Law Corner: Die Bandbreite zulässiger Sanierungsmaßnahmen nach dem SchVG

Dr. Lutz Pospiech & Josepha Rüberg, GÖRG

Der Law Corner Beitrag von Dr. Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, und Josepha Rüberg, Rechtsanwältin, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München.

Nachdem sich die Befugnisse der Anleihegläubiger mit Mehrheitsbeschluss gemeinschaftlich auf ihre Rechte einwirken zu können im alten SchVG von 1899 als zu eng erwiesen, erweiterte das SchVG 2009 diese erheblich. So normiert § 5 I S. 1 SchVG die Befugnis der Gläubiger, durch Mehrheitsbeschluss wesentlichen Änderungen der Anleihebedingungen zuzustimmen. § 5 III SchVG zählt in einem nicht abschließenden Katalog mögliche Sanierungsmaßnahmen auf, die Anleihegläubiger beschließen können. Die konkrete Bandbreite zulässiger Beschlussgegenstände ist im Schrifttum umstritten und von der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt.

Ausgangslage
Gläubiger derselben Anleihe
können durch Mehrheitsbeschluss die Anleihebedingungen abändern, wenn und soweit diese hierzu ermächtigen. Über welche Maßnahmen die Anleihegläubiger konkret Beschluss fassen können, liegt im Ermessen des Emittenten. Diesem steht es frei, das Mehrheitsprinzip auf einzelne Maßnahmen zu beschränken oder die AGV dazu zu ermächtigen, den Katalog denkbarer Gegenstände zu erweitern.

Soll der wesentliche Inhalt der Anleihebedingungen wie in den Katalogbeispielen nach § 5 III Nr. 1 bis 9 SchVG abgeändert werden, können Anleihegläubiger hierüber nur beschließen, wenn in einer 1. AGV 50% bzw. in einer 2. AGV 25% der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten sind.

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Zudem bedarf ein solcher Beschluss einer qualifizierten Mehrheit von 75% der an der Abstimmung teilnehmenden Stimmrechte.

Mögliche Beschlussgegenstände
Bei der Bestimmung möglicher Beschlussgegenstände kommt den Parteien laut Gesetzesbegründung weitgehende Flexibilität zu – vorausgesetzt, das Verbot der Begründung von Leistungspflichten (§ 5 I S. 3 SchVG) und das Gleichbehandlungsgebot (§ 5 II S. 2 SchVG) werden beachtet.

Durch die Ausweitung des Mehrheitsprinzips soll der Emittent in die Lage versetzt werden, auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren, und die Anleihegläubiger sollen substanzielle Sanierungsbeiträge leisten können (BT-Drs. 16/12814, S. 18).

Maßnahmenkatalog des § 5 III SchVG
In der Praxis stehen regelmäßig neben der Stundung oder Verringerung der Zinsen (§ 5 III Nr. 1 SchVG) bzw. der Hauptforderung (§ 5 III Nr. 2, Nr. 3 SchVG) der Umtausch der Schuldverschreibungen in Gesellschaftsanteile (§ 5 III Nr. 5 Var. 1 SchVG) im Vordergrund.

Angesichts der derzeitigen Unsicherheit über die Besteuerung von Sanierungsgewinnen nach Forderungsverzichten rücken auch Überlegungen zum Umtausch von Anleihen in andere Leistungsversprechen (§ 5 III Nr. 5 Var. 2 SchVG) in den Fokus.

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Im Schrifttum ist umstritten, ob ein Umtausch in nicht handelbare Geschäftsanteile, Wertpapiere oder andere Leistungsversprechen auch möglich sein soll, wenn die verbrieften Rechte dadurch ihre Handelbarkeit verlieren.

So gibt es Stimmen in der Literatur, die den Tausch von börsennotierten Anleihen in nicht kapitalmarktfähige Geschäftsanteile für unzulässig erachten, da das Leitbild des SchVG die verkehrsfähige Schuldverschreibung sei. Demnach sei ein Tausch in GmbH-Geschäftsanteile oder in nicht börsennotierte Aktien ausgeschlossen.

Andere Autoren halten den Umtausch der Anleihen in nicht fungible Geschäftsanteile oder Wertpapiere dagegen unproblematisch für möglich. In Bezug auf das gesetzlich normierte Katalogbeispiel des Umtausches in „andere Leistungsversprechen“ sei sogar ein Versprechen von Naturalleistungen denkbar.

Fazit
Nach unserer rechtlichen Einschätzung sprechen gute Argumente für die weniger restriktive Auffassung. Aufgrund der Ausgestaltung des § 5 III SchVG als nicht abschließender Maßnahmenkatalog und der Zielsetzung des Gesetzgebers, Emittenten und Anleihegläubigern Flexibilität bei der Erarbeitung eines Sanierungskonzepts zu eröffnen, ist eine weitgehende Auslegung bei der Bestimmung möglicher Beschlussgegenstände angezeigt.

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