Virtuelle Versammlung – auch für Anleiheemittenten?

Dr. Thorsten Kuthe, Miriam Schäfer, Heuking

Der Law Corner Beitrag von Dr. Thorsten Kuthe und Miriam Schäfer, Rechtsanwälte, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln

Die COVID-19-Pandemie und die daraus resultierenden Einschränkungen stellen auch Anleiheemittenten vor besondere Herausforderungen. Liquiditätseinbußen und Umsatzausfälle führen dazu, dass Zinszahlungen schwer bedient und/oder Negativverpflichtungen, Verschuldensgrenzen und sonstige Covenants nicht eingehalten werden können oder eine Refinanzierung der fälligen Anleihe nicht gelingt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen kann die Anleihegläubiger zur Kündigung der Anleihe berechtigen.

Betroffene Anleiheemittenten können das Problem, wie aktuelle praktische Erfahrungen zeigen, durch Restrukturierung ihrer Anleihe lösen. Durch einen für alle Anleihegläubiger verbindlichen Mehrheitsbeschluss können Anleihebedingungen geändert und damit Laufzeiten verlängert, Zinszahlungen verschoben, gemindert oder gestaffelt, Covenants und/oder Negativerklärungen angepasst und ggfs. ein Gemeinsamer Vertreter zur Umsetzung eines entsprechenden Restrukturierungskonzepts bestellt werden.

In Zeiten der COVID-19-Pandemie umso begrüßenswerter ist die vom Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (SchVG) vorgesehene Abstimmung ohne Versammlung. Dabei erfolgt die Beschlussfassung durch Stimmabgabe gegenüber dem Versammlungsleiter auf Basis einer entsprechenden Aufforderung zur Stimmabgabe ohne Präsenz vor Ort schriftlich und damit ungeachtet geltender Versammlungsverbote oder -beschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie.

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Allerdings erfordert ein solcher Beschluss (ebenfalls) die Teilnahme von 50% der ausstehenden Schuldverschreibungen. Wird dieses Quorum (wie in der Praxis sehr häufig) nicht erreicht, genügt in einer zweiten Versammlung ein Quorum von 25%. Diese zweite Abstimmung darf aber nicht schriftlich, sondern nur mit Präsenz erfolgen.

Vorschläge an den Gesetzgeber, das zu ändern, waren bisher noch nicht erfolgreich. Damit steht der betreffende Emittent erneut vor der Frage, wie er in der aktuellen Situation die sodann erforderliche zwingende Präsenzversammlung durchführen kann. Seit dem 11. Mai 2020 gelten deutschlandweit zwar Lockerungen der Versammlungsverbote. Je nach Bundesland ist eine Versammlung mit einer Maximalzahl von Teilnehmern unter Beachtung der geltenden Hygiene- und Abstandsregelungen möglich.

Jedoch kann vor allem die Einhaltung der Abstandsregelung von 1,5 bis 2 Meter bei einer Vielzahl von Anleihegläubigern in der praktischen Umsetzung schwierig werden. Zudem gelten teilweise weitere Beschränkungen, etwa ein zeitlicher Umfang von höchstens 60 Minuten in Bayern. Im Fall der Steigerung der Infektionszahlen könnte auch wieder ein striktes Versammlungsverbot greifen.

Was kann man in der Situation tun? Auch wenn das Gesetz keine echte virtuelle Gläubigerversammlung kennt, kann man durch zahlreiche praktische Maßnahmen das gleiche Ergebnis erreichen. Versammlungsleiter, Notar, Management und der Stimmrechtsvertreter nehmen vor Ort teil. Die länderspezifischen Vorgaben für Versammlungen sind dabei einzuhalten. Anleihegläubiger werden gebeten, von einer Teilnahme vor Ort abzusehen und das Stimmrecht durch Bevollmächtigung des Stimmrechtsvertreters der Gesellschaft oder eines Dritten auszuüben und die Versammlung, online in Bild und Ton vollständig zu verfolgen.

Zudem kann ein Informationsaustausch mit Gläubigern im Vorfeld der Versammlung organisiert werden, etwa durch Beantwortung von Fragen im Vorfeld, umfangreiche Informationen auf der Homepage, Informationsveranstaltungen etc. Erste praktische Erfahrungen zeigen, dass auf diese Weise, obgleich auch mit Aufwand, dem richtigen Händchen und einem Quäntchen Glück praktikable Lösungen gefunden werden können.

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