Exklusiv-Interview:„Die erfolgreiche Laufzeitverlängerung war ein ganz starkes Signal“

Wohnimmobilien-Spezialist ACCENTRO hat kürzlich die Laufzeit seiner beiden Anleihen erfolgreich verlängert – zu 5,625% Kuponanpassung p.a. BondGuide nutzte die Gelegenheit, mit CEO Lars Schriewer in einem Zug die gesamte Branche aufzuarbeiten.

Herr Schriewer, Ende Februar gab es die Nachricht, dass keine Anfechtungsklagen gegen die Vollziehung der Refinanzierung Ihrer Anleihe über 250 Mio. EUR vorlägen. Welche Ansatzpunkte für Klagen hatten Sie ggf. befürchtet?
Gar keine. Wir hatten uns mit der Mehrheit  der Bondholder schon vor Weihnachten auf die Verlängerung der Anleihe geeinigt. Jedoch mussten wir die rechtlich vorgeschriebene Anfechtungsfrist wahren, bevor wir die erfolgreiche Vollziehung bekannt geben konnten.

Die beiden Anleihen 2020/23 und 2021/26 werden nunmehr um drei Jahre Laufzeit verlängert. Weshalb ist dies erst erforderlich geworden?
In dem schwierigen Markt von 2022 war die Begebung einer neuen Anleihe für uns wie für viele andere Unternehmen kaum oder nur sehr schwer möglich gewesen – daher also die Laufzeitverlängerung zu verbesserten Konditionen. Dabei ging es vor allem um die Stellung von Sicherheiten, denn diese hatten unsere Bonds bisher nicht. Und wenn sie auf das Ergebnis schauen: Vonovia als DAX-Titel hatte im Herbst vergangenen Jahres zu 5% refinanziert, und die Accentro kam nunmehr bei 5,625% mit Planbarkeit für drei weitere Jahre heraus – das sehe ich als großen Erfolg für uns als Accentro. In jedem Fall haben wir jetzt Planungssicherheit. Das war mir besonders wichtig.

Dabei wurde Anfang 2022 noch ein Rekord bei Wohnungsverkäufen für 2021 bejubelt, als nächstes ein starker Start ins erste Quartal 2022. Was war 2022 so anders als im Vorjahr?
Genau. Und dann überfiel Russland die Ukraine. Seitdem haben wir eine Zeitenwende gesehen. Erst stieg die Inflation, dann der Zins. Unsicherheit und Angst um den Frieden in Europa machten sich breit. Kauf- und Konsumzurückhaltung waren die Folge. An den Kapitalmärkten kam es zu einer Vermögensvernichtung bislang unbekannten Ausmaßes. In dieser schweren Krise hat der Immobilienmarkt natürlich reagiert. Kaufverträge wurden storniert, Projekte auf die lange Bank geschoben. Zumal der Facharbeitermangel und die Lieferkettenprobleme insbesondere dem Bau noch zusätzliche Sorgen machten. In Summe gesprochen, hat dieser sinnlose Krieg in der Nacht zum 24. Februar 2022 den mehr als zehn Jahre währenden Boom auf dem Bau beendet.

Hatten wir aufgrund der künstlich niedrig gehaltenen und schlussendlich scheinbar manifestiert niedrigen Zinsen schon etwas Spekulation, auch hier in Deutschland im Immobiliensektor?
Dem kann ich nicht widersprechen. Bis Anfang 2022 konnte sich niemand auch nur annähernd vorstellen, warum Finanzierungen in absehbarer Zeit wieder teurer werden könnten. Man konnte Immobilien erwerben oder bauen lassen und durfte sich annähernd sicher sein, dass sie bereits innerhalb kurzer Zeit  im Wert zulegen würden. Der Markt hat sich in den letzten Jahren an ca. 1% Finanzierungskosten gewöhnt und nun sind es eben wieder 4%. Das ist zwar immer noch  ‚nur‘ das Niveau der vergangenen  Jahrzehnte, aber eben doch viermal so viel wie in der jüngeren Vergangenheit, an die man sich noch gern erinnert. Zumal wir ja in allen Lebensbereichen exorbitante Preissteigerungen gesehen haben. Angebot und Nachfrage am Immobilienmarkt werden sich einpendeln und anpassen. Sie können sich vorstellen, dass wir froh sind, unter diesen Gegebenheiten des Umbruchs unsere Anleihe erfolgreich angepasst haben zu können.

Es gab weitere Änderungen in letzter Zeit, oder nicht?
Etwas, dass Sie in unserer Branche, den Wohnimmobilien, in den vergangenen  Jahren überhaupt nicht benötigt haben, war ‚Vertrieb‘. Es war ein reiner Verkäufermarkt. Die Nachfrage war so groß, dass die meisten Wettbewerber in unserer Branche darauf verzichten konnten. Einige mittelgroße Wohnungsverkäufer wenden sich daher inzwischen auch an uns, ob wir deren Projekte nicht vertrieblich unterstützen könnten, z.B. die Deutsche Wohnen. Das gab es zuletzt so überhaupt nicht – im Vertrieb ging praktisch alles von allein. Zum Glück haben wir bei der Accentro eine erfahrene und wirklich aktive Vertriebsmannschaft.

Welches würden Sie derzeit als größtes Problem in Ihren Geschäftsfeldern beziffern – Mietpreisdeckel, sonstige behördliche Auflagen wie avisierte Zwangssanierungen, höhere Finanzierungskosten, Lieferkettenprobleme, Handwerkermangel …?
Die erfolgsverwöhnte Branche hat plötzlich mit knackigen Problemen zu kämpfen. Ihre gesamte Aufzählung ist richtig und beschäftigt unseren Gesamtmarkt. Für uns sind zwei Punkte am wichtigsten: Die Finanzierungskosten der Wohnungsinteressenten ist ein wichtiger Punkt, und die sind in den vergangenen zwölf Monaten massiv gestiegen – und zwar so schnell wie nie zuvor. Hier muss die Politik handeln, und das ist mein zweiter Punkt. Das Verhältnis zwischen durchschnittlicher von uns verkaufter Wohnung und Durchschnittseinkommen der Bürger:innen liegt aktuell rund beim Faktor zehn. Da kann sich der normale Deutsche fast keine eigene Wohnung mehr leisten – politisch kann das unmöglich gewünscht sein. Im Moment werden weitere Hürden aufgebaut, doch das Gegenteil sollte der Fall sein. Die eigene Immobilie soll doch kein Luxusgut sein, das sich nur wenige leisten können. Hürden abbauen und Förderungen schaffen, das wären meine Wünsche zu Ihrer ‚Mängelliste‘.

Am Kapitalmarkt würde man da von ‚gefühltem Kontrollverlust‘ sprechen, denn auf Ihre beiden Hauptpunkte haben Sie ja keinerlei Einfluss!
Naja, so hilflos sind wir nicht. Wir können zum Beispiel als Branche auf die diese ‚Mismatches‘ am Markt hinweisen. Ich  bin in den Deutschen Wirtschaftssenat berufen worden und werde dort genau auf diese Missstände hinweisen. Die kolportierten Vorschläge mit den Zwangssanierungen wurden in der großen Elefantenrunde der Ampelkoalition Ende März zum Glück weitestgehend abgeräumt bzw. so weit abgeschwächt, dass wenigstens keine akute Gefahr mehr für Haus- und Wohnungsbesitzer droht. Trotzdem muss in Deutschland mehr dafür getan werden, von einem Land der Mieter und Mieterinnen zu einem Land von Haus- und Wohnungsbesitzern zu avancieren.

 Zu knapp 5% ist noch die Adler-Gruppe bei Accentro investiert. Haben die bislang ungelösten Probleme der Adler irgendwo negativen Einfluss auf die Accentro?
Nein. Aber wir müssen das immer erklären. Die Historie als Bestandteil der Adler Group ist natürlich in jedem Gespräch ein Thema. Dabei hält die Adler Group nur noch 4,8% an der Accentro. Operativ besteht keinerlei Verbindung untereinander. Aber ja: In einem hoch sensiblen Umfeld müssen wir mehr erklären, als es eigentlich sein müsste. Wir haben es in unserem Geschäft mit rund 60 Banken zu tun und für keine war die angesprochene restliche Verbindung zur Adler-Gruppe ein Thema. Hier zählte zuletzt weit mehr, dass wir unsere Refinanzierung zu nunmehr 5,625% hinbekommen haben, was ein ganz starkes Signal war, das uns ungeheuer hilft.

Lars Schriewer

Aktuell dürfte unterhalb des DAX kaum jemand, wahrscheinlich niemand, neu mit unter 6% Kupon kommen können. Woran hakt es denn?
Einerseits sagen viele Investoren, dass sie nicht in Emerging Markets aktiv sein können, da die politische Situation in der Regel zu instabil ist. Doch was haben wir aktuell hier in Deutschland? – genau das! Turnusmäßig kommt derzeit etwas Neues, von ehemals Mietpreisdeckel bis zur angedachten Zwangssanierung. Das ist ganz sicher nicht sonderlich hilfreich für die gesamte Wohnungsbranche. Langfristig ist aber angesichts der massiven Nachfrage und der insgesamt stabilen Preis- und Mietentwicklung kaum ein Immobilienmarkt so attraktiv wie der deutsche.

Herr Schriewer, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und das interessante Gespräch!

Interview: Falko Bozicevic

Fotos / Grafiken: @ACCENTRO RE

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