Sport ist doch eigentlich Entertainment, Fun und Zeitvertreib? Ja, aber zahlreiche Clubs über alle Sportarten hinweg haben Umsätze in dreistelliger Millionenhöhe. Wie steht es da in punkto Nachhaltigkeit und ESG? – dafür braucht es einen unabhängigen Blick von außen. BondGuide im Gespräch mit Christian Hartmann von The Global Sustainability Benchmark in Sports (GSBS)*
Herr Hartmann, vielleicht zur Einführung in eigenen Worten: Was macht die GSBS?
GSBS, das steht für Global Sustainability Benchmark in Sports. Zu deutsch: Wir analysieren und bewerten die Nachhaltigkeitsambitionen von Profisport-Clubs – über viele Sportarten hinweg, nicht nur exklusiv Fußball. Im Kern erstellen wir anhand eines sehr umfangreichen Fragebogens mit über 1.700 Datenpunkten ein umfassendes Nachhaltigkeitsrating der Clubs. Unser Fokus liegt dabei auf den beiden großen Sportmärkten Nordamerika und Europa. Aber nicht nur. Es sind auch Exoten wie ein Cricket-Club aus Dubai oder ein Fußball-Verein aus Brasilien darunter. Unser Ziel ist es ganz allgemein, das ESG-Konzept aus der Finanzindustrie in die Sportwelt zu übertragen.
Und ihre Rating-Aktivitäten funktionieren?
Die großen Sportclubs sind heute alle Business-Unternehmen. Auf dem Spielfeld mag es vordergründig um Sport und Entertainment gehen, aber abseits davon ist die gesamte Unternehmung auch auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet, mit vielen Hunderten oder teilweise Tausenden Mitarbeitenden, die hinter den großen Vereinen abseits des Spielfelds arbeiten. Und in der Wirtschaft allgemein spielt das Thema ESG mittlerweile eine tragende Rolle. Unser Rating für die Clubs ist da ein großer Faktor, wenn Investoren oder Finanzdienstleister auf die Vereine schauen.
Wie kamen Sie schließlich auf die Idee, die Sportindustrie in dieser Hinsicht zu bewerten?
Der Fokus auf die Sportindustrie erscheint speziell, aber auch sie trägt Verantwortung zur Transparenz in punkto ESG- und Nachhaltigkeitsbemühungen – umso mehr, als sie doch die besondere Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit genießt und in vielerlei Hinsicht eine Vorbildfunktion erfüllt. Wir sind mit einigen der größten internationalen Clubs gestartet. Heute lassen sich mehr als 300 Clubs von uns begutachten. Dabei gibt es aber Unterschiede: Wir bewerten die Clubs anhand eines Fragebogens. Die Vereine können uns dabei aktiv Daten zur Verfügung stellen oder wir müssen sie selbst zusammensuchen. Ohne aktive Mitwirkung steigt der Recherche-Aufwand beträchtlich. Mit deutschen Fußballclubs wie z.B. Borussia Dortmund, die ja ohnehin aktiennotiert ist, Schalke 04 oder VfL Wolfsburg arbeiten wir kooperativ zusammen. Und man muss auch sagen: Mittlerweile haben die großen Clubs überwiegend ein Interesse daran.
Wovon hängt diese Mitwirkungsbereitschaft ab Ihrer Erfahrung nach?
Einerseits ist es der Druck in Sachen ESG und Nachhaltigkeit, den Sportvereine mittlerweile genauso spüren, wie andere Unternehmen. Hinzu kommt: International sind mehr Clubs börsennotiert als hier in Deutschland. Insofern ist die Datenlage besser, außerdem reporten gelistete Unternehmen ohnehin engmaschig. Vor diesem Hintergrund gibt es weniger Gründe, sich einer aktiven Mitwirkung zu entziehen. Im Gegenteil: Es ist viel leichter, die Daten bereitzustellen. Meine persönliche Erfahrung ist zudem, dass es stark auf die personelle Besetzung in einem Verein ankommt.
Einige Vereine wie besagte Borussia Dortmund oder Juventus sind mir als börsennotiert natürlich geläufig. Wie haben die auf Ihr ‚Quasi-Ultimatum‘ sie zu raten – mit oder ohne Mitwirkung – reagiert?
Anfangs hatten wir Lampenfieber und haben uns gefragt, wie z.B. eine Juventus Turin auf die Übersendung unseres vielseitigen Fragebogens reagieren würde. 1.700 Datenpunkte mit teils tiefgehenden Fragen – das erfordert viel Aufwand. Wir waren auf alles vorbereitet, von null Reaktion bis zu Empörung. Aber letztlich hatten wir größtenteils sehr positive Resonanz. Juventus zum Beispiel hat unseren Fragebogen ausgefüllt zurückgesendet – ohne Murren.
Es dürfte aber auch ganz andere Beispiele geben.
Na klar, wie gesagt, ist es für jeden Club ein enormer Aufwand, die Daten zusammenzutragen. Bei manchem heißt es, es sei zu viel, was wir verlangen, zu aufwendig zu erstellen, oder man habe die gewünschten Daten gerade nicht. Wir haben unser jährliches Rating jetzt zum vierten Mal gemacht, was man als einigermaßen etabliert bezeichnen könnte. Und wenn man die gestiegene Zahl der bewerteten Clubs wie auch die der Mitwirkenden als Gradmesser nimmt, kann man sagen: Es ist nicht zu viel und nicht zu aufwendig.
Das GSBS-Rating ist kostenlos. Dem Setup nach, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Wie finanziert sich denn Ihre Organisation?
Wir sind im Kern eine Art NGO, das bedeutet, dass wir keine vorwiegende Gewinnabsicht verfolgen. Heute unterstützen uns viele ehemalige Sportgrößen. Profitabel ist das aber bisher natürlich nicht. Wir halten die Idee eines verbindlichen Ratings im Sport aber für so wichtig, dass wir es trotzdem machen. Zukünftig ist unser Ziel aber schon, zumindest kostendeckend zu arbeiten bzw. Erlösquellen zu erschließen.
Und damit findet man auch Mitarbeitende und Mitwirkende?
Sie werden sich wundern: Sobald wir eine Stellenanzeige auf z.B. LinkedIn rausgeben, werden wir geflutet mit Bewerbungen von Menschen, die etwas bewirken möchten. Aber auch von Unternehmen. Interesse sehen wir beispielsweise bei Versicherungsunternehmen. So ein Stadion hat einen ganz schönen Wert. Also stellt sich die Frage, ob man Versicherungsprämien nicht zumindest teilweise an Nachhaltigkeits- und Vorsorgebemühungen koppeln könnte. Da eröffnen sich viele neue Betätigungsfelder, wenn man endlich Sportvereine nüchtern wie ‚normale‘ Unternehmen betrachtet. Auch wir selbst müssen inzwischen nachrüsten: Wir können unseren Fragebogen nicht ewig mit Excel-Sheets abbilden. Wenn wir skalieren wollen und die Adresse für ein verbindliches Rating für alle Profi-Sportclubs sein wollen, müssen wir da professioneller werden.
Der Kollege neben Ihnen auf Ihrer Webseite hat mein Interesse erweckt: Sein Jobtitel lautet ‚Senior Advisor GreenWashing & Reporting‘. Wie gravierend ist das Thema Ihrer dezidierten Erfahrung nach?
Ohne Namen zu nennen, sehen wir zu viele Unternehmen, hier also Clubs, deren aktuelle Aktivitäten nicht im Einklang mit dem stehen, was sie einst angekündigt hatten. Man mag das nicht unmittelbar im Rating sehen können. Aber wir können bewerten, wie gut die Kommunikation ist, indem wir sie mit den effektiven Daten abgleichen. Eine Erfahrung ist, dass die am niedrigsten hängenden Früchte einer CO2-Reduktion gleich am Anfang eingefahren werden. Danach wird es schwieriger, Ziele zu erreichen und damit weiter am Ball zu bleiben. Daher ist nach anfänglichen Erfolgen oftmals ein Abflachen oder gar Abfallen in den Bemühungen zu sehen. Also schauen wir nicht nur auf absolute Zahlen, sondern ob wenigstens der Trend noch stimmt und inwiefern er mit der Kommunikation übereinstimmt. Tut er es gar nicht mehr, sprechen wir möglichst nicht gleich von GreenWashing, sondern von Misleading Communication. Jeder darf gerne seine ESG-Bemühungen herausstellen, aber früher oder späten sollten diese auch durch effektive Daten belegt werden.
Im Report von 2023 landete die Borussia aus Dortmund auf Platz 2 aller Ratings, punktgleich übrigens mit der Formel E. Was gefällt in punkto Nachhaltigkeit, das andere heimische Fußballclubs nicht haben?
Als seit vielen Jahren börsengelistetes Unternehmen hat die Borussia einen entsprechenden Transparenzvorsprung. Nehmen wir den Vergleich zum Umsatzprimus FC Bayern: In der Vergangenheit fehlte uns bei den Bayern der Zugang zu vielen Daten, also mithin die Belegbarkeit etwaiger ESG-Bemühungen. Das hat sich in diesem Jahr schon verbessert. Aber: Bei Dortmund Borussia stimmen die allermeisten Daten, deren Trend seit Jahren in die richtige Richtung zeigt – und sie können das auch mit harten Zahlen belegen.
Bei v.a. den amerikanischen Football-Clubs sinkt die Umwelt-Bilanz Richtung Null. Was genau wird moniert? – nur aus Neugier…
Wir haben in den USA ganz andere Offenlegungs-Vorgaben. Die allermeisten Clubs sind hier private Unternehmen im Besitz von Milliardären. Der Markt ist dem europäischen weit hinterher. Daten sind ganz schwer oder gar nicht verfügbar. Einige haben immerhin einen Social Impact Report. Aber auch der ist nicht mit europäischem Reporting oder gar Nachhaltigkeits-Management zu vergleichen. Es ist nicht so, dass sie uns diese Daten nicht zur Verfügung stellen wollten – sie haben sie schlicht nicht. Die nordamerikanischen Clubs hängen sich in ESG-Belangen gern an die Kommunikation ihrer jeweiligen Liga an, aber individuell wird praktisch nichts vorangetrieben. Da dort kein äußerer Zwang dazu besteht. Letztlich steckt das gesamte Thema dort noch in den Kinderschuhen.
Herr Hartmann, ganz herzlichen Dank an Sie, für Ihre Zeit sowie für Ihre spannenden Einblicke!
Interview: Falko Bozicevic
*) Christian Hartmann ist Gründer und CEO von The Global Sustainability Benchmark in Sports (GSBS). Mit der Gründung von GSBS im Jahr 2021 vereinte er seine beiden Leidenschaften: Nachhaltigkeit und Sport. Zuvor hat er u.a. als ESG-Berater im Finanzwesen gearbeitet. Seinen Traum einer Profikarriere musste er in jungen Jahren verletzungsbedingt aufgeben. Stattdessen studierte er BWL in Sankt Augustin und Sports Management an der Hochschule von Real Madrid. Er ist verheiratet und lebt in London.
Hinweis: Der GSBS Report 2024 erscheint am 27.11.2024. Mehr Informationen unter www.thegsbs.org.
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