Law Corner: OLG Dresden – Unzulässigkeit eines Opt-in-Beschlusses nach Insolvenzeröffnung

Dr. Christian Becker, Partner und Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München

Von Dr. Christian Becker, Partner und Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München

Nach einer Entscheidung des OLG Dresden vom 9.12.2015 soll ein Opt-in-Beschluss gemäß § 24 II SchVG für sog. Altanleihen, die vor dem 5.8.2009 emittiert wurden, nach Insolvenzeröffnung unzulässig sein. Für die Restrukturierungspraxis ist die Frage nach einem möglichen Opt-in im Insolvenzverfahren aber von besonderer Bedeutung. Sie betrifft im Kern auch die grundsätzliche Frage, ob und inwieweit Beschlüsse nach Maßgabe des SchVG im Insolvenzverfahren überhaupt möglich sind. Der Bedarf für solche Beschlüsse ist nicht zu unterschätzen – können doch Maßnahmen nach dem SchVG als Teil eines Insolvenzplans gefasst bzw. über Planbedingungen mit einem Insolvenzplan verzahnt werden. Insoweit lohnt ein näherer Blick auf die Entscheidung des OLG Dresden.

Opt-in-Beschluss nach § 24 II SchVG
Auch sog. Altanleihen, die vor dem 5.8.2009 begeben wurden, können grundsätzlich dem Regime des SchVG unterstellt werden. Erforderlich hierfür ist, dass die Anleihegläubiger mit Zustimmung des Emittenten gemäß § 24 II SchVG beschließen, die Anleihebedingungen entsprechend zu ändern (Opt-in). Der Wortlaut des § 24 II SchVG enthält in diesem Zusammenhang keine Einschränkung für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Emittenten.

Entscheidung des OLG Dresden (Az. 13 U 223/15)
Das OLG Dresden hat jüngst dennoch entschieden, dass die Möglichkeit eines Opt-in nach Insolvenzeröffnung nicht mehr möglich sei. Begründet hat das OLG Dresden seine Entscheidung insbesondere damit, dass aus § 19 I SchVG folge, die Anleihegläubiger könnten nach Insolvenzeröffnung lediglich noch von den Möglichkeiten Gebrauch machen, die die Insolvenzordnung biete. Abgesehen von der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters (§ 19 II SchVG) seien im Insolvenzverfahren keine Mehrheitsbeschlüsse nach Maßgabe des SchVG mehr möglich.

Kritische Würdigung
Weder der Wortlaut noch die systematische Stellung des § 19 I SchVG rechtfertigen unseres Erachtens die restriktive Auffassung des OLG Dresden. Auch der Gesetzgeber hat in der Begründung zum ESUG klargesellt, dass ein Debt-Equity-Swap gemäß § 5 III 1 Nr. 5 SchVG noch nach Insolvenzeröffnung beschlossen werden kann (BT-Drucks. 17/5712, S. 31). Warum für weitere Maßnahmen des § 5 III SchVG oder für einen Opt-in-Beschluss nach § 24 II SchVG etwas anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich.

Ferner spricht auch die in § 19 III SchVG angelegte Stellung eines „starken“ gemeinsamen Vertreters in der Insolvenz dagegen, nach Insolvenzeröffnung keinen Opt-in und keine weiteren Beschlüsse nach Maßgabe des SchVG zu fassen.

Auch in einer Insolvenz besteht das Schuldverhältnis zwischen Emittent und Anleihegläubigern fort. Daher haben diese nach unserer Einschätzung auch weiterhin die Möglichkeit, das bestehende Schuldverhältnis durch Beschlüsse nach dem SchVG zu ändern. § 19 I SchVG soll die Bestimmungen der InsO lediglich ergänzen. Sofern keine Spezialregelungen der InsO bzw. des § 19 SchVG greifen, bleiben die Vorschriften des SchVG nach Insolvenzeröffnung anwendbar.

Fazit
Unseres Erachtens sprechen die besseren Argumente dafür, dass auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein Opt-in und weitergehende Beschlüsse nach Maßgabe des SchVG möglich sind. Aus Sicht der Restrukturierungspraxis bleibt mit Spannung abzuwarten, ob auch der BGH in dem bereits anhängigen Revisionsverfahren (Az. II ZR 377/15) diese Einschätzung teilt und die Entscheidung des OLG Dresden korrigiert.