Mutares: „Es ist das operative Verbesserungspotenzial, worauf wir achten – Exotisches machen wir nicht“

Die Nachrichtenfrequenz beim Turnaround-Beteiligungsspezialisten Mutares ebbt einfach nicht ab. BondGuide sprach aufs Neue mit CIO Johannes Laumann, natürlich auch über das aktuell laufende Umtausch- und Zeichnungsangebot für die neue Anleihe 2023/27.

BondGuide: Herr Laumann, wir hatten zuletzt vor ziemlich genau zwei Jahren miteinander gesprochen. Haben Sie die Gelder aus der damaligen Anleiheaufstockung denn lukrativ eingesetzt? – kurzum: Wie hat sich die Mutares seither entwickelt?
Laumann: Blicken wir ruhig auf die gesamte Zeit seit der ersten Anleihe vor drei Jahren: Damals hatten wir rund 1 Mrd. EUR Umsatz bei 13 Portfoliounternehmen. Für 2023 planen wir mit ca. 5 Mrd. EUR Umsatz und ca. 30 Firmen – macht unter dem Strich ein Ergebnis von prognostizierten 100 Mio. EUR in der Mutares Holding. Ich meine, man kann behaupten, dass wir die Mittel aus der ursprünglichen Anleihe plus ihren zwei kleineren Aufstockungen gut und lukrativ einzusetzen vermochten.

BondGuide: ‚Mit mehr Wachstum kommt auch mehr Bedarf‘, haben Sie mir seinerzeit erläutert. Das neue Anleihevolumen ist mit bis zu 125 Mio. EUR in der Tat höher. Also sind Bedarf wie auch Möglichkeiten gegeben?
Laumann: Die Opportunitäten sind da. Die Mutares macht heute mehr international. In den wichtigsten Ländern benötigen wir eigene Dependancen – diese Notwendigkeit geht mit Wachstum einher. Unser Kernfokus bleibt natürlich der gleiche: Distressed Assets, Private Equity und Carve-outs, also Abspaltungen aus größeren Konzernen, wo ein Unternehmensbereich nicht mehr genau zu deren Fokus passt. Mit einem eigenen Büro im polnischen Warschau machen wir gerade das elfte Land auf. Mit jedem weiteren Land wächst zugleich die Pipeline der für uns infrage kommenden Objekte. Lassen Sie mich an der Stelle kurz klarstellen, dass es sich dabei nicht um einen vollständigen Kauf handeln muss, sondern es kann auch eine Beteiligung oder eine Finanzierungszusage sein.

„Wenn man in einem Land eine Dependance neu aufbaut, dann vergehen bis zum ersten Return schon einmal 1 ½ bis 2 Jahre.“

BondGuide: Man muss vor Ort sein im jeweiligen Land, um überhaupt von vielversprechenden Carve-outs, also Abspaltungen eines Firmenbereichs, etwas mitzubekommen?
Laumann: Absolut. Da hatten wir gerade ein aktuelles Beispiel in Spanien. Hier in München sitzend hätte ich von dem Deal nichts gesehen, er wäre komplett an uns vorbeigegangen – obwohl die Firmenzentrale der Muttergesellschaft der Spanier nur wenige Kilometer von uns hier entfernt liegt. Aber eines ist klar: Wenn man in einem Land eine Dependance neu aufbaut, dann vergehen bis zum ersten Return schon einmal 1 ½ bis 2 Jahre. Diese Aufbauarbeit muss man einplanen. Unser Ziel ist weiterhin im Schnitt ein Deal pro Monat – und den haben wir geschafft in den vergangenen drei Jahren.

BondGuide: Mit Euribor plus 7,5-8,5 % p.a. müssen Sie aber zugleich deutlich tiefer in die Tasche greifen – die bisherige Anleihe, aus der ja zum Umtausch geladen wird, liegt bei Euribor plus 6,0% p.a. Ist das noch darstellbar, wo läge die Schmerzgrenze?
Laumann: Beim Return on Cash haben wir eine gewisse Faustformel, die da lautet: Über die Haltedauer eines Engagements sollte der Einsatz ca. 7 bis 10 Mal zurückkommen, und die Haltedauer wiederum liegt typischerweise zwischen drei und sechs Jahren. Die Rendite unserer Investments liegt also weiterhin deutlich über dem Kupon der neuen Anleihe. Nach unserer Refokussierung 2019 werden genau jetzt die ersten Beteiligungen reif für einen Verkauf und diese Erträge fließen nunmehr an uns zurück. Das Zinsniveau von 2020/21 werden wir so schnell nicht wiedersehen – an dieses ‚neue Normal‘ wird man sich gewöhnen müssen. Meine Eltern gaben mir neulich sogar mit auf den Weg, ich solle mich wegen 8% Zinsen nicht verrückt machen – sie hätten 1980 ihr erstes Haus zu 18% finanziert. So ändern sich die Zeiten.

„Die Rendite unserer Investments liegt also weiterhin deutlich über dem Kupon der neuen Anleihe.“

BondGuide: Die Corona-Jahre 2020 bis 2022 dürften den einen oder anderen Mittelständler in Umbruchsituationen gebracht haben, nach denen Sie sich mit der Mutares ja umschauen. Worauf genau achten Sie bei den Opportunitäten, wie sie sich in den vergangenen Jahren geboten haben wie auch aktuell sicherlich bieten?
Laumann: Wir sehen uns speziell nach Unternehmen um, bei denen wir als Mutares operativ den Unterschied ausmachen können. Unsere Leute, die wir in die neue Firma hineinbringen, müssen das sein, was das Unternehmen gerade braucht: den Unterschied bringen eben. Dieses operative Verbesserungspotenzial ist es, worauf wir achten. Exotisches machen wir nicht: Wir müssen uns in der jeweiligen Branche zuhause fühlen, sie verstehen und die Leute haben, die sich damit 1A auskennen. Wenn unser Planungshorizont von wie zuvor erwähnt drei bis sechs Jahren deckungsgleich mit dem Erreichbaren ist, dann ist es ein potenzieller Deal.

BondGuide: Und die Preisvorstellungen in den vergangenen Jahren – kann man da aus der vermeintlichen Not heraus auch mal ein Schnäppchen machen, sofern sich denn die Perspektive als machbar darstellt?
Laumann: Mit den typischen Sanierungsfällen bei Mittelständlern haben wir zuweilen echte Bauchschmerzen, denn man muss diese unterscheiden von der Situation bei Konzernabspaltungen, die mehr in unserem Fokus liegen. Häufig sehen die Bilanzen bei Mittelständlern gruselig aus. Eine zeitnahe Dividendenfähigkeit ist oftmals nicht zu erkennen – wir als Beteiligungsunternehmen leben aber nicht von Luft und Liebe allein. Das zweite offensichtliche Problem ist, dass zu oft die Familie der Gründer drinhängt – und die müsste man quasi mitkaufen. Fairerweise müsste man die acht Kinder und Enkel, die der Inhaber in verschiedene Positionen eingebracht hat, nach einer Übernahme allesamt nach Hause schicken. Hinzu kommt, dass die Wertvorstellungen auch oft weit auseinander liegen, so dass wir nicht zusammenkommen.

„Fairerweise müsste man die acht Kinder und Enkel, die der Inhaber in verschiedene Positionen eingebracht hat, nach einer Übernahme allesamt nach Hause schicken.“

BondGuide: Das Thema Nachfolgeregelung hängt als Hintergrund zusätzlich über all dem. Haben die letzten drei Jahre vermehrt Mittelständler zum ‚Werfen des Handtuchs‘ bewogen?
Laumann: Nein, sogar eher im Gegenteil. Unternehmer in dieser Situation sagen sich: Jetzt, in der Krise oder zu deren direkter Nähe, kann ich noch nicht von Bord gehen. Erst machen wir Klarschiff und dann kann ich gehen. Unsere Hauptquelle für Engagements bleiben daher Abspaltungen von Konzernen, die Teile ihres Nicht-Kerngeschäfts zur Disposition stellen. Überlegen Sie nur, in welchem Wandel sich gerade beispielsweise die Automobil-, die Medizin- oder die Consumer-Branche befinden. Dieser Wandel ist so groß wie nie.

BondGuide: Daher der Schwerpunkt von Mutares im Bereich Automotive? – wo ja der Wandel hin zur geforderten e-Mobilität der wohl wesentlichste Wandel der Neuzeit ist.
Laumann: Die Branchen Automotive und Retail sind aktuell besonders ergiebig. Und von den Ländern her würde ich sagen Frankreich und Spanien sind derzeit besonders attraktiv für uns.

BondGuide: Beispielsweise gilt der neu formierte Automotive-Spezialist Amaneos aus Ihrem Portfolio als Börsenkandidat – kein kleines Unternehmen übrigens. Können Sie uns etwas darüber erzählen?
Laumann: Amaneos wollen wir tatsächlich strategisch bis zur Börsenreife entwickeln –sowohl von der Größe her als auch von der Positionierung als globaler Player in der Automobilindustrie mit mehr als 30 Standorten weltweit sind die Rahmendaten perfekt. Als wir vor zwei Jahren gesprochen hatten, war unser Zielkorridor noch ca. 30 Mio. EUR Jahresumsatz, inzwischen ist aber Zeit ins Land gestrichen und wir betrachten heute alles ab 100 Mio. EUR Umsatz als attraktiv für uns, auch um Synergieeffekte zu schaffen. Amaneos kommt auf über 1 Mrd. EUR.

„Wer ein komplettes System an die Automobilbauer liefern kann, nimmt ihnen auch das Problem der Design-Komplexität.“

BondGuide: Teil der neuen Amaneos-Gruppe sind auch das übernommene Teilegeschäfts der Magna sowie das von Mann+Hummel erworbene Hochleistungs-Kunststoffgeschäft. Gibt es da die erwähnten Synergieeffekte in der Gruppe, im Sektor?
Laumann: Ganz genau. Ein wichtiger Punkt ist die Kundensynergie. Damit erzielt man mehr Euro Umsatz pro Auto als Zulieferer, der mehr Sachen aus einer Gruppe heraus anbieten kann. Wir können Systemlösungen anbieten, wo zuvor nur Produktlösungen bestanden. Magna oder auch Cooper Standard können international anbieten, denn die OEMs schreiben international aus und nicht für einen einzelnen Standort in Peking, Bratislava oder Mexiko City. Wer ein komplettes System an die Automobilbauer liefern kann, nimmt ihnen auch das Problem der Design-Komplexität: Es kann einfach weniger schief gehen, wenn z.B. die Heck- oder Frontschürze schon in die passenden Spritzgusselemente eingefasst sind und als Gesamtlösung ausgeliefert werden.

Vorstand der Mutares, in der Mitte Johannes Laumann

BondGuide: Herr Laumann, einmal mehr herzlichen Dank an Sie für Ihre Zeit und Erläuterungen!

Interview: Falko Bozicevic,
Fotos/Grafiken: @Mutares

 

Wachstumsstrategie/Mittelverwendung: *****
Peergroup-Vergleich: *****
Rendite-Vergleich: ****
Kennzahlen (Zinsdeckung, Gearing o.Ä.): ****
IR/Bond-IR: *****
Covenants: ***
Liquidität im Handel (e): *****
Fazit by BondGuide: **** (*) (attraktiv – sowohl Umtausch als auch Neuzeichnung)


——————————

Schon unsere brandneue Jahresausgabe ‚Anleihen 2022‘ (11. Jg., Erscheinungstermin Dez 2022) gesehen?

Die Ausgabe 3/2022 Biotechnologie 2022 der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

Unsere
BondGuide Jahresausgabe ,Green & Sustainable Finance 2022‘ ist im April erschienen und als kostenloses e-Magazin bequem heruntergeladen, gespeichert & durchgeblättert oder weitergeleitet werden!

Bitte nutzen Sie für Fragen und Meinungen Twitter – damit die gesamte Community davon profitiert. Verfolgen Sie alle Diskussionen & News zeitnaher auf Twitter@bondguide !