BGH: kein Vergütungsanspruch des nach Insolvenzeröffnung bestellten gemeinsamen Vertreters gegen einzelne Anleihegläubiger

Lutz Pospiech, RA, GÖRG

Law Corner von Dr. Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München

In zwei Urteilen vom 21.1.2021 hat der BGH entschieden, dass ein nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Anleiheemittenten bestellter gemeinsamer Vertreter (gV) aller Anleihegläubiger ohne gesonderte Vereinbarung keinen Vergütungsanspruch gegen einzelne Anleihegläubiger hat.

Nach § 19 II 1 SchVG können Anleihegläubiger auch nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten durch Mehrheitsbeschluss einen gV zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren bestellen. Zu diesem Zweck hat das Insolvenzgericht eine Anleihegläubigerversammlung einzuberufen. Das Rechtsverhältnis zwischen den Anleihegläubigern und einem gV richtet sich grundsätzlich nach dem Auftragsrecht (§§ 675, 667 ff. BGB); die Vergütung des gV ist in § 7 VI SchVG gesondert geregelt.

Urteile des BGH (Az. IX ZR 77/20 und IX ZR 89/20)
In den beiden Entscheidungen des BGH vom 21.1.2021 zugrundeliegenden Sachverhalt wurde der Kläger erst nach Insolvenzeröffnung durch Mehrheitsbeschluss zum gV bestellt. Er hat dann u.a. die Ansprüche der Anleihegläubiger – auch die der beiden Beklagten – zur Insolvenztabelle angemeldet. Anschließend hat der gV von den beklagten Anleihegläubigern jeweils eine nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes bemessene Vergütung verlangt. Nachdem bereits die Vorinstanzen die Klagen abgewiesen hatten, verneinte auch der BGH einen Anspruch des gV gegen die einzelnen Anleihegläubiger.

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Vergütungsregelung des § 7 VI SchVG
Der BGH stellt in seinen Urteilen maßgeblich auf die gesonderte Vergütungsregelung in § 7 VI SchVG ab, wonach die durch die Bestellung des gV entstehenden Kosten und Aufwendungen einschließlich seiner angemessenen Vergütung der Emittent zu tragen hat. Dieses gelte auch dann, wenn ein gV erst nach Insolvenzeröffnung bestellt worden sei.

Das SchVG ermögliche, durch Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger nach Maßgabe der §§ 5 ff. SchVG die Bedingungen einer Anleihe zu ändern und/oder einen gV zu bestellen – mit bindender Wirkung für sämtliche Anleihegläubiger. Eine Bestimmung, nach der die Vergütung eines so bestellten gV abweichend von § 7 VI SchVG anteilig von den Anleihegläubigern oder als Gesamtschuldner zu tragen wäre, sei im SchVG nicht enthalten. Hingegen gebe § 5 I 3 SchVG ausdrücklich vor, dass weitere Leistungspflichten eines Anleihegläubigers durch einen Mehrheitsbeschluss nicht begründet werden können.

Einen Anleihegläubiger als Fremdkapitalgeber treffe ferner lediglich das kapitalmarkttypische Risiko des Kapitalverlustes, eine etwaige Nachschusspflicht bestehe für ihn aber nicht.

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Gemeinsamer Vertreter als Neugläubiger
Der BGH stellt indes auch klar, dass die Vergütung des gV nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zählt. Dieser sei auch keine Masseverbindlichkeit. Wenn ein gV erst nach Insolvenzeröffnung bestellt wird, könne der Vergütungsanspruch auch nicht als Insolvenzforderung zur Tabelle angemeldet werden, weil er im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch gar nicht begründet war. Der gV sei mit seinem Vergütungsanspruch Neugläubiger, dem der Emittent nur mit seinem insolvenzfreien Vermögen hafte (§ 89 II InsO). Vor diesem Hintergrund ist die Durchsetzung des Vergütungsanspruchs des erst nach Insolvenzeröffnung bestellten gV mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und dürfte kaum gelingen. Es sei jedoch Sache des Gesetzgebers, für eine bessere Absicherung des Vergütungsanspruchs des gV im Insolvenzverfahren zu sorgen.

Fazit
Die vom BGH ins Feld geführte Möglichkeit des nach Insolvenzeröffnung bestellten gV, vertragliche Vergütungsvereinbarungen mit den einzelnen Anleihegläubigern abzuschließen, dürfte sich in der Praxis oftmals nur schwer umsetzen lassen. Zielführender für den gV bleibt regelmäßig eine Vergütungsvereinbarung mit dem jeweiligen Insolvenzverwalter: Wenn mit Blick auf die Insolvenzmasse die Mitwirkung eines gV angezeigt ist – sofern also die Vorteile der Einbeziehung eines gV dessen Kosten aufwiegen – kann durch eine entsprechende Vergütungsvereinbarung mit dem Insolvenzverwalter eine Masseverbindlichkeit des gV begründet werden, die vor den Insolvenzforderungen bedient wird.

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