Law Corner: Unternehmensanleihen und PRIIPS-VO

Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Der Law Corner Beitrag von Dr. Anne de Boer, Rechtsanwältin und Partnerin, Heuking Kühn Lüer Wojtek.

Nach der PRIIPS Verordnung 1286/2014 (PRIIPS-VO) sind für verpackte Anlageprodukte, die an Kleinanleger vertrieben werden, Basisinformationsblätter zu erstellen, die die Risiken beschreiben. Im Europäischen Kapitalmarkt und auch in Deutschland kam zunehmend die Frage auf, ob Unternehmensanleihen unter die PRIIPS-VO fallen.

Um den damit verbundenen Aufwand zu sparen, haben Emittenten und Depotbanken den Vertrieb von Anleihen an Kleinanleger erheblich reduziert. Unter anderem die ESMA und EBA haben sich mit Schreiben vom 19.07.2018 an die Europäische Kommission gewandt und um eine Klarstellung gebeten. Neben einer einheitlichen Anwendung der Regelungen bestünde ein Interesse daran, dass Kleinanleger wieder umfassender in Unternehmensanleihen investieren können. Die Europäische Kommission hat auf diese Anfrage mit Schreiben vom 14.05.2019 reagiert und die BaFin am 22.08.2019, aktualisiert am 17.09.2019, ein Merkblatt zur Einordnung von Anleihen veröffentlicht.

Ausgangspunkt ist die Definition des „verpackten Anlageprodukts für Kleinanleger“ oder „PRIP“ nach Art. 4 Nr. 1 der PRIIPS-VO, wonach dies eine Anlage ist, bei der der dem Kleinanleger rückzuzahlende Betrag Schwankungen aufgrund der Abhängigkeit von Referenzwerten oder von der Entwicklung eines oder mehrerer Vermögenswerte, die nicht direkt vom Kleinanleger erworben werden, unterliegt.

Nach dem Merkblatt der BaFin gelten folgende Kriterien, um zu entscheiden, ob eine Unternehmensanleihe unter die PRIIPS-VO fällt:

Unbestimmte Laufzeit: Eine unbestimmte Laufzeit führt nicht dazu, dass eine Unternehmensanleihe als PRIP qualifiziert wird.

Nachrang: Weder ein einfacher, noch ein qualifizierter Nachrang führen dazu, dass eine Unternehmensanleihe als PRIP eingestuft wird.

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Feste Verzinsung: Eine feste Verzinsung einschließlich eines Nullzinses führen nicht zur Qualifikation als PRIP. Dies gilt ausdrücklich ebenso, wenn der Zins aufgrund bestimmter Ereignisse oder Termine erhöht wird. Dies erfasst insbesondere eine Zinserhöhung aufgrund der Herabstufung des Ratings des Emittenten, eines Kontrollwechsels oder eines steuerlichen oder regulatorischen Ereignisses.

Verzinsung abhängig von einem Referenzwert: Der Begriff des Referenzzinssatzes ist laut BaFin grundsätzlich weit zu verstehen und erfasst den Wert von (anderen) Wertpapieren, Indizes, Waren oder Sachwerten. Hier wird nach den Ausführungen der BaFin in unterschiedliche Fallgruppen unterteilt:

– Sofern die Verzinsung oder Rückzahlung der Unternehmensanleihe von einem Zinsindex, wie z.B. dem Euribor oder dem Libor, abhängt, wird die Unternehmensanleihe nicht als PRIP qualifiziert.

– Etwas anderes gilt bei einem Zinsindex dann, wenn über die unmittelbare Bindung an einen Zinsindex hinaus eine weitergehende Strukturierung, wie beispielsweise eine Höchst- oder Mindestverzinsung (mit Ausnahme eines Nullzinses), festgelegt ist.

– Ein interner Referenzwert, der emittenten- bzw. konzernbezogen ist, führt grundsätzlich nicht zur Einordnung als PRIP. Als interne Referenzwerte sind nach den Ausführungen der BaFin emittenten- oder konzernbezogene Gewinnkennzahlen, wie z.B. die Höhe des (Bilanz)Gewinns, das EBITDA oder auch der Dividendensatz, zu sehen.

– Bei einem Referenzwert, der nicht emittenten- oder konzernbezogen, sondern unabhängig ist, wird die Unternehmensanleihe regelmäßig als PRIP angesehen.

Umtausch- oder Bezugsrecht auf andere Wertpapiere: Solche Unternehmensanleihen sind nach den Ausführungen der BaFin als PRIP zu qualifizieren. Der Rückzahlungsbetrag unterliegt im Falle der Ausübung des Wandlungsrechts bzw. der Option Schwankungen aufgrund der Abhängigkeit von der Entwicklung eines Vermögenswertes, der nicht direkt erworben wird.

Es ist ein wirklicher Spagat zwischen Anlegerschutz, Aufwand für Emittenten und dem Interesse, dass Kleinanleger ihr Kapital informiert am Kapitalmarkt anlegen. Die Klarstellungen dürften aber helfen, Unternehmensanleihen einzuordnen.