ESPG: „Vom niedrigen Grad der Digitalisierung beim Umtauschangebot überrascht“

Seit rund 2 ½ Wochen läuft das Umtauschangebot der ESPG, einem auf Wissenschaftsparks spezialisierten Immobilienunternehmen. BondGuide im Follow-up mit Vorstandsmitglied Dr. Ralf Nöcker, dieses Mal über Digitalisierung, Timing und Interessenzersplitterung

BondGuide: Herr Dr. Nöcker, wenn sich ein Umtausch oder eine neue Emission an sogenannte qualifizierte Investor:innen richtet, kommt der Ansprache eine besondere Bedeutung zu. Hat die ESPG denn nach rund 4 ½ Jahren Bestehen der Anleihe – ehemals ja DIOK – noch ansprechbare Investorengruppen identifizieren können?
Nöcker: Ja. Wir hatten eigens vor Start des Umtauschangebots einen ID-Prozess durchgeführt. Bei diesem haben wir auch ca. 60% der bestehenden Investor:innen identifizieren können. Damit hatten wir eine gute Grundlage, um unsere Anleger:innen zielgerichtet anzusprechen. Nach dem Launch haben sich darüber hinaus noch weitere Bondanleger gemeldet, sowohl qualifizierte Kleinanleger wie auch Investoren aus dem Ausland. Diese wollen wir jetzt mitnehmen.

BondGuide: ‚Ausland‘ dürfte das Stichwort sein, denn wie man hört, läuft hierbei nicht alles so glatt im Abwicklungsprozess.
Nöcker: Das ist leider auch unsere Erfahrung. Das fängt beim simplen Umstand an, dass die Anleihe auch jetzt noch in vielen Datenbanken unter ‚DIOK 2018/23‘ läuft. Zwar mit korrekter Wertpapier-Kennnummer A2NBY2, aber trotzdem sorgt es für Verwirrung, wenn die richtige Bezeichnung seit über einem Jahr ‚ESPG 2018/23‘ lauten sollte. Das zweite Problem, das uns zur Verlängerung unseres Umtauschzeitraums bewegt hat, war, dass viele Vermögensverwalter ihre Stücke an Drittdienstleister-Verwahrstellen gegeben haben, mit denen wir und Quirin erst Kontakt aufnehmen müssen.

BondGuide: Wie viel Zeit sollte man denn realistischerweise für eine Umtauschphase einplanen?
Nöcker: Gesagt wurden uns zwei Wochen – sicherheitshalber haben wir daraus 2 ½ Wochen gemacht. Das haben wir jetzt eben auf 3 ½ Wochen verlängert. Überrascht hat mich der niedrige Grad an Digitalisierung bei diesem Prozess: Vieles ist noch handschriftlich, telefonisch, Briefpost von Depotbanken an Anleger:innen und dergleichen. Von einem Vermögensverwalter – eine gute und bekannte paneuropäische Adresse übrigens – wissen wir, dass er sage und schreibe 15 Tage benötigt hat, um überhaupt seine Investorenschaft zu identifizieren, die er zwecks Umtauschangebot ansprechen müsste.

BondGuide: Wie weist man nach, dass man sogenannter qualifizierter Anleger ist?
Nöcker: Wenigstens das ist in der Praxis nicht ganz so kompliziert. Bei vielen Anleger:innen geschieht dies direkt bei der Eröffnung des Depots mittels einer Selbsteinschätzung. Diese bestätigt die Depotbank in der Regel. Falls in diesem konkreten Fall die Depotbank die Teilnahme am Umtauschangebot unter Verweis auf irgendwelche Paragrafen weiterhin verzögert oder sogar blockt, bitten wir diese Anleger:innen, sich direkt mit uns in Verbindung zu setzen unter innovate@espg.com. In aller Regel findet sich dann eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung.

Portfolio der heutigen ESPG

BondGuide: Ist es eine Frage der Regulierung oder ggf. auch der Kosten, wie lange man so eine Umtauschfrist offenhält?
Nöcker: Nein, durch unsere Verlängerung der Umtauschfrist sind uns keine großartigen materiellen zusätzlichen Kosten entstanden. Der Hintergrund ist eher ein ganz anderer: Diejenigen, die sich schon früh zur Teilnahme am Umtausch entschieden haben, deren Stücke sind ja bis zum Abschluss des Angebots blockiert und können nicht mehr gehandelt werden. Insofern kann man ein Umtauschangebot nicht allzu lange offenhalten, zumal das System ja gerade diejenigen bestrafen würde, die sich schon früh committed haben. Uns erscheinen die 3 ½ Wochen dazu angemessen.

BondGuide: Vor zwei Wochen, als auch die ESPG in den Umtausch gestartet ist, liefen ja ich glaube vier andere Emissionen mit Umtausch bzw. Neuzeichnungsangebot, was naturgemäß das Investoreninteresse aufsplittert. Inwiefern war das Timing unglücklich?
Nöcker: Absolut, das haben wir auch festgestellt. Wenn man das europäische Ausland hinzuzählt, speziell hier die Schweiz, dann sprechen wir sogar von deutliche mehr Neuemissionen. Das zweite war einmal mehr der neuerlich negative Newsflow der letzten Tage zur Adler Real Estate, oder schon früher zum KFM Deutscher Mittelstandsanleihen Fonds. Natürlich war das überhaupt nicht hilfreich für alle Emittenten, die auch nur lediglich die Branche – Immobilien – oder den Sektor gemein hatten. Unter dem Strich hatten wir etwas Pech mit unserem Timing.

BondGuide: Diese Woche nunmehr scheint der Weg aber frei, von News zu Adler mal abgesehen.
Nöcker: Das ist jedenfalls, was uns zur Verlängerung der Umtauschfrist bewogen hat. Wir hoffen also, dass in der finalen Woche einige Steine aus dem Weg geräumt sind, wenn auch nicht alle: In Österreich ist noch parallel die UBM Development – ein Projektentwickler. Unibail Rodamco Westfield, ein Shopping-Center Investor, konnte derweil seinen Umtausch erfolgreich beenden. Natürlich ist beides absolut nicht mit dem vergleichbar, was die ESPG macht, aber doch sind es große Emissionen, mit denen sich die Vermögensverwalter etc. parallel zu unserem Angebot befassen müssen.

Anleihe ESPG (vormals DIOK RE) 2018/23

BondGuide: Nicht gut sicherlich aber auch, dass der KFM Deutscher Mittelstandsanleihen Fonds ggf. abgewickelt werden soll. Der ist doch auch bei der ESPG investiert.
Nöcker: Ja, das stimmt leider, KFM hält wohl eine größere Position. Die Misere der KFM betrifft nicht nur unser Umtauschangebot übrigens. In Nachfolge mit dem KFM-Fonds sind ja auch zahlreiche Versorgungswerke etc. investiert. De facto ist der Fonds aktuell handlungsunfähig, d.h. auch die im Fonds investierten Anleger:innen können nicht über ihre Investitionen entscheiden, solange dort alles im Status-quo eingefroren ist. Definitiv ist das alles andere als optimal für den Markt.

BondGuide: Drücken Sie die Daumen für die ja auch ins Spiel gebrachte Fortführungsvariante der KFM?
Nöcker: Ich habe da zwar nicht mitzureden, aber sicherlich wäre eine Fortführungslösung statt einer Liquidation der Bestände in den Markt hinein der für alle bessere Ausgang mit ganz höchstwahrscheinlich geringeren Einbußen.

Dr. Ralf Nöcker

BondGuide: Herr Dr. Nöcker, noch einmal ganz herzlichen Dank an Sie, dass Sie kurzfristig Zeit für uns hatten!

Interview: Falko Bozicevic

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