Abgefahren…

Wir hatten zwischenzeitlich zur Höchststrafe gegriffen, indem wir Maritim Vertrieb zwischen zwei BondGuide-Ausgaben aus dem Depot kickten: Es musste sein.

Zunächst als Vorwarnung: Der nachfolgende Text wird für alle Anleger, die nichts mit den Schleppschiffspezialisten aus Kempten am Hut haben, womöglich nicht ganz extrem interessant sein. Nichtsdestotrotz dürfte das eine oder andere Grundsätzliche zum Musterdepot auch für in diesem Fall Außenstehende lesenswert erscheinen.

1. Was war passiert? Der Autor dieser Zeilen hatte sich gerade in die wohlverdienten ersten Urlaubstage dieses Jahres verabschiedet, als zu Ohren kam, unser Musterdepottitel Maritim plane, die Anleihe nicht wie vorgesehen am 1. Dezember zurückzuzahlen, sondern ein wenig à la Strenesse zu strecken. Das versprach definitiv nichts Gutes und ich stellte am Wochenende die bekannte Verkaufsmeldung für Montag 8 Uhr online, an mehr war vom Urlaubsdomizil aus nicht zu denken: https://www.bondguide.de/topnews/bondguidemusterdepotaenderung-verkauf-der-maritim-position/

2. Wo liegt das Problem? A) Solch ein Musterdepotrausschmiss hat natürlich nicht gerade kursfördernde Wirkung. B) In der Meldung war weder auf die sich entwickelnde Twitter-Diskussion verwiesen (die sich… eben … erst noch entwickelte), noch auf Details der geplanten Anleihestreckung. Ein Verkauf aus den bereits ausgeführten Kommunikationsschwächen heraus wurde von einigen Lesern als nicht ausreichend tituliert.

3. Wie ging es weiter? In der Zwischenzeit wurde bekannt, dass Maritim zur Gläubigerversammlung lud – was im Bundesanzeiger zu finden gewesen wäre und zunächst mal ausschließlich dort – und am nächsten Tag nun doch noch eine Pressemitteilung plante, um der zugegebenermaßen Kommunikationsdummheit (wie nachzulesen: unser ursprüngliches Argument für sofortiges Handeln) zu begegnen. Auch BondGuide wurde von Maritim kontaktiert, um den Sachverhalt zu erläutern. Das war wiederum vorbildlich, allerdings – wie man ja einräumte – hätte man sofort eine Pressemitteilung mit den Absichten verbreiten sollen, nicht Tage später. Unser Mitbewerber im Bereich Mittelstandsanleihen versendete am Abend ein kleines Special zum Thema, mit starker Contra-Position zur Verlängerung. Der Maritim-Kurs tauchte tags drauf weiter ab, bis auf 70%. https://www.bondguide.de/topnews/maritim-vertrieb-laedtzur-glaeubigerversammlung-bond-geht-auf-tauchstation/

4. Und? Dann wiederum gab Maritim abermals überraschend bekannt, dass man von den Verlängerungsplänen Abstand nehmen müsse, alles bleibe nunmehr wie gehabt: https://www.bondguide.de/topnews/eilmeldung-maritimvertrieb-
blaest-anleiheglaeubigerversammlung-ab/

5. Was ist nun genau klärungsbedürftig? Das fragte auch ich mich aus der Ferne. Zum einen der Umstand, ob wir das Musterdepot schönrechnen wollen. Zur Erinnerung: Bei einem Verkauf Montagmorgen zum ersten Kurs konnten wir am Wochenende noch nicht wissen, was wir bekommen. Das hätten 90, 80, 70 oder auch 50% sein können. Wie bisher in den genau drei Jahren seit Bestehen des Depots kündigen wir alle Dispositionen – und das sind eher wenige als viele – vorher an, d.h. jeder Nachahmer hat Vorlauf, mithin bessere Kurse als wir. Zum anderen hatten wir Mails von Lesern, die sich bedankten für diesen Vorlauf (bekamen Kurse von 90% oder drüber), zum anderen teils wüste Beschimpfungen (bekamen offenbar niedrigere) Kurse.

Eines steht mal fest: Wir hätten Maritim wie geplant und stets kommuniziert gern bis zur Endfälligkeit am 1. Dezember behalten. Es sollte nicht sein. In derselben Situation sehe ich auch nicht ganz, wie man zum Zeitpunkt der  Entscheidungsfindung anders handeln könnte. Die Erfahrung der vergangenen drei Jahre zeigte schließlich eindeutig, dass  nach unguten Nachrichten die ersten 5 bis 10% Minus noch das kleinste Übel sind, das man lieber heute als morgen  akzeptieren sollte. Oder einprägsamer formuliert: „Handle erst, recherchiere später.“

Was sonst noch geschah
Also Maritim ging schließlich zu 93% raus (hälftig zu 96% in Hamburg und 90% in Frankfurt). SAG Solarstrom hat sich, man höre und staune, auf oberhalb unseres seinerzeitigen Kaufkurses erholt – 67% aktuell. Gerade in den letzten Tagen gab es nochmals ein kleines Update vom Insolvenzverwalter, der von einer ansehnlichen Quote für Anleiheinvestoren sprach. Wir hatten nie Zweifel daran!

Ausblick
Das Musterdepot startete vor ziemlich genau drei Jahren. Das aktuelle Jahr läuft schleppend, aber okay; das Bond Picking wird definitiv anspruchsvoller. Ein Ausrutscher oder eine viel zu späte Handlung, wie es bei Maritim hätte werden können, und man kommt nicht mehr über Wasser. Von daher stets die Frage an die Leser: Wie hätten Sie entschieden, zum gegebenen  Zeitpunkt, mit den verfügbaren Informationen, mit den verfügbaren Möglichkeiten, mit den entsprechenden Restriktionen?

Zur Historie des Musterdepots hier klicken.

 

 

Hasenpfote?

Im BondGuide Musterdepot läuft weiterhin alles wie am Schnürchen. Große Kursschwankungen blieben uns nun schon seit Längerem erspart – genau so war es auch geplant.

Für Quereinsteiger unter den Lesern und aufgrund der einen oder anderen Leseranfrage deshalb an dieser Stelle nochmals der Hinweis, dass die ganz rechte Spalte in unserer Depotübersicht nicht etwa eine Chance-Risikoeinschätzung der betreffenden Titel ist – die finden Sie in der großen Mastertabelle, sei es hier in Print oder vorteilhafterweise nach allen Parametern frei sortierbar  auf bondguide.de unter Notierte Mittelstandsanleihen. Die rechte Spalte gibt indes unsere Volatilitätseinschätzung wieder, d.h.  welche Kursschwankungen wir in dem jeweiligen Titel erwarten, von A+ (praktisch gar nicht) bis C- (sehr stark).

Traditionell gibt es im Juli nur wenig Bedeutsames unternehmensseitig. Die Halbjahresberichte befinden sich schließlich alle erst in der Mache. Und aufgrund der Markt segmente, über die wir hier sprechen – Freiverkehr oder Open Market –, haben die Unternehmen auch jede Menge Zeit für ihre Veröffentlichung. Bitte werfen Sie dazu einen Blick auf unsere Übersicht ab Seite 12.

Etwas oder sogar viel früher dran sind hierbei natürlich die auch aktiennotierten Titel, als da wären aus dem BondGuide  Musterdepot Wienerberger, DIC Asset, Air Berlin und SAG Solarstrom.

Ausblick

Das Konzept der Kanzlerin („ruhige Hand“) steht auch bei uns weiterhin hoch im Kurs. Nur ganz einschlafen darf die Pfote halt nicht. Zur Jahresmitte ein Plus von 4,5% mit größtenteils langweiligen Anleihetiteln ist bereits absolut ansehnlich.