Mehr Markt wagen – ein Kommentar von Falko Bozicevic

Falko Bozicevic, BondGuide

Für das kommende Jahr dürfte eine Schlüsselfrage sein, wie viel Stagflation wir vertragen – und ob unter dem Strich nicht Deutschland davon innerhalb Europas am meisten profitiert. Nicht zum ersten Mal.

FED und EZB lieferten die erwarteten neuerlichen Zinsanhebungen. Statt 0,5 standen auch jeweils 0,75 Punkte im Raum. Dass sie nicht dazu griffen, deutet schon an, dass sie sich des Kipppunktes durchaus bewusst sind. Notenbanken befinden sich stets im Nachlauf (‚behind the Curve‘) und verpassen dann auch gern mal die nächste Kurve.

Es wäre nicht das erste Mal. Vorherige Krisenerfahrungen liefern hierbei eine gute Fahrbahnmarkierung, die gewisse Leitplanken bietet. Der US-Notenbank ist sicherlich noch gut in Erinnerung, wie sie zur DotCom-Krise um die Jahrtausendwende stets hinterher hechelte, übertrieb und am Ende eine – für damalige Verhältnisse – schwere Rezession je nach Auslegung entweder noch befeuerte oder gar hervorrief.

Dazu muss man sich in Erinnerung rufen, dass die FED anders als die EZB neben der Inflationsbekämpfung auch einen wirtschaftlichen Auftrag erfüllt: namentlich v.a. die Beschäftigungsquote im Auge zu behalten. Wie sie diesen Spagat hinbekommen soll, weiß höchstens sie selbst.

Explizit zumindest hat die EZB diesen nicht, dürfte allerdings nicht gänzlich frei davon sein, die Zentrifugalkräfte innerhalb Europas auf dem Radar zu behalten. Womöglich einen wirtschaftlichen Einbruch der Eurozone zu verursachen oder unnötig zu verstärken, wird sie mindestens im Hinterkopf haben, wenn es an die nächsten Entscheidungen geht. Schon hat sie nämlich zur milderen Waffe gewohnter Verbalakrobatik gegriffen, dem Markt durch weniger Anleihekäufe Liquidität zu entziehen zu wollen – Marktteilnehmer sollen sich halt nicht zu sicher fühlen. Wer’s glaubt.

Foto: © EKH-Pictures – stock.adobe.com

Nach jeder neuzeitlichen Krise nahm die wirtschaftliche Erholung bisher ab, bis man in die berühmte Stagflation mündet. Allerdings ging Deutschland im Vergleich zu fast allen europäischen Nachbarn sowohl aus der DotCom- als auch der Finanzkrise gestärkt hervor. Mehr als weniger spricht dafür, dass es dieses Mal nicht anders kommt.

Falko Bozicevic,
BondGuide

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