan in dieser Hinsicht die Nummer zwei. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass die Erträge daraus (also arbeitsloses Einkommen) inzwischen verlässlich etwa 4% des BIP erreicht haben – durch die Abwertung des Euro könnten es demnächst sogar mehr werden. Schwache Terms of Trade haben auch eine positive Seite!

*) Dieter Wermuth ist Economist und Partner bei Wermuth Asset Management

———————

Die Ausgabe 3/2022 Biotechnologie 2022  der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

Schon unsere brandneue Krypto-Jahresausgabe 2022 (1. Jg., Erscheinungstermin Aug. 2022) gesehen?

Unsere neueste BondGuide Jahresausgabe ,Green & Sustainable Finance 2022‘ ist im April erschienen und kann ebenso wie unser BondGuide Nachschlagewerk ,Anleihen 2021‘ als kostenloses E-Magazin bequem heruntergeladen, gespeichert & durchgeblättert oder weitergeleitet werden!

Bitte nutzen Sie für Fragen und Meinungen Twitter – damit die gesamte Community davon profitiert. Verfolgen Sie alle Diskussionen & News zeitnaher auf Twitter@bondguide !