Musterdepot-Update: Bärendienst 2.0

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Die Situation für KMU-Anleihen muss ganz offensichtlich erst noch schlechter werden, bevor wir überhaupt wieder auf Besserung pochen können.

Aus +4,0% seit Jahresbeginn machte das Debakel der Euroboden seit vergangener Ausgabe ein Minus von über 2% in diesem Jahr. Hatte ich nicht seit Jahresbeginn eindringlich darum gebeten, sich rechtzeitig über eine Verlängerung der Laufzeiten der beiden Anleihen der Münchner zu kümmern? Meine Mahnungen verhallten ungehört.

Was jetzt publik gemacht wurde, ist ja schlimmer, als man sich hätte alb-er-träumen können: Wertlosigkeit des jetzt noch restlichen Eigenkapitals, das zudem noch rasch dahinschmilzt, keine Aussicht auf Rückzahlung der Anleihen zu pari – auch nicht nach einer LZ-Verlängerung sowie Zinssenkung, über die Anleger:innen in Kürze abzustimmen haben. SdK sowie das Team One Square/Heuking Kühn Lüer Wojtek haben sich gegen die Beschlussvorschläge in Stellung gebracht.

Abgesehen von Euroboden gab es dies Woche auch Kurskapriolen bei der Photon Energy. Ohne jegliche Begründung ist die Anleihe um 20 Punkte auf unter 80% abgetaucht. Überhaupt stellt man fest, dass so ziemlich jeder einzelne Titel schwächer notiert als Mitte Juli, sogar Felsen in der Brandung wie Underberg. Inwieweit dies im Kontext der Liquidierung des KFM Mittelstandsanleihen Fonds stehen kann, ist aktuell unklar.

Bei der kürzlichen Folgeemission der DEAG Deutsche Entertainment AG ist das BondGuide Musterdepot ja nicht voll, sondern nur mit 7.000 Nominalen zum Zuge gekommen – die Emission war einigermaßen überzeichnet. Insofern haben wir aktuell noch ca. 13% Liquidität frei, die man für gezielte Käufe nutzen könnte.

Wer traut sich, eine Euroboden zu 7% zu kaufen? Oder Cardea zu 35%, obwohl es dort ja eine vermeintliche Besicherung gibt. Restlaufzeit wenige Monate. Also ich momentan nicht – auch wenn ich als Optimist gelte und man mir häufiger mal vorwirft, den Markt ab und an schönzureden. Ohne Alkoholeinfluss ist das derzeit schwer möglich. Die Einschätzung greift aber zu kurz: Ich versuche lediglich, Chancen und Risiken abzuwägen, Gelegenheiten beim Schopfe zu packen oder zumindest darauf hinzuweisen. Wofür lesen Anleger:innen diese Rubrik denn sonst bitte? Denn genauso oft hörte ich in der Vergangenheit, wir seien zu kritisch und Anlegern seien daher sichere Zeichnungsgewinne entgangen.

Ja – auch diese Zeiten gab es. Zeichnungsgewinne gab es doch tatsächlich, zuletzt bei der DEAG und davor bei der Mutares. Beide erhielten von uns die höchstmögliche Bewertung im Rahmen unserer Maßstäbe. Und selbst bei den Schalke-Anleihen und jüngst der Hertha haben wir auf die Irrationalität von Fußball-Enthusiasten hingewiesen (die man freilich ausnutzen darf). Die laufzeitverlängerte Hertha-Anleihe steht bei… 97% (?). Was weiß ich schon von Fußball, aber dass die Anleihe zu 100% in zwei Saisons zurückgeführt werden kann, sehe ich aktuell noch ziemlich undeutlich. Vorsichtig formuliert.

Ausblick
Chancen und Desaster im Markt für KMU-Anleihen liegen derzeit so eng beisammen wie zuletzt 2016. Wer den richtigen Riecher hat, kann durchaus außergewöhnliche Renditen einfahren: Beispiel nochmals Hertha BSC. Aber Vorsicht ist die Mutter der unbekannten Kiste, und deren Schwester heißt Fragilität – siehe Euroboden. Die forensischen Aufräumarbeiten dazu laufen erst an. Dann noch die Unwägbarkeit zur Abwicklung des KFM-Fonds, dem mit Abstand größten Investor in diesem engen Markt. Die Möglichkeiten, groß unterzugehen oder groß zu scheitern waren noch nie so trennungsunscharf wie aktuell.

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