Solarnative: „Drei Jahrzehnte Forschung, um an diesen Punkt zu gelangen“

Foto @ Solarnative GmbH

Debütemittent Solarnative bietet einen Kupon im zweistelligen Bereich – kein Problem, denn das Unternehmen wächst mit seinem USP, dem Mikro-Wechselrichter, rasant. Zur Emission sprach BondGuide mit Gründer & CEO Dr. Julian Mattheis*.

>> aus BondGuide 06/2024

Herr Dr. Mattheis, vielleicht können Sie zum Einstieg etwas zur Solarnative wie auch zu Ihrem eigenen Hintergrund sagen bitte.
Ich habe praktisch mein gesamtes bisheriges Berufsleben innerhalb der Photovoltaikbranche zugebracht. Von Hause aus bin ich Elektrotechniker. Bei Q-Cells war ich vor der Finanzkrise Projektleiter für eine damals bahnbrechende Technologie – die sich allerdings erst entwickelte. Ich kenne durch meine verschiedenen beruflichen Stationen die gesamte Wertschöpfungskette der PV-Branche bis hin zu schlüsselfertigen Fabriken zur Herstellung von Solarzellen und -modulen, auch bei Zulieferern oder Installateuren. 2018 habe ich dann Henk Oldenkamp kennengelernt, heute unser CTO.

Sozusagen Ihr Daniel Düsentrieb bei der Solarnative?
Das beschreibt ihn sehr gut. Henk forscht und entwickelt schon sein halbes Leben lang am Mikro-Wechselrichter, der heute unser USP und Kerngeschäft ist.

Von Wechselrichtern zur Modulsteuerung haben wir wahrscheinlich alle schon gehört – doch was genau sind Mikro-Wechselrichter?
Solarmodule haben einen großen Nachteil: Sie erzeugen Gleichstrom. Fürs Netz wird aber Wechselstrom benötigt. Das bewerkstelligt ein Wechselrichter. Netter wäre doch, wenn Solarmodule gleich Wechselstrom produzieren würden. Ein herkömmlicher Strang-Wechselrichter macht das für eine komplette Solaranlage, ein Mikro-Wechselrichter jedoch schon auf Modulebene. Unsere Besonderheit ist, dass unsere Wechselrichter so klein sind, dass sie sich direkt in die Solarmodule integrieren lassen: Plug & Play, wenn der Ausdruck passt.

Und das bietet Vorteile?
Strang-Wechselrichter funktionieren prima, solange alle Module konform in eine Richtung ausgerichtet sind und damit alle die gleiche Sonneneinstrahlung bekommen. Das ist bei großen Freiflächenanlagen so. Bei Wohngebäuden ist es suboptimal und komplex hinzubekommen. Mikro-Wechselrichter lösen das Problem, indem jedes Modul unabhängig gesteuert wird. Wo schwierige Dach-Geometrien, womöglich mit Beschattungen, vorhanden sind, ist unsere Technologie genau richtig am Platze für eine optimierte Stromausbeute. Zudem erhöht sich die Sicherheit der Anlagen, da keine gefährlichen Hochspannungen mehr vorhanden sind.

Ist der Mikro-Wechselrichter ein reines B2B-Produkt bzw. wo sieht der Endkunde Ihren Namen?
Unsere Mindestabnahme liegt bei 1.000 Stück, ist also für den gewerblichen Bereich. Für einen kleinteiligen Vertrieb sind wir nicht aufgestellt und streben dies auch nicht an – der Endkunde sieht uns bei der Installation auf seinem Gebäude also tatsächlich nicht als Marke. Für den Betrieb und das Monitoring der Anlagen mit unseren Mikro-Wechselrichtern ist allerdings eine App erforderlich – da sieht uns der Nutzer dann schon mit Namen. Im Zweifel 25 Jahre lang über die gesamte Lebensdauer einer Solaranlage.

Und Mikro-Wechselrichter kann China noch nicht?!
Doch, China kann auch Mikro-Wechselrichter. Das sind jedoch klobige Klötze und die Haltbarkeit ist nicht sonderlich gut. Die technologischen Hürden zu unserer miniaturisierten Hochfrequenz-Technologie sind recht hoch. Da stecken drei Jahrzehnte Forschung drin, um an den Punkt zu gelangen, an dem wir inzwischen stehen. Und nicht zuletzt forscht und entwickelt Henk und sein Team ja auch permanent weiter, um den technologischen Vorsprung aufrecht zu erhalten.

„Mit oder ohne uns ist die technologische Entwicklung in der Solarbranche weiterhin rasant.“

Wer wären denn da so die nationalen oder internationalen Mitbewerber?
Weltweit ist die US-Firma Enphase der größte Hersteller von Mikro-Wechselrichtern. Mit über 50% Marktanteil im Wohngebäudesegment in den USA stellt Enphase sowas wie eine Benchmark dar. Enphase verwendet allerdings deutlich geringere Taktfrequenzen als Solarnative und kann daher ihre Wechselrichter nicht im gleichen Maße miniaturisieren wie wir unseren PowerStick.

Und in welche Stoßrichtung geht die nächste technologische Weiterentwicklung in Ihrer Branche?
Henk kann noch sicher eine ganze Weile weitertüfteln. Mit oder ohne uns ist die technologische Entwicklung in der Solarbranche weiterhin rasant. Die Produkte werden zunehmend leistungsfähiger und kostengünstiger. Ein Ende dieses Trends ist genau wie bei Mikrochips noch nicht erkennbar.

Mit einem Break-even zunächst auf EBIT-Basis rechnen Sie nicht vor 2025. Wie viel Umsatz benötigt die Solarnative denn, um ‚richtig‘ profitabel zu sein, also unter dem Strich?
Wir kalkulieren dabei vom Monatsniveau aus. Auf ein Jahr hochgerechnet wären das aktuell 50 bis 60 Mio. EUR Umsatz für den Break-even.

Nun haben Sie offiziell bis zu 20 Mio. EUR als Emissionsvolumen veranschlagt – aber mit Aufstockungsoption bis zu 50 Mio. EUR. Wissen Sie selbst noch nicht so genau, wie viel es denn sein sollten?
Die 20 Mio. EUR sind das Volumen, mit dem wir planen. Bis zu 50 Mio. EUR haben wir genannt, um uns für beschleunigte Wachstumsmöglichkeiten alle Optionen offen zu halten, ohne etwas auszuschließen.

Was wäre mit der niedrigeren Summe alles abgedeckt in Ihren Plänen?
Die erwähnten bis zu 20 Mio. EUR sind klar für unsere Markteintritts- und Investitionspläne. Gerade die Elektronikkomponenten müssen vorfinanziert werden, um im Absatz überhaupt die realisierbaren Erlöse zu generieren. Dieses Working Capital ist bei jedem produzierenden oder vertreibenden Unternehmen erforderlich. Damit wäre auch noch die nächste Expansionsstufe abgedeckt.

Weitere Besonderheit bei der Emission ist die Erwähnung eines möglichen ‚IPO-Events‘. Ein Börsengang fällt ja nicht einfach aus der Schublade, sondern bedarf erfahrungsgemäß ca. ein Jahr Vorlauf.
Der Photovoltaikmarkt wächst stark und man sollte daher auf diverse Eventualitäten vorbereitet sein. Eine Anleihe kann unser Wachstum womöglich kurz- und mittelfristig finanzieren, aber langfristig wären eventuell weitere Instrumente erforderlich. Da denken wir auch an die Eigenkapitalbasis – und da ist ein Börsengang oder IPO das Mittel der Wahl, um in kurzer Zeit nennenswerte Beträge generieren zu können.

Der Kupon der Anleihe ist stattlich, nämlich zweistellig. Was sagt der Finanzvorstand dazu?
Wenn wir schon bald die angestrebten Jahreserlöse von 50 Mio. EUR erzielen werden, stimmt das Größenverhältnis unserer Kalkulation, wie auch eben der Cashflow im Verhältnis zu den regelmäßigen Kuponzahlungen.

In Ihrer Planung gehen Sie von einer Vervierfachung der Umsätze von 2024 auf 2025 aus, dann nochmals eine weitere Vervierfachung bis 2027. Wie kann ein produzierendes Unternehmen – also nicht Meta oder Alphabet – ein derartiges Wachstum managen?
Dieser Aspekt ist in der Tat zur Kenntnis genommen und adressiert. Unsere Produkte laufen fast alle von Standardmaschinen vom Stapel, so dass wir mit wachsender Auftragslage nicht so schwer duplizieren, ausrollen und den Output hochfahren können.

In Deutschland droht mit der Bundestagswahl Ende 2025 eine Art ‚Regime Change‘ – in welche Richtung genau, sei noch dahingestellt.
Die Einspeisevergütung mag früher wichtig gewesen sein, heute nutzen die Privaten den produzierten Strom lieber selbst. Die Rechnung geht ja auf, wenn man 40 Cent pro kWh bezahlen muss, die aber nur 12 Cent über Ihre Solaranlage kostet. Die politischen Richtungsentscheidungen sind deutlich weniger wichtig als noch vor einem oder zwei Jahrzehnten. Dann kommen noch Elektroautos und Wärmepumpen an ihr Hausnetz, deren Strombedarf sie günstig auf dem Dach produzieren. Das wird mehr und mehr eine unschlagbar attraktive Rechnung – eine Förderung braucht schon niemand mehr.

Dr Julian Mattheis, Solarnative

Berühmte Abschlussfrage: Was wäre für Sie das größte Einzelrisiko für Ihre Unternehmung, irgendeine externe Unwägbarkeit vielleicht oder was sonst könnte dies sein?
Als externer Faktor ist das ganz klar die Lieferkette. Teilweise haben wir Wartezeiten von bis zu einem Jahr. Das ist längst nicht ausgestanden und die Frage ist, ob das der neue Normalzustand bleibt. Dann muss man eben dauerhaft damit kalkulieren. Als intern würde ich Henk Oldenkamp anführen. Ihn empfanden wir stets als großes Schlüsselpersonenrisiko, wäre ihm etwas zugestoßen. Das haben wir inzwischen aber gemildert und alles auf viel mehr Schultern verteilt als in unserer Pionierzeit.

Herr Dr. Mattheis, dann ganz herzlichen Dank an Sie für die kurzweiligen Schilderungen und natürlich viel Erfolg!

Das Interview führte Falko Bozicevic.

*) Dr.-Ing. MA Julian Mattheis ist Gründer und CEO der Solarnative GmbH.

Fotos @ Solarnative GmbH

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