Corona: Kollaps der Anleihemärkte – kein V, sondern ein U

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Anders als bei der Erholung im ersten Quartal 2019 gehen wir nicht davon aus, dass die Anleihemärkte die Verluste der vergangenen zwei Wochen so schnell wieder aufholen. Anstatt eines „V-förmigen“ Verlaufs, etwa bei früheren Virusausbrüchen wie SARS oder MERS, rechnen wir dieses Mal mit einer Erholung in „U-Form“ – vorausgesetzt das Coronavirus wird gut abgestimmt eingedämmt. Andrew Jackson, Head of Fixed Income bei Federated Hermes über die jüngsten Marktbewegungen und Auswirkungen auf Anleihen.

Black Monday (II) – und Thunder Thursday
Weltweit haben die Aktienmärkte nach einem Einbruch der Ölpreise um 30% und der Heraufstufung von Covid-19 auf Pandemie-Status heftige Verluste erlitten. Auch die Risikoaufschläge an den Anleihemärkten wurden auf den Boden der Realität zurückgeholt, nachdem sie zuvor Niveaus erreicht hatten, die auf eine fast perfekte Welt hindeuteten.

Relativ betrachtet sind die Auswirkungen auf die Anleihemärkte erheblich gewesen – selbst wenn man den Vergleich auf die Verluste an den asiatischen und europäischen Aktienbörsen bezieht, die zuletzt 25% unter ihren Höchstständen notierten. Der Ölpreis-Krieg hat diese Situation für den Anleihemarkt noch verschärft, da es hier einen relativ hohen Anteil an Anleihen von Emittenten aus dem Energiesektor gibt.

In den letzten beiden Wochen konnten wir beobachten, wie die Rendite zehnjähriger US-Treasuries auf Rekordtiefstände sank, während ihr britisches Pendant erstmals in der Geschichte unter null Prozent fiel. Die Spreads von Hochzinsanleihen sind deutlich gestiegen und der iTraxx Crossover Index hat die Marke von 500 Basispunkten durchbrochen, was einem Anstieg um 150% gegenüber Mitte Februar entspricht.

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Diese Marktbewegungen sind vor dem Hintergrund folgender Faktoren zu sehen:

1. Die Anleihemärkte haben sich beim jüngsten Ausverkauf besser entwickelt als Aktien.
2. Unserer Meinung nach sind die Credit Spreads schon seit einiger Zeit zu eng und die Volatilität zu niedrig gewesen.
3. Ein Großteil der Anleger hat es versäumt, zwischen Emittenten guter und schlechter Qualität zu unterscheiden.

Fokus auf Qualität
Unsere Ausrichtung auf Unternehmensanleihen höherer Qualität hat sich in den letzten Wochen manifestiert. Demgegenüber stehen wir minderwertigen Papieren angesichts schwacher Kreditfundamentaldaten, hoher Bewertungen, eines vielfach schwächeren Gläubigerschutzes und erwarteter niedrigerer Verwertungsraten weiter sehr zurückhaltend gegenüber. So liegt unser Engagement in stärker risikobehafteten Papieren mit Ratings von B oder CCC aktuell bei unter 10% – verglichen zu 50% für den Hochzinsmarkt insgesamt.

Entgegen unserer Annahme hat sich unsere Präferenz für qualitativ hochwertige Anleihen bisher noch nicht ausgezahlt. Dies liegt wohl daran, dass bonitätsschwächere Anleihen in der Regel weniger liquide sind und daher inmitten der Volatilität keinen Abwicklungspreis gefunden haben; dafür wurden einige der liquideren Instrumente, die wir halten, wie erwartet verkauft und haben entsprechende Kursrückgänge erlitten. In den kommenden Tagen oder möglicherweise Wochen rechnen wir aber mit einer Einpreisung der Verwerfungen auch in die Kurse weniger liquider Unternehmensanleihen wie CCC bewerteten Titeln, die sich bis dato noch nicht so stark bewegt haben, wie es eigentlich zu erwarten gewesen wäre.

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Vor- oder nacheilende Kursbewegung? Fünf Einflussfaktoren
Die wichtigsten Beobachtungen, die unser Team während des Ausverkaufs bisher machen konnte, stützen folgende Einschätzungen:

1. Europa wurde stärker getroffen als die USA. Aus unserer Sicht hat sich der Europa-basierte iTraxx Main Index zu stark bewegt, verglichen mit dem US-orientierten CDX Investment Grade Index, dessen Reaktion nur leicht überzogen war. Auch entwickelte sich der iTraxx Crossover Index eher im Einklang mit den Erwartungen, während der CDX High Yield Index hinterherzuhinken scheint.

2. Wahrscheinlich, weil sie am klarsten sind, haben derivative Formen von Indizes größere Spreadbewegungen verzeichnet als Einzeltitel-Derivate. Auch Cash hat sich nicht so stark wie erwartet bewegt und verfügt daher über Nachholpotenzial.

3. Außerdem wurden Anleihen mit dem BB-Rating realistischer bewertet als jene mit B- oder CCC-Rating. Wir sind der Ansicht, dass die beiden letzteren noch kein Clearing-Level gefunden haben.

4. Schwellenmärkte machen soweit noch einen ganz guten Eindruck und könnten einer weiteren Neubewertung unterzogen werden. Der Zinskollaps und eine verbesserte Konvexität scheinen dieser Anlageklasse dabei eine größere Stütze zu sein als dem Hochzinsmarkt der Industrieländer.

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5. Anleiheinstrumente im Ölsektor wurden erheblich belastet. Während die Verluste bei Emittenten mit bedenklichen Bilanzen durchaus gerechtfertigt sein können, dürften sie bei soliden Investment-Grade-Anleihen mit langer Laufzeit tendenziell übertrieben gewesen sein.

Virus-Volatilität: Koordinierte Maßnahmen erforderlich
Auch wenn die V-förmigen Erholungsbeispiele aus der Vergangenheit auf einen temporären wirtschaftlichen Effekt hindeuten, so möchten wir doch darauf hinweisen, dass sich das Coronavirus schneller auszubreiten scheint. Und: Die damit verbundene Unsicherheit wird noch verstärkt durch das wenige Wissen über die tatsächlichen Mortalitäts- oder Infektionsraten, von potenziellen Virusmutationen ganz zu schweigen.

Der Markt wirkt zwar auf den aktuellen Niveaus überverkauft, was aber nicht heißt, dass sein Abwärtspotenzial damit ausgeschöpft ist. Alles wird davon abhängen, wie sich das globale Wachstum in der zweiten Jahreshälfte entwickelt und ob die Pandemie eingedämmt werden kann. Dabei besteht noch die Möglichkeit, dass der Handel an den Anleihemärkten ausgesetzt wird – der Markt also quasi in Quarantäne geht –, wie es 2008 und 2011 der Fall war.

Andrew Jackson, Federated Hermes

Für das Abschneiden der Anleihemärkte bleibt letztlich entscheidend, wie das zweite Halbjahr verlaufen wird. Während eine kurzfristige Beeinträchtigung der Cashflows für Unternehmen noch zu bewältigen sein mag, ist es ein ganzes Jahr in den roten Zahlen sicherlich nicht. Wie sich das Coronavirus weiter entwickeln wird, ist höchst ungewiss, wobei die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Ausbreitung auf andere Industrieländer noch erschwerend hinzukommt.

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