Darstellung der Risiken im Prospekt nach neuem Prospektrecht

I. Wegerich und E. Recklin, Luther RAs

Law Corner von Ingo Wegerich, Rechtsanwalt und Partner, und Elena Recklin, Rechtsanwältin, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Zum 21. Juli 2019 wird die neue Prospektverordnung vollständig anwendbar werden. Sie ersetzt die Prospektrichtlinie sowie die alte Prospektverordnung und auch wesentliche Teile des Wertpapierprospektgesetzes.

Anders als die BaFin lässt die Luxemburger Aufsicht, CSSF, auch schon vor dem 21. Juli 2019 die Einreichung von Wertpapierprospekten nach neuem Prospektrecht zu. Die Verfasser dieses Beitrags beraten einen Emittenten, der von dieser flexiblen Einreichungsmöglichkeit – die mit der CSSF in Vorgesprächen abgestimmt wurde – Gebrauch macht. Dabei ist als eine der größten Änderungen des neuen Rechts die Darstellung der Risikofaktoren im Wertpapierprospekt zu beachten.

Neben der neuen Prospektverordnung, die explizite Vorgaben zu den Risikofaktoren macht, sind insbesondere auch die Leitlinien der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, ESMA, zu Risikofaktoren zu beachten. Formal werden diese Leitlinien erst mit ihrer Veröffentlichung in sämtlichen Amtssprachen auf der Internetseite der ESMA gelten. Nach Veröffentlichung hat die BaFin innerhalb von zwei Monaten zu erklären, ob sie den Leitlinien folgt oder nicht. Die BaFin beabsichtigt, den Leitlinien vollumfänglich zu folgen und diese auch bereits ab dem Stichtag, 21. Juli 2019, bei der Prüfung von Prospekten nach neuem Recht in ihrer Verwaltungspraxis zu berücksichtigen.

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Bisher wurden aus Sicht von Emittenten Risikofaktoren überwiegend zur Vermeidung von zivilrechtlichen Haftungsansprüchen gesehen, was derzeit zu einer sehr weitreichenden Darstellung dieser Risikofaktoren führt. Der europäische Gesetzgeber hat sich daher im Rahmen der Neufassung des Prospektrechts zum Ziel gesetzt, dass zukünftige Prospekte nicht mehr „mit Risikofaktoren überfrachtet werden, die die spezifischen, für den Anleger relevanten Risikofaktoren verdecken und nur dazu dienen, den Emittenten oder seine Berater vor Haftungsansprüchen zu schützen.“

Erstmals werden mit der neuen Prospektverordnung praxisrelevante Vorgaben zur Risikodarstellung gemacht. Risikofaktoren sind in einem Prospekt nur insoweit darzustellen, sofern diese für den Emittenten und/oder die Wertpapiere spezifisch und im Hinblick auf eine fundierte Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind. Der Emittent hat die Wesentlichkeit der Risikofaktoren auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens und des zu erwartenden Umfangs ihrer negativen Auswirkungen zu beurteilen. Nach der Prospektverordnung kann die Beurteilung der Wesentlichkeit der Risikofaktoren durch Verwendung der Qualitätseinteilungen „gering“, „mittel“ oder „hoch“ offengelegt werden. Eine derartige Einstufung mag jedoch die Haftungsrisiken für den Emittenten deutlich erhöhen, wenn sich anders als im Prospekt dargelegt, die „geringen“ Risiken realisieren.

Die Risikofaktoren sollen nach der Prospektverordnung entsprechend ihrer Beschaffenheit in eine begrenzte Anzahl von Kategorien eingestuft werden. Für jede Kategorie werden die wesentlichsten Risikofaktoren entsprechend der Beurteilung an erster Stelle genannt.

Beispielhaft nennt die ESMA in ihren Leitlinien die folgenden Kategorien: Risiken im Zusammenhang mit der finanziellen Situation des Emittenten, Risiken im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Emittenten und der relevanten Branche, rechtliche und regulatorische Risiken, internes Kontrollrisiko, Umwelt-, soziale und Governance-Risiken, Risiken im Zusammenhang mit der Art der Wertpapiere, Risiken im Zusammenhang mit dem Basiswert, Risiken im Zusammenhang mit dem Garantiegeber und der Garantie sowie Risiken im Zusammenhang mit dem öffentlichen Angebot und/oder der Zulassung der Wertpapiere zum Handel am geregelten Markt. Ein Standardprospekt soll nach den ESMA Leitlinien nicht mehr als zehn Kategorien und Unterkategorien enthalten.

Die Entscheidungshoheit für die Bewertung der Wesentlichkeit als auch der Spezifität liegt beim Emittenten. Dies ist aus Sicht der Emittenten sehr zu begrüßen. Jedoch soll die Behörde sicherstellen, dass Spezifität und Wesentlichkeit der Risikofaktoren aus der Darstellung im Prospekt hervorgehen. Die Spezifität und Wesentlichkeit der Risikofaktoren muss zudem durch das im Prospekt dargestellte Gesamtbild getragen werden. Keinesfalls dürfen generische und Disclaimer-artige Standardformulierungen verwendet werden.

Die zuständige Behörde soll zudem sicherstellen, dass die Darstellung eines jeden Risikofaktors in prägnanter Form erfolgt und soll, sofern notwendig, darauf hinwirken, dass die Risikofaktoren mehr fokussiert und präzise dargestellt werden.

Im Rahmen der Prospektzusammenfassung darf die Gesamtzahl der aufgenommenen Risikofaktoren 15 nicht überschreiten, wobei die Darstellung der Risikofaktoren in der Zusammenfassung mit der Darstellung und Reihenfolge im Hauptteil übereinstimmen soll.

Fazit
Die Änderungen in der Risikodarstellung sind für die Praxis von großer Relevanz. Emittenten müssen nunmehr im Rahmen der Prospekterstellung eine den ESMA-Leitlinien entsprechende Spezifitäts- und Wesentlichkeitsprüfung sowie eine Kategorisierung der Risikofaktoren vornehmen.