Konjunkturabschwächung voraus – noch genügend Restenergie im System

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Verschiedene bisher stark unterstützende Faktoren für die Konjunktur wie auch die Finanzmärkte werden sich in absehbarer Zeit deutlich abschwächen. Insbesondere wird eine seit April des vergangenen Jahres an den Börsen wirksame Liquiditätsquelle, die ‚Overnight Reverse Repo Facility‘ (Überschussreserven der Banken bei der Fed), bald vollständig austrocknen. Beat Thoma, CIO bei Fisch Asset Management in Zürich, äußert sich zur aktuellen Marktsituation:

Es handelt sich hier zwar um eine in den USA lokalisierte Liquiditätsquelle, die sich allerdings indirekt auf die globale Geldversorgung auswirkt. Zudem sind auch die bisher enorm hohen Überschussersparnisse der privaten Haushalte in den USA in absehbarer Zeit aufgebraucht. Damit gewinnen die weiterhin restriktive Geldpolitik der Notenbanken und die sich abschwächenden Arbeitsmärkte wieder stärkeren Einfluss. Allerdings befindet sich aktuell noch genügend ‚Restenergie‘ im System, die größere Turbulenzen verzögern oder dämpfen kann.

Das Wachstum in den USA schwächte sich im vierten Quartal auf 3,2% ab von 5,1% im Vorquartal. Die Eurozone wiederum ist bereits nahe an einer Rezession. Der Frühindikator des ‚Conference Board‘ signalisiert zudem für die USA eine weitere Abkühlung. Eine Normalisierung des hohen, durch Sonderfaktoren getriebenen Wachstums in den USA sowie eine Entspannung an den Arbeitsmärkten sind aber grundsätzlich wünschenswert und wirken (auch global) mittelfristig zins- und inflationsdämpfend. Damit wird ein Einpendeln auf einem langfristigen, soliden Gleichgewicht hinsichtlich Konjunktur, Inflation und Zinsen ermöglicht.

Auf dem Weg dazu kann es aber aufgrund der erwähnten abnehmenden positiven Faktoren vorübergehend zu Störungen und erhöhter Marktvolatilität kommen. Zudem erscheint die Geldpolitik sowohl der Fed als auch der EZB etwas zu restriktiv. Der Fokus liegt immer noch auf der Inflationsbekämpfung (trotz deutlich fallender Raten) und nicht auf potenziellen Liquiditätskrisen. Und auch die Bank of Japan dürfte bald auf einen restriktiveren Kurs einschwenken. Das erhöht insgesamt die kurzfristigen Gefahren an den Börsen. Allerdings besteht im Fall von Turbulenzen ein großer Handlungsspielraum für monetäre Lockerungen und das Einschießen von Notfallliquidität.

Wir sehen derzeit ein günstiges Umfeld für Unternehmensanleihen. Einerseits profitieren die Unternehmen noch von der erwähnten konjunkturellen Restenergie. Gleichzeitig dürfte eine abkühlende Konjunktur- und Inflationsdynamik für tiefere Zinsen sorgen. Ferner würde im Fall einer stärkeren wirtschaftlichen Abkühlung der negative Effekt steigender Credit Spreads durch schnell fallende Zinsen kompensiert, insbesondere bei Schuldnern mit besserer Bonität. Zudem würden die Notenbanken ihre Geldpolitik sehr schnell lockern und allenfalls sogar wieder die Geldmengen und Bilanzen erhöhen. Und die ansprechenden laufenden Renditen bieten einen zusätzlichen Risikopuffer.

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An den Aktienmärkten sind aktuell viele positive Erwartungen eingepreist. Aufgrund der noch positiven, aber sich abschwächenden oben genannten Faktoren kann es deshalb jederzeit zu Enttäuschungen kommen. Aktienexposure würden wir deshalb nur über Wandelanleihen nehmen. Hier besteht aktuell ein interessantes und stark asymmetrisches Chancen-/Risiko-Verhältnis. Unsere Wandelanleihenstrategien sind derzeit neutral positioniert, aber mit einem Fokus auf Kreditrisiken. Insgesamt erscheint es sinnvoll, einen Teil der liquiden Mittel für Investments noch zurückzuhalten, um im Fall einer Marktkorrektur auf tieferem Niveau einzusteigen.

Beat Thoma, Fisch AM

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