Law Corner: Anleiherückkäufe in Zeiten der COVID-19-Pandemie

Dr. Mirko Sickinger (li) und Tobias Nagel, Heuking

Der Law Corner Beitrag von Dr. Mirko Sickinger, LL.M., Rechtsanwalt und Partner, Tobias Nagel, Salaried Partner, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Aufgrund der COVID-19-Pandemie sind nicht nur Aktienkurse erheblich gesunken, sondern auch die Kurse notierter Anleihen, so dass diese zum Teil deutlich unter ihrem Nennwert liegen. Dies könnte eine günstige Gelegenheit für Emittenten sein, einen Teil der Anleihe zurück zu kaufen.

Rechtliche Vorgaben
Ein Anleiherückkauf ist nach den Anleihebedingungen zumeist möglich, da diese üblicherweise eine offen formulierte Klausel enthalten, wonach der Rückkauf von Schuldverschreibungen ohne Beschränkungen zulässig ist. Auch sind die aktienrechtlichen Regelungen für den Erwerb eigener Aktien oder ein allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz hierbei nicht anwendbar. Einschränkungen für den Rückkauf von notierten Anleihen ergeben sich jedoch durch die Regelungen der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) zur Marktmanipulation (Art. 12, 15 MAR) und zum Insiderrecht (Art. 14, 17 MAR).

Denn der Rückkauf von Wertpapieren durch den Emittenten birgt grundsätzlich das Risiko einer Marktmanipulation, da dadurch eine tatsächlich am Markt nicht bestehende Nachfrage vorgetäuscht und damit der Preis unzulässig beeinflusst werden kann. Des Weiteren ist ein geplanter Anleiherückkauf bei entsprechender Kurserheblichkeit, die üblicherweise vorliegen dürfte, im Rahmen einer Ad-hoc-Mitteilung bekannt zu geben. Ein Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften dürfte für den Emittenten allerdings nicht in Betracht kommen, da die Umsetzung einer zuvor gefassten Verkaufsabsicht gemäß Art. 9 Abs. 5 MAR von dem Verbot ausgenommen ist.

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Rückkauf nach Safe Harbour-Regelung
Als zulässige Vorgehensweise bietet sich an, von der Safe Harbour-Regelung in Art. 5 MAR Gebrauch zu machen und die Anleihen im Rahmen eines programmierten Rückkaufprogramms zurück zu erwerben. Diese für den Erwerb eigener Aktien geschaffene Regelung gilt zwar weder dem Wortlaut nach noch in entsprechender Anwendung für Anleihen. In der juristischen Fachliteratur wird jedoch die – nach unserer Einschätzung zutreffende – Ansicht vertreten, dass der Erwerb eigener Schuldverschreibungen nicht gegen die Verbotsnormen der MAR verstößt, wenn die Vorgaben der Safe-Harbour-Regelung, insbesondere die dabei geltenden Veröffentlichungs- und Erwerbsbedingungen sowie Handelsbeschränkungen, die in der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1052 konkretisiert werden, eingehalten werden.

Danach müssen die Einzelheiten des Rückkaufprogramms im Rahmen einer Ad-hoc-Mitteilung vor dessen Beginn offengelegt werden. Des Weiteren müssen die Kurs- und Volumengrenzen der Verordnung eingehalten werden. Danach ist der Kurs für den Rückkauf begrenzt durch die Höhe des letzten unabhängig getätigten Abschlusses oder (sollte dieser höher sein) des derzeit höchsten unab­hängigen Angebots an der Börse, an welcher der Kauf stattfindet. Außerdem darf der Emittent an einem Handelstag nicht mehr als 25% des durchschnittlichen täglichen Handelsvolumens erwerben. Darüber hinaus sind die Erwerbe in wöchentlichen Wasserstandsmeldungen sowohl der BaFin mitzuteilen als auch öffentlich bekannt zu geben. Zulässige Marktpraktiken gemäß Art. 13 MAR für Rückkäufe bestehen neben der Safe Harbour-Regelung bislang nicht, da die BaFin als dafür zuständige Behörde solche noch nicht festgelegt hat.

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Rückkauf außerhalb der Safe Harbour-Regelung
Ein zulässiger Rückkauf von Anleihen ohne Beachtung der Safe Harbour-Regelungen erscheint denkbar, wenn dessen Umfang so gering ist, dass er keinen bedeutenden Teil des täglichen Handelsvolumens ausmacht und insbesondere nicht zu einer erheblichen Kursveränderung führt (vgl. Anhang I der MAR). Dabei müsste das tägliche Erwerbsvolumen vermutlich sehr erheblich unterhalb der von der Delegierten Verordnung vorgesehenen 25%-Schwelle liegen, wobei uns eine zuverlässige Grenzziehung hierbei nicht möglich erscheint. Insbesondere kann bereits eine einzige Transaktion, die eine unzulässige Preisbeeinflussung verursacht, ausreichen, um den Tatbestand der Marktmanipulation zu erfüllen.

Fazit
Trotz der aktuell günstigen Gelegenheit werden vermutlich viele Emittenten aufgrund der mit einem Rückkaufprogramm verbundenen Strukturierungs- und Veröffentlichungspflichten davor zurückschrecken, jetzt Anleihen zurückzukaufen. Ein rechtlich sicherer Rückkauf dürfte allerdings nur bei Einhaltung dieser Pflichten gelingen.

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