reconcept : „Inzwischen dürfte jedem klar sein, wie wichtig Energiesicherheit ist“

reconcept präsentierte kürzlich ihr neuestes Kapitalmarktprodukt: den Solar Bond Deutschland 2023/29 – ein probater Anlass für ein Update-Gespräch mit Geschäftsführer Karsten Reetz

Herr Reetz, die letzten Tage wurde eine neue Anleihe angekündigt, dieses Mal rein auf Solar in Deutschland fokussiert. Vielleicht können Sie uns das Projekt in eigenen Worten erläutern und war das ein konkreter Investorenwunsch?
Unser neuer Solar Bond Deutschland bietet die Möglichkeit, festverzinst in die Projektentwicklung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen in Deutschland zu investieren. Solarenergie in Deutschland ist ein enorm wachsender Markt. Solarstrom, also Photovoltaik, nimmt eine Schlüsselrolle bei der Energiewende ein. Die Gesamtkapazität von Solaranlagen von aktuell rund 60 Gigawatt soll bis 2030 bundesweit auf rund 215 Gigawatt ansteigen. Um diese neuen Ziele der Bundesregierung zu erreichen, ist der zügige Ausbau ein Muss. Energiekrise, Ukraine-Krieg, drohende Versorgungsengpässe – das hat den Schub für Solarenergie noch einmal beschleunigt. Und dies alles bietet ein attraktives Umfeld für Projektentwickler und Investoren. Hieran wollen wir unsere Anleger über unseren Solar Bond Deutschland teilhaben lassen.

Wo gibt es denn aktuell die attraktivsten Freiflächen für PV-Projekte hierzulande?
Interessante Freiflächen gibt es prinzipiell in allen Bundesländern. Die Weichen dafür sind von der aktuellen Regierung ja gestellt. Dies betrifft übrigens auch die Windkraft. Da wir unseren Hauptsitz in Hamburg und einen weiteren Standort in Berlin haben, konzentrieren wir uns vor allem auf die hochattraktiven Potenziale in Nord- und Ostdeutschland. Das gilt auch für den neuen reconcept Solar Bond Deutschland.

Wie war denn das aktuelle Jahr 2022 in punkto Sonne und Wind? – hatten wir zuletzt im Sommer drüber gesprochen. Mit dem ‚goldenen Oktober‘ jetzt dürfte die Bilanz doch sicher noch etwas besser ausfallen, oder?
Die Solarstrahlung während der Sommermonate war 2022 bereits sehr gut. Im Juni schien die Sonne in ganz Deutschland intensiver als im Mittel der 30 Jahre zuvor. Der sonnige Oktober könnte tatsächlich die Solarbilanz 2022 nochmals verbessern. Aber: Wenn die Sonne scheint, hat Wind doch eher Auszeit. Diese Underperformance bei der Windenergie wird jedoch durch die deutlich höher als erwarteten Strompreise kompensiert, zu denen Windparkbetreiber Windstrom verkaufen können. Insofern erwarten wir für das Jahr 2022 eine gute Produktionsbilanz für beide Technologien.

Ein Punkt, den wir in vergangenen Gesprächen nicht thematisiert hatten, sind Lieferketten. Eng verbunden damit die Rohstoffsicherheit. Gibt es denn genug Silizium, um die ehrgeizigen PV-Ausbaupläne in aller Welt überhaupt zu realisieren?
Der Rohstoff Silizium selbst stellt keinen Engpass dar. Aktuell geht es vor allem um die Förderung und die Verschiffung. Zum einen haben wir den Ukraine-Krieg, zum anderen die Null-Covid-Politik in China. Und China ist im Photovoltaik-Bereich enorm wichtig für die gesamte Welt. Andere Länder versuchen, die Lücke zu füllen, die aber selbst über zwei Jahre nach Beginn der Pandemie alles andere als geschlossen ist. Die Rohstoffe sind also verfügbar, kommen aber aufgrund der komplizierten politischen und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nur erschwert noch von A nach B.

Der Herr aus dem aktuellen Motiv der Werbung von reconcept

… und bei der Windkraft? Man hörte ja, dass einige Hersteller nicht liefern könnten. Oder sogar ihrerseits deswegen in Schieflage geraten sind.
Bei der Windkraft ist es ganz ähnlich. Diese benötigt vor allem Stahl, und auch der wird zu einem Großteil in China gefertigt. Insofern verwundert nicht, dass aktuell viele Komponenten fehlen und die Branchengrößen nicht oder nur teilweise liefern können. Hier gilt also das Gleiche: Sobald China zu einem vergleichsweise normalen Umgang mit Corona zurückfindet, dürfte sich der Knoten lösen.

Wasserkraft über Staudämme ist weltweit ziemlich ausgereizt, nicht aber die Gewinnung über Gezeitenkraftwerke. Woran liegt es, dass wir dort weltweit erst nur Pilotprojekte sehen?
Die Förderung der Technologie-Entwicklung wurde vernachlässigt. Obwohl wir doch jede technologische Innovation zur Energiegewinnung so dringend benötigen. Es bildet sich langsam eine Best-Practice-Technologie heraus. Wir sind aber in mehreren Ländern tatsächlich noch in der Pilotphase. Entsprechend kennt das Segment derzeit noch keinen Marktführer und kein Label, das man mit Gezeitenkraftwerken assoziiert. Das war bei der Windenergie übrigens nicht anders, bis erste Staaten angefangen haben, die neue Technologie konsequent zu fördern. Eine ausreichend hohe Förderung wie für Wind und Solar ist entscheidend für den wirtschaftlichen Einsatz von Gezeitenkraftwerken – bisher gibt es diese aber nur in Kanada. Und genau dort sind wir ja mit unserem Projekt aktiv und deshalb auch sehr zuversichtlich, was die weitere Marktentwicklung und unsere Wachstumsperspektiven im Segment Meeresenergie betrifft.

Karsten Reetz, reconcept GmbH

Gibt es im Bereich Wind- oder Solarkraft wie in der PC-Industrie denn auch ungeschriebene Gesetze wie etwa ‚Die Kapazität bzw. der Wirkungsgrad verdoppelt sich alle X Jahre‘?
Jedenfalls keine mir geläufigen. Ich will aber keineswegs ausschließen, dass es in zehn Jahren sogar onshore 15-Megawatt-Turbinen gibt. Bei Offshore-Anlagen bin ich mir sogar sicher, dass es 15 Megawatt und mehr sein werden. Auf jeden Fall wird es weiter voran gehen – das steht außer Frage. Nicht zuletzt seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs dürfte jedem klar sein, wie wichtig Energiesicherheit ist. Wenn man eine Technologie so dringend benötigt wie jetzt Wind und Solar, sind weitere Fortschritte nur eine Frage der Zeit.

Herr Reetz, ganz herzlichen Dank an Sie für Ihre neuerliche Zeit und die nochmals vertiefenden Einblicke!

Interview: Falko Bozicevic