Standpunkt German Mittelstand: Ratings bei Mittelstandsanleihen – Lessons learned? – Expertenkommentar von Ralf Meinerzag, Steubing AG

Das Steubing-Team um Ralf Meinerzag
Fondsmanager Ralf Meinerzag (M.)

Fehlende Kapitalmarktreife, zu wenig Covenants und fehlende Informationstransparenz – das Segment der Mittelstandsanleihen befindet sich in einer Reifephase. Eine besondere Bedeutung kommen nicht nur Covenants und Gläubigerschutzrechten zu, sondern auch den Ratings der Emittenten. Aber: Sind Ratings im Segment der Mittelstandsanleihen noch ein verlässlicher Indikator?

Die Kritik an den Ratingagenturen wurde in den vergangenen Monaten lauter. Kann man sich als Investor noch auf deren Urteil verlassen? Viele Ratings von Mittelstandsanleihen wurden heruntergestuft, oft gleich um mehrere Notches, darunter auch Erstratings. Ratings wurden ausgesetzt, wie zuletzt beim Automobilzulieferer Mitec Automotive, Ratingberichte nicht fristgerecht veröffentlicht. Teilweise verfügten Anleihen, wie z.B. jene der KTG Agrar, eine Zeit lang über keine aktuelle Ratingnote. „Mittelständische Unternehmen sind oft anfälliger für Marktveränderungen als international agierende Großkonzerne, auf einzelne Geschäftsfelder fokussiert und haben teilweise nur eine geringe Marktmacht. Risiken wurden hier anfangs unterschätzt“, erklärt Ralf Meinerzag.

Im Bereich der Mittelstandsanleihen agieren vier Ratingagenturen: Creditreform, Scope, Euler Hermes und Feri EuroRating. Jede Agentur hat dabei ihre eigene Ratingmethodik. Die großen Player wie S&P, Moody’s und Fitch sind in diesem Segment bislang noch nicht aktiv. Wichtig für Investoren ist, zwischen Unternehmens- und Anleiherating zu differenzieren. Die meisten Mittelstandsanleihen begnügen sich mit einem Unternehmensrating. Dies deckt sich mit den Börsenregularien, die in den Segmenten für Mittelstandsanleihen die Wahl zwischen Unternehmens- und Anleiherating vorsehen. Ein Anleiherating ist also nicht verpflichtend. Hier ist zu bedenken, dass bei einem Unternehmensrating nicht die eigentliche Ausfallwahrscheinlichkeit der Anleihe, sondern die des Emittenten beurteilt wird. Über das Rating des Emittenten lässt sich so nur beschränkt das Risiko des Anleiheinvestments abschätzen.

Rating1Bei einem Anleiherating wird ergänzend zur Unternehmensbonität auf die speziellen Anleihebedingungen, insbesondere Covenants, Besicherungen durch Garantien, Sicherungsrechte und Vermögensgegenstände eingegangen. Damit liefert dieses Rating eine Einschätzung über die erwartete Recovery Rate im Falle einer Insolvenz. „Anleiheratings sind für Investoren aussagekräftiger. Bei einem Anleiherating würden sich die bisher oft fehlenden Covenants in einer schlechteren Ratingnote widerspiegeln. Durch die bisher geringe Ausgestaltung an Covenants und Besicherungen stehen die Finanzverbindlichkeiten der Emittenten meist im Nachrang. Im Insolvenzfall besteht in diesen Fällen nur eine geringe Recovery Rate“, führt Ralf Meinerzag aus. Bisher wiesen im Jahr 2014 zwei von sechs Neuemissionen ein Anleiherating auf, darunter die Anleihe der Vedes AG mit Rating BB (Feri) und die GEWA-Tower-Anleihe mit einem Rating von BBB (CR).

Die Bilanz der Ratingagenturen liefert folgendes Bild: Von 103 Emissionen, die an deutschen Börsen in Mittelstandsanleihesegmenten wie Bondm oder Entry Standard gehandelt werden, gab es bei 46 ein Downgrade, 25 Ratings blieben unverändert, 4 wurden hochgestuft und 28 verfügen momentan über kein Rating. Creditreform, mit 71 Ratings der momentane Marktführer, stufte ein Drittel ihrer Ratings einmal oder mehrfach herab. Die Agentur Feri EuroRating, erst seit einigen Monaten in diesem Segment aktiv, vergab hauptsächlich Emissionsratings. Herabgestuft wurde bislang nur das Rating der MIFA nach dem Bekanntwerden von Bilanzierungsfehlern.

Rating2Manche Agenturen sind momentan dabei, ihre Systematiken zu hinterfragen, um Qualität und Transparenz im Mittelstandsmarkt weiter zu steigern. So gab Scope im März dieses Jahres in einer Pressemitteilung die Änderung der Ratingmethodik bekannt. Die Bewertungskriterien seien an die immer komplexeren Marktbedingungen angepasst worden. Creditreform, Marktführer mit 71 gerateten Mittelstandsanleihen, hält an seiner Systematik fest und setzt auf „Back-Testing“. Bei diesen rückwärts gerichteten Analysen wird etwa der Frage nachgegangen: Würden die Informationen, die zum Zeitpunkt der Ratingerstellung vorlagen, heute anders bewertet werden? Auch Euler Hermes sieht keine Notwendigkeit einer Anpassung der Methodik, da man, so Rating-Chef Ralf Garrn in einem Interview, schon seit Jahren strenge Beurteilungskriterien habe. Im Gegensatz zu den anderen Agenturen steht Euler Hermes weniger in der Kritik und passte bspw. bereits vor dem Ausfall der Rena-Anleihen das Rating entsprechend an.

Wären große internationale Ratingagenturen eine Lösung für die Problematik? Fitch zeigt sich in einem Interview des FinanzMagazins gegenüber Ratings für Mittelstandsanleihen durchaus offen. Hier müssten Emittenten jedoch die globale Ratingsystematik akzeptieren, die die globale Vergleichbarkeit aufzeigen soll. Wichtige Faktoren sind hier Größe, Internationalität und Diversifikation des Unternehmens, so dass viele Mittelständler kein Investmentgrade Rating erzielen würden. Angesichts des erhöhten Risikos, das sich auch in den hohen Kupons im aktuellen Niedrigzinsumfeld widerspiegelt, wäre jedoch ein Rating im Non-Investment-Grade Bereich angemessen.Rating3

Fazit
Alle Parteien haben dazugelernt. Das Rating bleibt weiterhin ein wichtiger Baustein, um mehr Qualität und Transparenz in den Markt für Mittelstandsanleihen zu bringen. „Als Entscheidungskriterium für ein Anleiheinvestment im Mittelstandsbereich ist eine reine Betrachtung des Ratings nicht ausreichend. Das Rating bleibt das vierte Rad am Wagen. Unerlässlich sind eine sorgfältige eigene Analyse des Emittenten und der Anleihebedingungen im Wertpapierprospekt, aber auch Gespräche mit dem Management im Rahmen der Roadshow sowie nach der Platzierung“, erklärt Ralf Meinerzag.

Im „Standpunkt German Mittelstand“ äußert sich das Team um Ralf Meinerzag (CIO des STEUBING GERMAN MITTELSTAND FUND I) regelmäßig zum Markt für Mittelstandsanleihen und Fragen der Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen. Der STEUBING GERMAN MITTELSTAND FUND I investiert in Mittelstandsanleihen aus dem deutschsprachigen Raum und bietet seinen Investoren die Möglichkeit, in das Segment der Mittelstandsanleihen diversifiziert und liquide zu investieren. Weiterführende Informationen erhalten Sie unter www.germanmittelstandfund.de