17. AWV-Novelle: Weitere Verschärfungen des deutschen Investitionskontrollrechts steht bevor

Dr. C. Bürger (li.), M. Uzunçakmak, RAs, GÖRG

Law Corner von Dr. Christian Bürger, Partner, Metehan Uzunçakmak, Associate, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, Köln

Am 22.01.2021 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) einen Referentenentwurf zur Novellierung der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) veröffentlicht, welches den – vorerst – letzten Schritt der Reformvorhaben des BMWi darstellt.

Bereits im Jahr 2020 kam es im Zusammenhang mit der am 11.10.2020 wirksam gewordenen EU-Screening-Verordnung (Verordnung (EU) 2019/452) zu weitreichenden Änderungen des deutschen Investitionsprüfungsrechts. Ziel der neuesten Änderung ist die Anpassung der AWV an das bereits geänderte Außenwirtschaftsgesetz (AWG) sowie die Nachvollziehung weiterer Inhalte der EU-Screening-Verordnung.

Erweiterung der sektorübergreifenden und sektorspezifischen Prüfung
Das BMWi überprüft bei der sektorübergreifenden Prüfung (§ 55 AWV), ob durch einen Erwerb von inländischen Unternehmen, die in sensiblen Sektoren tätig sind, die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland oder eines anderen EU-Mitgliedstaat voraussichtlich beeinträchtigt wird. Bislang sind 11 sensible Sektoren in § 55 I AWV aufgeführt, bei denen eine Gefährdung durch einen Erwerb vermutet wird. Durch die Novellierung sollen die Fallgruppen auf 27 erweitert werden und insbesondere kritische Technologien wie künstliche Intelligenz, Robotik, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung und Energiespeicherung, umfassen. Die Konsequenz ist, dass jede Transaktion, aufgrund der ein Nicht-EU/EFTA-Investor 10% oder mehr der Stimmrechtsanteile an einem Unternehmen dieser Fallgruppen hält, künftig stets einer Meldepflicht und einem Vollzugsverbot unterfällt.

Bei der sektorspezifischen Prüfung (§ 60 AWV) im Bereich der Rüstungstechnologie wird überprüft, ob ausländische Direktinvestitionen (EU-Investoren eingeschlossen), wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Dies wird bei Zielunternehmen vermutet, die bestimmte Rüstungsgüter, die in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste aufgelistet sind, herstellen oder entwickeln. Der Entwurf umfasst nunmehr die Entwicklung, Herstellung, Modifizierung oder das Innehaben der tatsächlichen Gewalt über sämtliche in der Ausfuhrliste aufgeführten Rüstungsgüter. Auch hier unterfällt jede Transaktion, die zu einem Stimmrechtsanteilserwerb von 10% oder mehr führt, einer Meldepflicht und einem Vollzugsverbot.

Neue Prüfungsmöglichkeit bei atypischem Kontrollerwerb
In der Praxis relevant wird die neue Prüfungsmöglichkeit in Fällen des atypischen Kontrollerwerbs sein. Neben der Einflussmöglichkeit durch den Erwerb von Stimmrechtsanteilen kann sich ein Investor auch unterhalb der Schwellenwerte von 10 bzw. 25% eine signifikante Einflussnahme durch den Erwerb von Kontroll- und Verwaltungsrechten verschaffen. Dies kann durch die „Zusicherung zusätzlicher Plätze oder von Mehrheiten in einem Aufsichtsgremium oder in der Geschäftsführung“ sowie durch die Einräumung weitreichender Veto- und Informationsrechte erfolgen.

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Klarstellung bei Hinzuerwerben
Des Weiteren soll mit der Novelle die bisherige Praxis des BMWi klargestellt werden, dass jegliche Hinzuerwerbe über den jeweiligen Schwellenwerten der Investitionskontrolle unterfallen. Mangels einer Erheblichkeitsschwelle unterfällt sogar der minimalste Hinzuerwerb der Überprüfung. Dabei spielt es keine Rolle, ob das BMWi eine Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eine Freigabe für vorangegangene Anteilserwerbe erteilt hat. Diese Regelung ist insbesondere im Zusammenhang mit § 15 IV AWG kritisch zu betrachten, da gem. § 15 IV AWG bestimmte Handlungen bis zur Freigabe eines Erwerbs verboten sind und Zuwiderhandlungen strafrechtliche Konsequenzen haben (§ 18 I b AWG bzw. § 19 I Nr. 2 AWG). Diese Verbote würden auch bei einem minimalen Hinzuerwerb bis zur Freigabe durch das BMWi gelten.

Fazit
Betroffene Unternehmensverbände haben bis zum 26.02.2021 die Gelegenheit gehabt, Stellungnahmen und Änderungsvorschläge abzugeben. Dennoch ist zu erwarten, dass die Grundsystematik in seiner jetzigen Form weitestgehend bestandhaben wird. Aus diesem Grund müssen sich Investoren frühzeitig mit den neuen Regelungen auseinandersetzen, insbesondere da es an Übergangsvorschriften mangelt und ein baldiges Inkrafttreten nicht unwahrscheinlich ist.

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