Pläne der Ampelkoalition im Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

Dr. Daniel Rubner (li), Dr. Lutz Pospiech, GÖRG

Law Corner von Dr. Daniel Rubner, Rechtsanwalt, Dr. Lutz Pospiech, Rechtsanwalt, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München

In ihrem Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ vom 7.12.2021 führen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eine Reihe geplanter Gesetzesänderungen für das Unternehmens- und Gesellschaftsrecht an. Die vorgesehenen wesentlichen Neuerungen werden im Folgenden überblicksmäßig skizziert.

I. Erleichterte Gründung von Gesellschaften
Generell soll die Digitalisierung des Gesellschaftsrechts vorangetrieben werden und hierdurch die Gründung von Gesellschaften erleichtert werden. Anknüpfend an § 2 III GmbHG (i.d.F. DiRUG), der ab dem 1.8.2022 die elektronische GmbH-Bargründung ermöglicht, sollen Beurkundungen per Videokommunikation auch bei Gründungen mit Sacheinlage und weiteren Beschlüssen ermöglicht werden (Koalitionsvertrag1, S. 111 f.).

Mit dem Ziel, Deutschland zu einem führenden Start-up-Standort in Europa zu machen, wird eine umfassende Start-up-Strategie eingeführt. U.a. sollen flächendeckend Anlaufstellen für die Gründungsberatung, -förderung und -anmeldung errichtet werden (One Stop Shops). Hier soll eine Unternehmensgründung innerhalb von 24 Stunden möglich sein (S. 30).

Der von der alten Bundesregierung aufgelegte Beteiligungsfonds für Zukunftstechnologien soll den Wagniskapitalmarkt auch für institutionelle Investoren öffnen und die Finanzierungslandschaft über eine flexible Modulausgestaltung gezielt ergänzen. Die Koalition will Börsengänge und Kapitalerhöhungen sowie Aktien mit unterschiedlichen Stimmrechten (Dual Class Shares) gerade auch für Wachstumsunternehmen und KMUs erleichtern und sich für eine stärkere Standardisierung von Prospekten einsetzen (S. 169 f.).

II. Neue Gesellschaftsformen
Zudem sollen neue Gesellschaftsformen wie sog. Sozialunternehmen eingeführt werden. Die Koalition will eine nationale Strategie für Sozialunternehmen erarbeiten, um gemeinwohlorientierte Unternehmen und soziale Innovationen stärker zu unterstützen sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientiertes Wirtschaften verbessern (S. 30).

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Ferner soll die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen eingeführt werden (S. 30). Der Leitgedanke hierbei ist die dauerhafte Bindung von Gesellschaftsvermögen. In dieser Rechtsformvariante der GmbH sollen Gesellschafter keinen persönlichen Zugriff auf die Gewinne der Gesellschaft haben. Gewinne sollen vielmehr in der Gesellschaft verbleiben und der langfristigen Weiterentwicklung des Unternehmens dienen, während die Verwaltungsrechte von Gesellschaftern ausgeübt werden, die sich als Treuhänder für künftige Generationen von Gesellschaftern verstehen. Die Koalition will dabei den Einsatz dieser Gesellschaftsform als Instrument zum Steuersparen vermeiden.

III. Online-HV
Vor dem Hintergrund der guten Erfahrungen mit virtuellen HV in den vergangenen beiden HV-Saisons sieht der Koalitionsvertrag vor, dauerhaft die Möglichkeit der Online-HV einzuführen. Gemeint ist die rein virtuelle HV wie zu Pandemiezeiten, nicht nur die bereits von § 118 I 2 AktG ermöglichte Online-Teilnahme von Aktionären. Anders als derzeit geregelt2 sollen aber die Aktionärsrechte künftig uneingeschränkt gewahrt werden (S. 112). Wie die Aktionärsrechte Insoweit konkret ausgestaltet werden, ist dem Koalitionsvertrag nicht zu entnehmen. Im Interesse der Rechtssicherheit wäre ein rascher Gesetzesentwurf zu begrüßen, damit nach dem Auslaufen der derzeitigen Regelungen am 31.8.2022 weiterhin auf die Möglichkeit der virtuellen HV zurückgegriffen werden kann.

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IV. Unternehmenssanktionen
Die Koalition will die Vorschriften über die Unternehmenssanktionen überarbeiten, insbesondere hinsichtlich der Sanktionshöhe. Unternehmen soll mehr Rechtssicherheit bei der Erfüllung der Compliance-Pflichten gegeben werden. Hierzu soll ein präziser Rechtsrahmen für interne Untersuchungen geschaffen werden, der Unternehmen bei der rechtskonformen Durchführung interner Untersuchungen unterstützen soll (S. 111).

V. Menschenrechte, Nachhaltigkeit
Zum Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten hat am Ende der vergangenen Legislaturperiode der Gesetzgeber das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verabschiedet. In Deutschland ansässige Unternehmen mit mehr als 3.000 Arbeitnehmern werden verpflichtet, ein lieferkettenbezogenes Risikomanagement für menschenrechts- und umweltbezogene Risiken einzurichten und weitere diesbezügliche Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Ab dem 1.1.2024 sinkt der Schwellenwert auf 1.000 Arbeitnehmer. Die neue Koalition kündigt die unveränderte Umsetzung und ggf. die Verbesserung des LkSG an (S. 34).

Die Koalition setzt sich zudem dafür ein, dass auf europäischer Ebene ein einheitlicher Transparenzstandard für Nachhaltigkeitsinformationen für Unternehmen gesetzt wird. Ökologische und ggf. soziale Werte sollen im Dialog mit der Wirtschaft in bestehende Rechnungslegungsstandards integriert werden. Unterstützt wird deshalb das Vorhaben der EU-Kommission, eine Corporate Sustainability Reporting Directive zu entwickeln (S. 170 f.).

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VI. Unternehmerische Mitbestimmung
Die neuen Regierungsparteien wollen schließlich dafür eintreten, auf europäischer Ebene die Unternehmensmitbestimmung weiterzuentwickeln (S. 72), sodass es nicht mehr zur vollständigen Mitbestimmungsvermeidung beim Zuwachs von SE-Gesellschaften kommen kann („Einfriereffekt“). Bislang stellt das Mitbestimmungsregime bei der SE auf den Zeitpunkt der SE-Gründung ab und gilt damit grundsätzlich fort: Muss die SE im Zeitpunkt der Unternehmensgründung keinen mitbestimmten Aufsichtsrat haben, ändert sich das nur in seltenen Ausnahmefällen.

Die Konzernzurechnung aus dem MitbestG soll auf das DrittelbG übertragen werden, sofern faktisch eine echte Beherrschung vorliegt (S. 72). Bisher ist bei einem faktischen Konzern mit mehr als 500, aber weniger als 2.000 inländischen Arbeitnehmern kein mitbestimmter AR zu bilden, sofern die Zahl der Arbeitnehmer bei der Muttergesellschaft selbst nicht mehr als 500 beträgt. Eine Konzernzurechnung findet im DrittelbG nur statt, wenn eine Eingliederung oder ein Beherrschungsvertrag besteht (§ 2 II DrittelbG). Künftig sollen auch faktische Konzerne in den Geltungsbereich der 1/3-Mitbestimmung einbezogen werden.

VII. Betriebliche Mitbestimmung
Die betriebliche Mitbestimmung soll weiterentwickelt werden. Betriebsräte sollen selbstbestimmt entscheiden, ob sie analog oder digital arbeiten. Online- Betriebsratswahlen sollen in einem Pilotprojekt erprobt werden. Die Behinderung der Mitbestimmung soll künftig als Offizialdelikt eingestuft werden (S. 71). Bisher werden Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder nur auf Antrag verfolgt (§ 119 I, II BetrVG). Europäische Betriebsräte sollen gefördert und weiterentwickelt werden (S. 134).

VIII. Fazit
Die neue Koalition knüpft vielfach an Ziele und bereits umgesetzte Projekte der vorherigen Bundesregierung an. Bürokratische Errungenschaften der vergangenen Legislaturperiode sollen beibehalten bzw. weiterentwickelt werden. Zu begrüßen ist die angestrebte Digitalisierung des Unternehmensrechts und die Erleichterung von Unternehmensgründungen. Diese Vorhaben sollten schnell in die Tat umgesetzt werden.

1) Sämtliche nachfolgende Seitenangaben beziehen sich auf den Koalitionsvertrag vom 7.12.2021.

2) Vgl. § 1 I, II und VII des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG).

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