Law Corner: Erleichterungen durch das neue Wertpapierprospektrecht: der EU-Wachstumsprospekt

Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Wie bereits mehrfach berichtet, wird die EU Prospektverordnung 2017/1129 (EU Prospektverordnung)[1] zum 21. Juli 2019 umfassend in Kraft treten. Damit werden die neuen Anhänge zum Inhalt und Aufbau von Wertpapierprospekten gelten, die Erleichterungen bringen sollen. Weitere Regelungen, wie zu Ausnahmen von der Prospektpflicht, sind bereits in Kraft, werden aber nochmals leicht modifiziert. Von Dr. Anne de Boer, Rechtsanwältin und Partnerin bei Heuking Kühn Lüer Wojtek

Die EU Prospektverordnung verfolgt als ein wesentliches Ziel, dass Emittenten Prospekte leichter erstellen können; dies soll u.a. durch den EU-Wachstumsprospekt und die neuen Vorgaben für Sekundäremissionen erreicht werden. Zugleich soll aber auch der Anlegerschutz durch eine stärkere Fokussierung bei der Darstellung von Risiken und der Zusammenfassung erhöht werden.  

Anwendungsbereich des EU-Wachstumsprospekts

Der Anwendungsbereich des EU-Wachstumsprospekts[2] wurde durch Art. 15 der EU Prospektverordnung im Vergleich zum alten KMU Prospekt erheblich erweitert.

Grundvoraussetzung ist, dass noch keine Wertpapiere des Emittenten zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind. Der EU-Wachstumsprospekt kann dann in folgenden Fällen genutzt werden:

1. Emissionen durch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU); dies sind Unternehmen, die nach ihrem letzten Jahresabschluss zumindest zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: (i) durchschnittliche Beschäftigtenzahl von weniger als 250; (ii) Gesamtbilanzsumme von höchstens 43 Mio. EUR; (iii) Jahresnettoumsatz von höchstens 50 Mio. EUR; oder mit einer durchschnittlichen Marktkapitalisierung auf der Grundlage der Notierungen zum Jahresende in den letzten drei Kalenderjahren von weniger als 200 Mio. EUR.

2. Unabhängig von der Qualifikation als KMU kann der EU-Wachstumsprospekt für ein öffentliches Angebot genutzt werden, wenn die Wertpapiere des Emittenten an einem KMU-Wachstumsmarkt gehandelt werden oder werden sollen, sofern ihre durchschnittliche Marktkapitalisierung auf der Grundlage der Notierungen zum Jahresende in den letzten drei Kalenderjahren weniger als 500 Mio. EUR betrug. In Deutschland wird dies im Hinblick auf das Marktsegment Scale an der Frankfurter Börse relevant[3].

3. Weiterhin kann der EU-Wachstumsprospekt genutzt werden, wenn (i) der Gesamtgegenwert des öffentlichen Angebots in der EU über einen 12-Monatszeitraum höchstens 20 Mio. EUR entspricht, sofern (ii) keine Wertpapiere des Unternehmens an  einem MTF gehandelt werden und (iii) die Beschäftigtenzahl im letzten Geschäftsjahr bis zu 499 betrug.

Vorgaben für den EU-Wachstumsprospekt

Der EU-Wachstumsprospekt orientiert sich im Wesentlichen an dem alten KMU-Prospekt. Allerdings wurde dieser noch weiter entschlackt, so dass Angaben z.B. zu Beschäftigten, der Unternehmenshistorie, Wettbewerbern und Praktiken der Geschäftsführung nicht mehr notwendig sind. Für die Zusammenfassung sieht Anhang 23 zudem eine spezielle verkürzte Fassung vor.

Ebenso gibt es Erleichterungen bei der Darstellung der Geschäfts- und Finanzlage einschl. Sachanlagen und Lizenzen und Patenten. Grundsätzlich sind nur noch Finanzinformationen einschließlich wesentlichen Leistungsindikatoren (KPIs) und Abschlüssen für ein (Anleihe) bzw. zwei Jahre (Aktien) aufzunehmen. Weitere Angaben zum Geschäftskapital sowie Kapitalausstattung und Verschuldung sind nur bei der Ausgabe von Aktien durch Emittenten mit einer Marktkapitalisierung von über 200 Mio. EUR erforderlich.

Wie in allen Prospekten nach der EU-Prospektverordnung dürfen nur spezifische und wesentliche Risiken aufgeführt werden. Sie müssen sich auch aus den weiteren Darstellungen im Prospekt ergeben und sind zu gewichten. Für Emittenten und deren Organe bedeutet dies, dass sie gut und umfassend intern dokumentieren sollten, wie sie zu den Risiken und auch deren Schwerpunktsetzung gelangen, um Haftungsrisiken zu vermeiden.

Ebenso sind Gewinnprognosen und Schätzungen nun ohne Prüfung zulässig, wobei die Angaben entsprechend den jeweiligen Prospektanhängen aufzunehmen und erläutern sind.

Fazit

Die neuen Regelungen sehen tatsächlich eine Vielzahl von Erleichterungen vor, damit Emittenten zügig und mit geringeren Kosten günstige Zeitfenster für Emissionen nutzen können. Allerdings müssen die Emittenten insbesondere im Hinblick auf die Risiken und auch sonst reduzierten Angaben darauf achten, dass die Anleger alle notwendigen Informationen erhalten und sie, ihre Organe und Dienstleister sich keinen Haftungsrisiken auszusetzen.

[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R1129&from=DE.

[2] Geplante Anhänge 23 bis 27 in Teil D der Delegierten Verordnung zur EU Prospektverordnung.

[3] https://www.boersen-zeitung.de/index.php?li=1&artid=2019042009.