reconcept: „Speziell bei Freiflächen-Solaranlagen kaum noch Diskussionsbedarf in der Bevölkerung hinsichtlich Akzeptanz“

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Die Hamburger reconcept befindet sich bereits mit ihrem nächsten Kapitalmarktprodukt in der Zeichnungsfrist. Der Name ist Programm beim Solar Deutschland Bond II – BondGuide im Gespräch mit Geschäftsführer Karsten Reetz.

BondGuide: Herr Reetz, Sie sind gerade mit dem Solar Deutschland Bond II an den Start gegangen – die Taktfrequenz der reconcept scheint sich noch weiter zu erhöhen: Boomt das Geschäft tatsächlich dermaßen?
Reetz: Ja, absolut – in Deutschland läuft das Geschäft mit Photovoltaik auf Hochtouren. Daran wollen wir gemeinsam mit unseren Investoren weiterhin partizipieren. Bundesweit soll sich der PV-Zubau bis 2030 verdreifachen. Derzeit sind rund 67 Gigawatt installiert, 2022 kamen nur 7 Gigawatt neu hinzu. Da muss mehr Tempo rein, wenn wir das Ziel von 215 Gigawatt in den kommenden nur noch sieben Jahren erreichen wollen. Per Gesetz soll sich der Ausbau daher nun beschleunigen. Ein entsprechender Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums liegt bereits vor. Unser Projektfokus liegt auf PV-Freiflächenanlagen und für diesen Bereich der Photovoltaik sollen zukünftig mehr Flächen zur Verfügung gestellt werden. Dazu werden nun die Vorgaben der Baunutzungsverordnung und des Baugesetzbuchs vereinfacht und angepasst.

BondGuide: Kann es sein, dass Sie vor der nächsten Bundestagswahl in zwei Jahren ein wenig Ihre Projekte beschleunigen, da zu befürchten steht, dass sich die Grünen bis dahin komplett ins politische Abseits gestellt haben könnten?
Reetz: Nein, die Frage stellt sich uns so nicht. Deutschland hat qua Gesetz Klimaschutzziele zu erfüllen, um die EU-Vorgaben einzuhalten. Der Ausbau der Erneuerbaren ist somit nicht von einer Partei allein abhängig. Zudem stellen sich auch die konservativen Parteien, selbst die FDP und CSU, mittlerweile hinter die Erneuerbaren Energien. Der Konsens quer durch alle Parteien ist so klar, dass dies nicht mehr von einzelnen Wahlergebnissen oder Koalitionen abhängt.

„Der Ausbau der Erneuerbaren ist nicht mehr nur von einer Partei allein abhängig“

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BondGuide: Welches deutsche Bundesland ist denn das investitionsfreundlichste, wenn man mal die Standortopportunitäten und die landespolitische Aufgeschlossenheit zusammenzählt?
Reetz: Mit Blick auf Windenergie sind bekanntermaßen die norddeutschen Bundesländer führend, im Bereich der Photovoltaik hat aktuell Bayern mit Abstand die meiste PV-Nennleistung installiert. Unsere PV-Projektentwicklung konzentriert sich auf Bundesländer in Nord- und Ostdeutschland. Einerseits, weil dort das PV-Ausbau-Potenzial noch groß ist, und andererseits, weil wir mit unseren eigenen Niederlassungen in Hamburg und Berlin näher angebunden sind. Projektentwicklung ist People-Business. Da ist es von Vorteil, regelmäßig vor Ort zu sein.

BondGuide: Zum Emissionserlös der neuen Anleihe, dem Solar Deutschland Bond II: Was genau heißt, sich an Projektentwicklungs-Gesellschaften oder im Bereich Wartung & Betriebsführung beteiligen zu wollen – ist das die Erweiterung der Wertschöpfungskette?
Reetz: Ja, genau darum geht es uns. Aktuell ist für uns ein Projekt nach der Entwicklungsphase eines PV-Parks abgeschlossen, abgesehen vom Stromverkauf nach der Inbetriebnahme. Diese Anlagen arbeiten aber in der Regel drei Jahrzehnte und müssen währenddessen auch gewartet werden. Es ergibt für uns deshalb Sinn, ein Projekt nicht schon nach der Entwicklung abzuschließen, sondern an der erweiterten Wertschöpfung teilzuhaben. Das Know-how und die Logistik dafür müssen wir uns aber eben zukaufen.

„Es ergibt für uns Sinn, ein Projekt nicht schon nach der Entwicklung abzuschließen, sondern an der erweiterten Wertschöpfung teilzuhaben.“

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BondGuide: Wie kommt man eigentlich an ein neues Projekt – laufen da Ausschreibungen, Auktionen oder wie kann sich ein Laie das vorstellen?
Reetz: Eine gute Frage, die ich mal etwas allgemeiner und hoffentlich verständlich beantworten möchte. Ausschreibungen gibt es für die gesetzlich festgelegte EEG-Förderung, an denen wir mit einem oder mehreren Projekten teilnehmen können. Potenzialflächen müssen zunächst aber erkannt werden. Unser Team geht dafür in die Analyse von Solareinstrahlungsdaten, prüft den Standort auf Verschattung und dessen generelle Bebaubarkeit, macht den Eigentümer ausfindig, sondiert Bebauungspläne der Gemeinden und geht – wenn sich das Projekt als wirtschaftlich interessant herauskristallisiert hat – in Verhandlungen mit dem Eigentümer für einen Pachtvertrag sowie parallel ins Gespräch mit Gemeindevertretern. Denn Voraussetzung für die Errichtung einer PV-Freiflächenanlage ist ein von der Gemeinde/Kommune bewilligter Bebauungsplan, teilweise auch eine Änderung des Flächennutzungsplanes.

BondGuide: Diese Flächenzuweisung hatten wir im letzten Gespräch angesprochen. Klappt die denn in der Praxis mittlerweile?
Reetz: Ehrlich gesagt: Es bleibt ein meist mühsames und vor allem zeitintensives Geschäft. Seit aber über das EEG 2021 auch die finanzielle Gemeindebeteiligung für PV-Freiflächenanlagen gesetzlich verankert ist, hat sich etwas spürbar bewegt. Die nun erlaubten Abgaben von bis zu 0,2 Cent/Kilowattstunde bedeuten bei einer 100-Megawatt-PV-Anlage zusätzliche Gemeindeeinnahmen von bis zu 200.000 EUR pro Jahr – und das dauerhaft.

reconcept Solar Deutschland Bond II

„Die nun erlaubten Abgaben von bis zu 0,2 Ct/kWh bedeuten bei einer 100-MB-Anlage zusätzliche Gemeindeeinnahmen von bis zu 200 TEUR pro Jahr – und das dauerhaft.“

BondGuide: Und z.B. einen Landwirt hinsichtlich Doppelnutzung Energieerzeugung plus Pflanzenanbau kann man nicht direkt ansprechen, um schneller voranzukommen?
Reetz: Flächen doppelt zu nutzen, also energetisch und landwirtschaftlich, wird zunehmend interessant. Denn das entschärft natürlich die Konkurrenz um Flächen. Aber auch diese Agro-Photovoltaik muss von der jeweiligen Gemeinde bewilligt werden. Insofern hätte man als Projektentwickler stets das Risiko, dass sich die schon hineingesteckte Arbeit bei der Anbahnung und Planung als vergeblich herausstellen könnte.

BondGuide: Lassen Sie uns noch einmal kurz über die Akzeptanz in der Bevölkerung sprechen. Ich habe den Eindruck, ein Jeder befürwortet in Umfragen Klimaschutz, Photovoltaik, Windanlagen – nur eben nicht direkt vor der Türe und kosten darf der Klimaschutz schon mal gar nicht, lautet dann die betrübliche Praxis. Wie weit liegen Theorie und Praxis aktuell auseinander?
Reetz: In der Vergangenheit war diese Haltung stark ausgeprägt: das bekannte Nimby-Problem, also ‚Not in my backyard‘. Das hat sich inzwischen sehr wohl verbessert, auch Dank der Möglichkeit der lokalen Wertschöpfung für Gemeinden. Speziell bei Freiflächen-Solaranlagen gibt es nach unserer Erfahrung kaum noch Diskussionsbedarf. Eine Akzeptanz in der Bevölkerung kommt natürlich nicht über Nacht. Zur Projektplanung gehören daher stets auch die Teilhabe vor Ort durch eine hohe Transparenz und die Mitgestaltung einer fairen Flächenplanung.

Karsten Reetz, reconcept GmbH

BondGuide: Herr Reetz, einmal mehr ganz herzlichen Dank!

Interview: Falko Bozicevic

Fotos: @ reconcept GmbH

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