„Emittentenratings sind meist irreführend und dadurch wertlos“ – Interview Teil II (II)

Wenig Sinnvolles durch Emittenten-Ratings

Interview mit Dr. Hans-Werner Grunow, Partner bei der Beratungsgesellschaft CAPMARCON

Hier zu Teil I des Interviews

Rating-Noten bei Mittelstandsanleihen stehen immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik: Für Anlegerschützer sind sie zu lasch, Emittenten bemängeln hingegen, dass Zukunftschancen ihrer Unternehmen zu wenig einflössen. Viele verwunderte auch, dass einige Ratings innerhalb weniger Monate gleich um mehrere Stufen abgewertet wurden. Im Gespräch mit BondGuide erläutert Dr. Hans-Werner Grunow von der Beratungsgesellschaft CAPMARCON die Schwachpunkte und warum Investoren damit kritisch umgehen sollten.

BONDGUIDE: Herr Dr. Grunow, können Rating-Agenturen in Fällen von viel zu positiven Noten von Anlegern haftbar gemacht werden?
Grunow:
Die korrekte Antwort auf diese Frage setzte zunächst die Klärung voraus, was überhaupt „richtige Noten sind. Ratings sind keine normativen Aussagen, sie drücken nur Wahrscheinlichkeiten aus. Und da gibt es auch Ausreißer nach oben oder unten, weshalb Klagen gegen Rating-Agenturen meist erfolglos geblieben sind. Letztlich werden Anleger nicht aus der Eigenverantwortung entlassen, sich selbst ein Bild vom Risiko jedes Investments zu machen.

BONDGUIDE: Was wird denn bei einem Rating genau untersucht?
Grunow:
Bei der Bonitätsbewertung einer Anleihe stehen drei Aspekte im Mittelpunkt: die Ausfallwahrscheinlichkeit, das damit zusammenhängende Verlustausmaß sowie die Risiken, die sich aus einer Veränderung der Bonität ergeben. Es wird dabei eine Vielzahl quantitativer wie qualitativer Informationen ausgewertet – zum Beispiel Kapitalstruktur, Geldfluss, Absatzmärkte oder Managementqualität.

BONDGUIDE: Worin liegen die Vorteile für Anleger, wenn nicht das Unternehmen, sondern die Anleihe geprüft wird?
Grunow:
Die Bewertung bei einem Anleihe- oder Emissions-Rating ist mit Blick auf das Anlagerisiko aussagekräftiger, denn es wird hier das wahrscheinliche Verlustpotenzial des Bonds abgeschätzt. Ein Unternehmens- oder Emittenten-Rating hingegen verschleiert nachteilige Vereinbarungen in den Anleihebedingungen. Ein solches Rating ist meist irreführend und dadurch wertlos.

BONDGUIDE: Was empfehlen Sie Emittenten anstelle von Ratings bei Creditreform oder Scope?
Grunow:
Die aktuellen Zulassungsanforderungen der führenden Börsenplätze verlangen ein Rating. Und in einem Markt, der nach einem Investment Grade giert, mit einem einfachen B von Standard & Poor’s Erfolg zu haben, kommt Harakiri gleich. Sinnlose Bewertungen abzuschaffen, liegt also nicht im Ermessen der Emittenten. Was diese aber tun können, ist eine bessere Information der Marktteilnehmer über Chancen und Risiken der Anleihe, nicht das Vorgaukeln einer heilen Welt mit bunten Bildern und Prospekten. Sonst wird der letzte Rest Vertrauen verspielt.

BONDGUIDE: Wie können Anleger bei Unternehmensanleihen das Chance-Risiko-Verhältnis – also die Rendite im Vergleich zum Rating – richtig einschätzen? Gibt es hier eine Faustformel?
Grunow:
Nein, eine goldene Regel gibt es nicht. Grundsätzlich gilt: Jedes Finanzinstrument, das höher rentiert als Bundesanleihen, ist mit Risiko verbunden. Und je höher die Differenz ist, desto größer auch das Risiko. Eine wirklich gute Bestimmung des Chance-Risiko-Verhältnisses setzt eine intensive und umfassende Analyse voraus, die zumeist nur institutionelle Investoren leisten können. Das wiederum bedeutet: Anleger, sollten im aktuellen Zinsumfeld bei Renditen von mehr als 4 oder 5% immer hellhörig werden und sich dieses höheren Risikos bewusst sein.

BONDGUIDE: Herr Dr. Grunow, vielen Dank für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Thomas Müncher.

Hier zu Teil I des Interviews

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Dr. H-W Grunow