Law Corner: OLG München – keine Prozessfähigkeit der Anleihegläubiger nach Bestellung eines gemeinsamen Vertreters

Dr. Lutz Pospiech & Josepha Rüberg, GÖRG

Der Law Corner Beitrag von Dr. Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, und Josepha Rüberg, Associate, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München.

In seinem Urteil vom 12.7.2018 hat das OLG München klargestellt, dass den Anleihegläubigern zur prozessualen Geltendmachung ihrer Rechte die Prozessfähigkeit fehlt, soweit sie gem. § 14 Abs. 1 SchVG 1899 einen gemeinsamen Vertreter zu deren Geltendmachung ermächtigt und die Befugnisse einzelner Gläubiger zur selbständigen Geltendmachung gem. § 14 Abs. 2 SchVG 1899 ausgeschlossen haben.

Urteil des OLG München (Az. 23 U 2382/17)
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt forderte die Klägerin die Zahlung einer vermeintlich endfälligen Anleihe. Zuvor wurde in einer AGV neben einer Verlängerung der Laufzeit der Anleihe die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters beschlossen: Dieser sollte alleine zur Geltendmachung der Rechte der Anleihegläubiger berechtigt sein. Die selbständige Geltendmachung der Rechte durch die Anleihegläubiger wurde gem. § 14 Abs. 2 SchVG 1899 ausgeschlossen.

Das OLG München hatte die Frage zu klären, ob auch die prozessuale Geltendmachung der Gläubigerrechte von den auf den gemeinsamen Vertreter übertragenen Befugnissen umfasst ist.

Ausschließliche Prozessfähigkeit des gemeinsamen Vertreters
Das OLG München verneint die Prozessfähigkeit des klagenden Anleihegläubigers. Aufgrund seines verdrängenden Mandats sei nur der gemeinsame Vertreter zur prozessualen Geltendmachung von Gläubigerrechten befugt. Dieser sei umfassend und ausschließlich zur Geltendmachung „der Rechte“, also aller Rechte, der Gläubiger gegenüber dem Schuldner ermächtigt. Dazu gehöre insbesondere auch die gerichtliche Verfolgung von Ansprüchen.

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Wenn die AGV die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters beschließt, müsse zwar nach § 14 Abs. 1 SchVG 1899 zugleich der Umfang seiner Befugnisse bestimmt werden. Doch folge daraus indes nicht, dass jede Handlung einzeln zu bezeichnen sei, zu deren Vornahme er ermächtigt wird. Vielmehr sei aus dem Inhalt des Bestellungsbeschlusses ggf. im Wege der Auslegung zu ermitteln, wieweit sich zu dessen Ausführung die Ermächtigung des gemeinsamen Vertreters erstrecke.

Für eine weite Auslegung der Befugnisse des gemeinsamen Vertreters als ein umfassendes Mandat spreche u.a. auch die Haftungsbegrenzung des gemeinsamen Vertreters auf 1 Mio. EUR, die nicht notwendig gewesen wäre, hätte er von der AGV nur die gesetzlich vorgesehenen Rechte übertragen bekommen sollen.

Entgegen der Auffassung des klagenden Anleihegläubigers könne nicht von einer auf drei Jahre befristeten Amtsdauer des gemeinsamen Vertreters ausgegangen werden. § 14 Abs. 2 SchVG 1899 verweise gerade nicht auf § 11 Abs. 1 SchVG 1899, der die Geltungsdauer eines die Gläubigerrechte einschränkenden Gläubigerbeschlusses auf drei Jahre begrenzt.

Fazit
Das OLG München steht in einer Linie mit der Rspr. des BGH zur umfassenden Reichweite des Mandats des gemeinsamen Vertreters in der Insolvenz (Urteil v. 22.3.2018, Az. IX ZR 99/17, s. hierzu BondGuide Ausgabe 9/2018, S. 33). Hat ein gemeinsamer Vertreter ein umfassendes Mandat, so ist er stets auch zur gerichtlichen Geltendmachung von Gläubigerrechten befugt – unabhängig davon, ob innerhalb oder außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Um spätere Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Umfang der Vertretungsmacht schon im Bestellungs- und Ermächtigungsbeschluss möglichst konkret zu fassen.

Auch wenn die Entscheidung des OLG München zum „alten“ SchVG 1899 erging, sind deren Wertungen u.E. auf nach dem SchVG bestellte gemeinsame Vertreter übertragbar. Auch nach dem SchVG leiten sich außerhalb eines Insolvenzverfahrens diejenigen Befugnisse des gemeinsamen Vertreters, die über die gesetzlich geregelten Mindestaufgaben hinausgehen, allein aus der von den Anleihegläubigern beschlossenen Ermächtigung ab.

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