Der EU-Wiederaufbauprospekt

I. Wegerich und E. Recklin, Luther RAs
I. Wegerich und E. Recklin, Luther RAs

Am 24. Juli 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Prospektverordnung u. a. im Hinblick auf den EU-Wiederaufbauprospekt.

Ziel der geplanten Änderungen ist es, den Unternehmen schnellstmöglich den Zugang zu neuen Finanzmitteln zu ermöglichen, um die wirtschaftliche Erholung von der COVID-19-Pandemie zu unterstützen. Insbesondere soll den Unternehmen dabei geholfen werden, Eigenkapital zu beschaffen, sodass sie wieder einen tragfähigen Verschuldungsgrad erreichen und widerstandsfähiger werden können.

Das neue Prospektformat des EU-Wiederaufbauprospekts soll sich auf die wesentlichen Informationen konzentrieren und ist nur für Sekundäremissionen (Kapitalerhöhungen) von Aktien vorgesehen (also nicht für Anleihen oder für den Börsengang selbst). Der EU-Wiederaufbauprospekt kann nur von Emittenten genutzt werden, deren Aktien bereits seit mindestens den letzten 18 Monaten ununterbrochen zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen waren oder auf einem KMU-Wachstumsmarkt gehandelt wurden.

Aufgrund der erhöhten Transparenz- und Offenlegungspflichten soll das Schutz- und Informationsbedürfnis der Anleger nach einem umfassenden Prospekt hier entsprechend geringer sein. Diese neue Art von Prospekten würde ferner von dem einheitlichen EU-Pass für gebilligte Prospekte für grenzüberschreitende Angebote und Zulassungen zum Handel profitieren.

Der EU-Wiederaufbauprospekt soll eine maximale Länge von 30 DIN-A4-Seiten haben. Informationen, die mittels Verweis aufgenommen wurden, sind auf die genannte Höchstlänge nicht anzurechnen. Für die Zusammenfassung des Prospekts ist zudem lediglich eine maximale Länge von zwei DIN-A4- Seiten vorgesehen. Die Billigungsfrist wird auf fünf Tage verkürzt, damit die Emittenten Gelegenheiten zur Kapitalbeschaffung zügig wahrnehmen können.

Der EU-Wiederaufbauprospekt enthält erforderliche verkürzte Angaben, die es Anlegern ermöglichen, sich über Folgendes zu informieren: – die Aussichten des Emittenten und die bedeutenden Änderungen der Finanzlage des Emittenten, die gegebenenfalls seit Ablauf des letzten Geschäftsjahres eingetreten sind; – die wesentlichen Informationen über die Aktien, die Gründe für die Emission und ihre Auswirkungen auf die Kapitalstruktur des Emittenten insgesamt sowie die Verwendung der Erlöse.

Die festgelegten Mindestinformationen zu diesem neuen Prospektformat sind in dem neuen Anhang Va enthalten, der sehr überschaubar ist – und weitaus weniger Informationen vorsieht als beispielsweise die vergleichbaren relevanten Anhänge für Sekundäremissionen.

Anhang Va sieht jetzt nur noch die folgenden Mindestinformationen vor: I. Name des Emittenten, Gründungsmitgliedstaat, Link zur Website des Emittenten II. Erklärung der verantwortlichen Personen III. Risikofaktoren IV. Abschlüsse V. Trendinformationen VI. Endgültiger Emissionskurs und Aktienvolumen, einschließlich fester Zusage von Aktionären über mehr als 5% und Namen der Zeichner VII. Ort und Zeitpunkt der Zeichnung der Aktien VIII. Gründe für das Angebot und Verwendung der Erlöse IX. Erklärung zum Geschäftskapital X. Interessenkonflikte XI. Aktienbesitz nach der Emission.

Damit soll der neue Kurzprospekt für Emittenten leicht zu erstellen, für Anleger, die sie finanzieren wollen, leicht zu verstehen und für die zuständigen Behörden leicht zu prüfen und zu billigen sein.

Das Prospektformat des EU-Wiederaufbauprospekts ist nur als eine vorübergehende Regelung vorgesehen, die 18 Monate nach dem Geltungsbeginn der Verordnung ausläuft.

Fazit

Grundsätzlich ist die Einführung eines vereinfachten Prospektformats zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie sehr zu begrüßen. Dies mag ein erster Einstieg in ein generell verkürztes Prospektformat sein, was sehr zu hoffen wäre. Nicht nachvollziehbar ist, warum dieses Prospektformat nur für Eigenkapital und nicht für Fremdkapital anwendbar sein soll – das vereinfachte Prospektformat für Sekundäremissionen gilt demgegenüber sowohl für Eigen- wie auch für Fremdkapital.

In Deutschland ist allein das Scale-Segment der Börse Frankfurt ein registrierter KMU-Wachstumsmarkt – seit dem 16. Dezember 2019. Hier wäre dann die Frage, ob die 18-Monate-Frist für die Zulassung zum Handel erst ab Registrierung des Scale-Segmentes zum KMU-Wachstumsmarkt zu laufen beginnt oder ggf. schon vorher bei einem früheren Listing des Unternehmens in Scale. Unseres Wissens ist diese Frage noch nicht diskutiert worden. Die formelle Betrachtung spricht hier für die erste Alternative und damit für einen Beginn der Frist mit der Registrierung des Scale-Segmentes zum KMU-Wachstumsmarkt. Aber auch in diesem Fall wäre das neue Prospektformat des EU-Wiederaufbauprospektes für Scale-Emittenten ein sehr attraktiver, schnellerer, einfacherer und kostengünstigerer Weg der Kapitalaufnahme – nur etwas später.

Hier geht es zur Layout-Version aus BondGuide 17-2020 vom 21. August.