Werder Bremen: „Nicht nur gesundet, sondern wieder sehr gut aufgestellt“

Zur Emission der zweiten Anleihe von Werder Bremen sprach BondGuide erneut mit Klaus Filbry, dem Vorstand der Geschäftsführung der Hanseaten.

BondGuide: Herr Filbry, als wir vor ziemlich genau vier Jahren anlässlich der Werder-Debütanleihe miteinander sprachen, war der SVW in der 1sten Bundesliga, aber es waren noch vier oder fünf Spieltage zu spielen… Wie steht der SV Werder Bremen heute im Vergleich zu Mitte 2021 da, was damals ja im Abstieg endete?
Filbry: Wir hatten seinerzeit zwei schwierige Themen zu verdauen: zum Einen sportlich den ersten Abstieg unserer Vereinsgeschichte, zum Anderen die Pandemie mit ihren ebenfalls finanziellen Konsequenzen. Beides machte jeweils rund 40 Mio. EUR aus. Ich habe damals die Metapher verwendet, Werder sei ein Patient auf der Intensivstation, der sich in einer kritischen Verfassung befindet. Heute sind wir nicht nur gesundet, sondern auch wieder sehr gut aufgestellt. Sportlich und auch finanziell können wir nicht klagen: Ich möchte behaupten, es geht uns heute deutlich besser als bei unserem Gespräch 2021.  

BondGuide: War die eine Saison in der 2ten Bundesliga unter dem Strich sogar ganz heilsam, um die Kostenstruktur eines Clubs neu aufzusetzen, oder springt diese bei Wiederaufstieg sofort zurück auf den Status-quo-ante?
Filbry: Dass man sich im Falle eines Abstiegs quasi gesundschrumpft und nach einem Aufstieg ist alles besser als vorher: Das stimmt so leider nicht. Wir spüren noch heute die Nachwirkungen in der TV-Vermarktungs-Tabelle. Wir haben zum Beispiel heute 20 Mio. EUR an TV-Geldern weniger als in der letzten Saison vor dem Abstieg. Natürlich kann ein Abstieg auch lehrreich sein, wenn man ihm denn schon etwas Positives abgewinnen möchte – sofern man ihn dann gleich nach einer Saison auch wieder begradigt. Wir konnten den Spieleretat von 47 am Ende der Abstiegssaison auf 18 Mio. EUR in der 2ten Liga herunterfahren. Also, nein: Wenn ich kann, würde ich auf jeden Abstieg gern verzichten.

BondGuide: 2021 stieg Werder ja gemeinsam mit Schalke ab und ein Jahr später gemeinsam mit Schalke auch wieder auf. Doch dann lief die Entwicklung stark auseinander. Was hat Werder anders gemacht bzw. anders machen können?
Filbry: Der große Unterschied war sicherlich, dass wir schon in der Abstiegssaison 2020/21 variabilisierte Spielerverträge hatten und fast überall das Niveau auf 2te Bundesliga zuurückfahren konnten. Frank Baumann, damals Geschäftsführer Fußball, hat es zudem geschafft, gute Transfererlöse zu erzielen und gleichzeitig einen Kader beizubehalten, der ambitioniert genug für einen direkten Wiederaufstieg blieb. Einige dieser Spieler sind noch heute Kern unseres Kaders. Dies alles hat uns Kontinuität und Stabilität verliehen, von der wir aktuell profitieren – und unseren Trainer Ole Werner wollen wir dabei nicht vergessen, der seit über drei Jahren bei uns einen Top-Job macht.

Hat gut Schmunzeln: Werder-Trainer Ole Werner

Hat gut Schmunzeln: Werder-Trainer Ole Werner – könnte derzeit kaum besser laufen

„Das Momentum im Bereich Frauenfußball wollen wir unbedingt nutzen und den Bereich weiterentwickeln.“

BondGuide: Der Emissionserlös der neuen Anleihe soll natürlich klar die Altanleihe refinanzieren, aber auch etwas für die Wachstumsfelder Frauenfußball, Digitalisierung und KI stärken. Wo genau kommt der SVW denn mit Digitalisierung wie auch insbesondere KI in Kontakt?!
Filbry: Die KI kommt mehr und mehr im Bereich Datenanalyse zum Einsatz. Datenanalyse wiederum führt zu fundierteren Entscheidungen z.B. beim Scouting oder der Belastungssteuerung. Und das nicht nur bei den Männern. Frauenfußball gewinnt mehr und mehr an Momentum und wird meines Erachtens nach und nach die gleichen Schritte der Professionalisierung durchlaufen wie einst bei den Herren. Unsere Werder-Frauen standen am 1. Mai zum ersten Mal im DFB-Pokalfinale und auch wenn sie verloren haben, haben sie vor über 45.000 Zuschauenden Geschichte geschrieben. Ab 13. Mai steht eine Vietnam-Reise der Frauen an, bei dem sie als erstes deutsches Frauenteam gegen die vietnamesische Nationalmannschaft antreten werden. Dieses Momentum wollen wir unbedingt nutzen und den Bereich weiterentwickeln.

„Natürlich stehen einem internationalen Spielgeschäft Reisekosten gegenüber, aber auch Boni bei den Gehältern und nicht zuletzt Investitionen in Kaderbreite und -tiefe.“

Die üblichen Verdächtigen a.k.a. Werder-Legenden

Die üblichen Verdächtigen a.k.a. Werder-Legenden

BondGuide: Bis zu Platz 6, der Conference-League-Quali, sind es drei Punkte, bis zur Europa-League vier und zur Champions League wohl etwas zu schwierige 4 ½ [Punkte + Tordifferenz] bei noch zwei Spielen. Wie viel Geldsegen bedeuten Gruppenphase Conference- bzw. Euro-League eigentlich?
Filbry: Lassen Sie mich vorwegschicken, dass wir selbst falls wir keine internationale Platzierung erreichen, eine aus unserer Sicht sehr ordentliche Saison spielen. Ein Ziel können wir hierbei noch erreichen, nämlich die Verbesserung in der 5-Jahres-Tabelle der TV-Gelder. Wie erwähnt, müssen wir da noch einiges an Boden wieder gutmachen. Eine internationale Teilnahme bedeutet Erlöse über die UEFA wie auch über die eigenen Zuschauereinnahmen, aber auch über Sponsoren-Boni. Alles zusammen würde ich Pi mal Daumen die Conference League bei ca. 10 Mio. EUR Mehrerlösen sehen, die Europa League bei 12 bis 15 Mio. und die Champions League bei 20 bis 25 Mio. Natürlich stehen dem Reisekosten gegenüber, aber auch Boni bei den Gehältern und nicht zuletzt Investitionen in Kaderbreite und -tiefe.

BondGuide: Und wenn Sie sich entscheiden müssten, Qualifikation international versus Durchmarsch ins DFB-Pokalfinale nächste Saison: Was würden Sie wählen?
Filbry: Da kann ich mich nicht entscheiden – unsere Zielsetzung bleibt sowohl als auch. Natürlich möchten wir gern einmal wieder ins DFB-Pokalfinale, aber Flutlichtspiele unter der Woche im Weserstadion eines Tages sollten auch unser Anspruch sein. Mittelfristig.

Werder Bremen Anleihe 2021/26

Werder Bremen Anleihe 2021/26

„Flutlichtspiele im Weserstadion unter der Woche sollten eines Tages auch wieder unser Anspruch sein. Mittelfristig.“

BondGuide: Eine gute Steilvorlage: Angenommen, Werder qualifiziert sich für das internationale Geschäft durch Platz 6 oder 5 diese Saison: Ist dann automatisch die Zielvorgabe für die nächste Saison auch höher statt nur ‚nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben‘?
Filbry: Unsere Absprunghöhe verändert sich nicht von einem Jahr aufs nächste, jedenfalls nicht automatisch durch eine gute Vorsaison. Primärziel ist stets, fester Bestandteil der 1sten Bundesliga zu sein. Natürlich möchten wir uns auch weiterentwickeln, wenn denn irgendwie und so weit wie möglich. Es wäre kein Drama, wenn wir nach einem Platz 8 in der nächsten Saison mal nur Platz 10 oder 12 erreichen. Solange wir eine Entwicklung oder Superkompensation erkennen können, wird sich niemand darüber beschweren, denn wir erkennen vollauf an, dass z.B. die 47 Punkte, die wir derzeit schon haben zwei Spieltage vor Schluss, sehr, sehr hart erkämpft wurden. Also nein: 50 Punkte als Ziel für die neue Saison werden Sie nicht von uns hören.

BondGuide: Ihr langjähriger Geschäftsführer Fußball Frank Baumann hatte auch Anteile an dem sogenannten regionalen Bündnis. Mit Wechsel zu Schalke wandern seine Anteile. Was ist dieses regionale Bündnis eigentlich?
Filbry: Das regionale Bündnis ist eine Gruppe von Bremern und Bremer Kaufleuten, die sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen haben, das, ohne eine konkrete Renditeerwartung, als Minderheitsgesellschafter 38 Mio. EUR investiert hat. Es handelt sich um ein Investment, aber verbunden mit einer emotionalen Komponente, jedoch eben auch nicht wie eine Anleihe. Im Zuge der Beteiligung haben wir den Aufsichtsrat der Kommanditgesellschaft von sieben auf neun erweitert, so dass diese Interessengruppe ihrerseits zwei Mandate besetzen konnte. Das Bündnis bleibt im Hintergrund, mischt sich operativ nicht ein und tätigt auch keine medialen Auftritte, sondern ist für uns ein strategisch-inhaltlicher Sparrings-Partner von Gleichgesinnten.

Klaus Filbry, Werder Bremen

Klaus Filbry, Werder Bremen

BondGuide: Herr Filbry, ganz herzlichen Dank an Sie für die spannenden Einblicke!

Interview: Falko Bozicevic

*) Klaus Filbry ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Werder Bremen.

Alle Fotos: @SVW / Werder Bremen

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