Law Corner: Öffentlicher Abverkauf über die Börse zulässig?

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Im Rahmen von Anleihemissionen kommt immer wieder die Frage auf, ob nicht auch eine ‚Platzierung‘ dadurch möglich ist, dass Stücke über die Börse abverkauft werden. Ein aktuelles Merkblatt der BaFin bestätigt noch mal: Das ist nicht zulässig. Law Corner von Dr. Thorsten Kuthe, Rechtsanwalt und Partner, HEUKING

>> aus BondGuide #21-2025 vom 17. Okt. <<

Es klingt bestechend einfach: Ein Unternehmen begibt eine Anleihe, die Angebotsfrist aus dem Wertpapierprospekt läuft ab und die Anleihe ist nicht vollständig platziert. Nicht selten erleben wir dann, dass sich das Unternehmen meldet mit dem Anliegen: „Wir können doch alle nicht begebenen Stücke über die Zahlstelle verbriefen und dann, nach Handelsstart in den Markt, verkaufen“.

Der Jurist zuckt und denkt, das kann doch nicht wahr sein. Jedoch: man sieht das über die Jahre immer wieder. Ist es wirklich so einfach, Prospektpflichten zu umgehen? Wie die BaFin in ihrem neuen Merkblatt zum öffentlichen Angebot (allgemein dazu auch die Kollegen Pospiech und Feldle im BondGuide #19/2025) klarstellt: nein (man ist geneigt zu ergänzen: ‚natürlich nicht‘).

Wie ist der Verkauf einige Zeit nach der Emission einzuordnen?
Beleuchten wir erst einmal einen leicht anderen Fall: Die Emission ist beendet, es sind Jahre vergangen. Die Emittentin kauft einen Teil der Anleihe zurück. Ebenso verkauft sie anschließend über die Börse ein paar Stücke. Ein unzulässiges öffentliches Angebot? Hier würden die meisten wahrscheinlich sagen: kann nicht sein, die Emittentin tritt wie jeder Marktteilnehmer auf. Aber: Die Emittentin ist eben kein normaler Marktteilnehmer.

Auf Auswirkungen von Themen wie Insiderrechnung und das Verbot der Marktmanipulation soll an der Stelle nicht eingegangen werden. Aber auch prospektrechtlich gibt es im Sekundärmarkt Grenzen dessen, was eine Emittentin machen darf und was nicht. Hierzu hat die BaFin schon in grauer Vorzeit, nämlich vor über zehn Jahren Stellung genommen: Wenn die Emittentin (und das dürfte der Standard sein) auf ihrer Homepage bestimmte Basisinformationen über die Anleihe veröffentlicht, wie etwa die Ausstattungsmerkmale, aber das Angebot der Wertpapiere beendet ist und das Angebot erfolgte damals auf Basis eines Wertpapierprospekts, dann gilt der bloße Sekundärmarkthandel nicht als öffentliches Angebot. Wenn es also in dem Kontext dieses Verkaufs der zurückerworbenen Anleihen über die Börse keine weitere Kommunikation durch die Emittenten gibt, dann stellt dies kein öffentliches Angebot dar.

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Und wie ist die Weiterplatzierung zu sehen?
Wenn wir jetzt wieder auf unsere Eingangskonstellation zurückkommen, dass vorher nicht gezeichnete und platzierte Stücke erstmals über die Börse ‚platziert‘ werden, dann ist dort die Konstellation gerade anders. Die BaFin weist in ihrem Merkblatt ausdrücklich darauf hin, dass bei dem Angebot auf dem Sekundärmarkt die gleichen gesetzlichen Vorgaben im Hinblick auf die Prospektpflicht gelten wie bei einem Angebot über den Primärmarkt. Heißt im Klartext: Wer Aktien über die Börse verkauft und Kommunikationsmaßnahmen ergreift, die in der Diktion der BaFin ein öffentliches Angebot darstellen, braucht dafür einen Prospekt.

Und genau das ist in der geschilderten Konstellation gegeben. In dem Fall liegt nämlich nach der Definition der BaFin kein Abschluss des Vertriebs im Primärmarkt. Der erfordert nämlich, dass die Anzahl der in den Handel einbezogenen Wertpapiere ‚während des Sekundärmarkts nicht überschritten wird‘, außer es greift eine Prospektausnahme ein. Mit anderen Worten: Der ‚Weitervertrieb‘ durch den öffentlichen Abverkauf an der Börse nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Wertpapierprospekts stellt ein öffentliches Angebot dar.

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Das gilt, egal ob das sofort passiert oder mit etwas Abstand. Entscheidend ist: Hier werden Stücke, die vorher noch niemand gezeichnet hatte, von der Emittentin selbst in den Markt gegeben unter Nutzung der Kommunikation, die die Emittentin tätigt, um auf sich und/oder die Anleihe aufmerksam zu machen. Ganz abgesehen davon stellt sich auch noch die Problematik, dass in rechtlicher Hinsicht das Wertpapier erstmal entstehen muss, was zumindest eine Zwischenübernahme durch zum Beispiel eine abwickelnde Bank erfordert. Das wird in der Praxis überraschenderweise teilweise nicht beachtet mit der Folge, dass unwirksame Wertpapiere unerkannt in den Umlauf gelangen.

Dr. Thorsten Kuthe, HEUKING

Fazit
Kommen wir zurück zur Eingangsfrage: Wurde mir in den letzten Jahren mitgeteilt, dass man jetzt in die ‚prospektfreie Nachplatzierung über den Markt geht‘, stieß die anwaltliche Antwort, dass das nicht zulässig ist, oft auf ein‚ das machen aber andere auch und unser Dienstleister sagt, das geht‘. Wer es bislang nicht glauben wollte, kann es jetzt (mit juristischer Interpretation) den BaFin-Hinweisen entnehmen. Und so gerne ich auch praxisbezogen berate: An der Stelle wird meines Erachtens völlig zu Recht ein Riegel vorgeschoben. Wenn man sich so der Regulatorik entziehen könnte, dann wäre das ganze Gesetz nichts wert. Und zum Trost: Zwischenzeitlich nimmt die Zahl der Ausnahmen von der Prospektpflicht weiter zu und wahrscheinlich in wenigen Monaten werden prospektfreie Angebote von Anleihen bis 12 Mio. EUR möglich werden. Auch dann verbleiben Aufklärungspflichten gegenüber den Anlegern durch entsprechende Dokumentation – aber das ist ein anderes Thema, vielleicht demnächst an dieser Stelle.