Was mich ärgert, entscheide ich – Eine Anleitung für ein ärgerreiches Leben

Ärger ist etwas sehr kostbares. Denn wer sich über andere ärgert, spürt Lebendigkeit. Gelassenheit hingegen ist langweilig und hat etwas von Tod – nur vorher. Doch nicht alle können Ärger. Manche brauchen eine Anleitung, wenn sie es von ihren Eltern nicht gelernt haben. Von Philipp Karch

Was kannst du alles tun, um dich möglichst oft, möglichst lang und möglichst heftig zu ärgern? Ich habe fünf Anregungen für dich.

Anregung 1: Entscheide dich für ungünstigen Ärger
Es gibt günstigen und ungünstigen Ärger. Günstiger Ärger ist jener, der dir hilft, in schwierigen Situationen aufzubegehren. Wie eine Art Katalysator hilft er dir, in Erscheinung zu treten und dich gegen Unrecht zu wehren. Das Gute am günstigen Ärger: Er trägt zu Lösungen bei. Das Schlechte: Mit der erfolgreichen Bewältigung löst sich der Ärger selbst auf. Er ist quasi ein Opfer seines eigenen Erfolgs. Dadurch ist er nicht nachhaltig. Er ist vergänglich.

Wähle daher besser ungünstigen Ärger. Denn der bleibt. Wenn du geschickt bist, für immer. Es ist ein Ärger, der im Außen nichts bewirkt, weil du im Außen nichts tust. Ungünstiger Ärger ist jener, der dir hilft, dich zu verstecken. Halte dich zurück und vermeide Auseinandersetzung. Unterwerfung ist dein Motto und „win-lose“ deine Haltung – mit „Du lose“ und „Die anderen win“. Und genieße den sich selbst erhaltenden ungünstigen Ärger als wunderbare Energie- und Zeitverschwendung.

Anregung 2: Unterstelle Übles
Du bist im Dialog, sprichst in das Gesicht deines Gegenübers. Schon seit zwei oder drei Minuten. Doch der scheint sich nicht zu freuen. Guckt einfach nur. Man könnte jetzt annehmen, er konzentriere sich oder er fokussiere auf bestimmte Aussagen. Kann man machen. Aber wenn du das machst, kannst du dich ja nicht mehr ungestört ärgern.

Nimm viel eher an, dass er gelangweilt ist oder an etwas Anderes denkt oder zu doof ist, dir zu folgen. Diese abwertenden Gedanken deines Gegenübers führen zu direktem Ärger. „Wie kann der nur …?“ – ein herrlicher Ärgervorwurf, den du schön für dich behältst, damit du von ihm nichts Anderes erfährst, was deinen Ärger gefährden könnte. Oder mach es noch größer: Normalerweise würde er schon zuhören, gerade bei dem Thema, aber halt nicht bei dir, denn du bist langweilig oder inkompetent oder hast Mundgeruch oder was auch immer. Sei kreativ, finde gute Gründe, die dich kleinmachen. Erniedrige dich, indem du einsiehst, dass es der andere mit dir nicht gutmeinen kann. Dein Motto: „Ich habe es einfach nicht verdient, gut behandelt zu werden, und der andere führt garantiert etwas im Schilde.“ Wenn du so Menschen begegnest, ist jede Begegnung eine Ärger-Gelegenheit. Und je mehr Ärger, desto mehr Lebendigkeit.

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