Mit Taiwan droht die nächste geopolitische Zerreißprobe

Russlands Diktator Putin hat vorgemacht, wie man sich Teile eines Nachbarlands einverleibt – und davonkommt. Chinas Xi hat das womöglich ermuntert.

Die Analogie ist unübersehbar: Erst marschierten russische Verbände für eine vermeintliche Militärübung auf, wurden monatelang in Stellung gebracht und der russische Frühling abgewartet. Am 24. Februar letzten Jahres dann schuf Putin Fakten.

Inzwischen ist wieder Frühling, nur der Schauplatz ein anderer. Bereits drei Wochen nach dem unverfrorenen Überfall auf die Ukraine hatte ich in einem Editorial skizziert, was dies für Chinas ‚abtrünnige Republik‘ Taiwan bedeuten könnte. Damit war ich eventuell nicht Erster, aber doch einer der Wenigen, die auch etwas über den Ereignishorizont eines Daytraders hinausblicken.

Bei der Militärübung Chinas ging / geht es um konkrete Präzisionsschläge gegen den Inselstaat, gegen sogenannte Schlüsselziele: Flugzeuge, Marine, dann Bodentruppen. Kommt besorgniserregend bekannt vor, oder?

Schon zuvor hatte China immer wieder im ostchinesischen Meer militärische Spektakel zelebriert, meist als direkte Antwort auf irgendeine eingebildete oder reale ‚Provokation‘ der USA, die für Taiwan ja mit einer Be(i)standsgarantie im Wort stehen. Was die im Ernstfall bedeutet, wird man hoffentlich niemals auf die Probe gestellt sehen müssen. US-Präsident Joe Biden hielt sich zuletzt betont vage, um China nicht unnötig Breitfläche zu bieten.

Für Außenstehende ist in der Regel nicht klar, worum es zwischen China und Taiwan eigentlich geht. Maos Kommunisten riefen 1949 die Volksrepublik China aus, derweil sich ihr politischer Gegenpart auf die vorgelagerte Insel Formosa – jetzt Taiwan – flüchtete. So heißt Taiwan offiziell weiterhin Republik China, was aber international leicht zu Verwechslungen führen würde.

Seit damals verwaltet sich Taiwan selbst und wählt seit über einem Vierteljahrhundert sogar demokratisch. Aus Vorsichtsgründen unterhalten nur knapp mehr als ein Dutzend Staaten diplomatische Beziehungen mit der ‚abtrünnigen Provinz‘. Auch wenn der Vergleich nicht 100% passt: Falls Bundeskanzler Scholz bei einem jederzeit möglichen Misstrauensvotum unterliegen sollte, würde er eventuell mit Getreuen nach Hamburg fliehen und die Hansestadt plus Bremen und Lübeck als Hanserepublik Deutschland für abtrünnig erklären – der Rest bliebe die Bundesrepublik Deutschland, amputiert um seine abtrünnige Provinzhanse. So in etwa wäre die Parallele.

Für Xi ist der Wiederanschluss Taiwans Teil seiner vermeintlichen historischen Mission. Das Gute immerhin: Genau wie Putin in Russland ist Xi in China als Machthaber auf Lebenszeit nicht mehr abwählbar, d.h. er hat noch ausreichend Zeit und kann geduldig auf eine passende Gelegenheit warten – die hoffentlich jetzt erst mal noch nicht gekommen ist. Xi hat die Wiedereingliederung Taiwans für bis maximal 2049 ausgelobt – dem Jahr des 100jährigen Bestehens der VR China.

Falko Bozicevic

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