Neuordnung der Unternehmenssanktionierung in Deutschland

Die Law Corner zur Neuordnung der Unternehmenssanktionierung von Dr. Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, und Tobias Reichenberger, Associate, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München.

Am 16.6.2020 hat die Bundesregierung den Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ beschlossen und damit das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet. Herzstück dieses Artikelgesetzes ist das „Gesetz zur Sanktionierung von verbandbezogenen Straftaten (Verbandssanktionengesetz – VerSanG)“. Das VerSanG wird zu einer grundlegenden Neuausrichtung der Sanktionierung von Unternehmen in Deutschland führen – einschließlich einer drakonischen Anhebung des Sanktionsmaßes für große Unternehmen.

Bisherige Rechtslage

Bislang können Straftaten, die aus Unternehmen heraus begangen wurden, nur mit einer Geldbuße gegenüber dem Unternehmen nach Maßgabe des OWiG geahndet werden. Die Geldbuße ist auf maximal 10 Mio. EUR begrenzt (§ 30 OWiG); auch bei schweren Straftaten von Leitungspersonen in Unternehmen liegt die Verfolgung des Unternehmens grundsätzlich im Ermessen der Verfolgungsbehörden.

Regierungsentwurf des VerSanG – wesentliche Inhalte

Nach dem Regierungsentwurf (VerSanG-E) soll künftig die Sanktionierung von Verbandstaten der Regelfall werden:

Verbandstat und Verbandsverantwortlichkeit

Eine Verbandstat ist gemäß § 2 I Nr. 3 VerSanG-E eine Straftat, durch die Pflichten, die den Verband (Unternehmen, jur. Personen) treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte. Bei einer Verbandstat wird gemäß § 3 I VerSanG-E gegen den Verband eine Verbandssanktion verhängt, wenn die Verbandstat begangen wurde von (i) einer Leitungsperson des Unternehmens (z.B. Vorstände, Geschäftsführer, Prokuristen) oder (ii) einer sonstigen Person in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Verbands (Mitarbeiter, ggf. auch außenstehende Dritte), sofern eine Leitungsperson die Begehung der Tat durch angemessene Vorkehrungen (insb. ein Compliance Management System) hätte verhindern können.

Verbandssanktionen

Der VerSanG-E sieht zwei Arten von Sanktionen vor: Die Verbandsgeldsanktion und die Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt („Geldstrafe auf Bewährung“). Unternehmen mit einem (Konzern-) Umsatz bis zu 100 Mio. EUR können Verbandsgeldsanktion bei vorsätzlichen Taten i.H.v. 10.000 bis zu 10 Mio. EUR und bei fahrlässigen Taten i.H.v. 5.000 bis zu 5 Mio. EUR auferlegt werden.

Für Unternehmen mit einen (Konzern-) Umsatz von mehr als 100 Mio. EUR soll die Höchstgrenze 10% (bei Vorsatz) bzw. 5% des durchschnittlichen Konzernumsatzes der letzten drei Geschäftsjahre liegen.

Bei einer großen Anzahl an Geschädigten wird die Verbandssanktion öffentlich bekannt gemacht. Compliance Management System Durch das VerSanG erhält die Errichtung eines funktionierenden Compliance Management Systems (CMS) eine wichtigere Bedeutung. Ein CMS kann die Verbandsverantwortlichkeit nach § 3 I Nr. 2 VerSanG-E entfallen lassen. Außerdem kann ein wirksames CMS dazu führen, dass von der Fortführung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen oder lediglich eine Verwarnung ausgesprochen wird. Zudem ist ein CMS bei Verhängung einer Verbandsgeldsanktion sanktionsmildernd zu berücksichtigen. Dies gilt sogar dann, wenn das CMS erst nach der Begehung einer Verbandstat eingeführt wurde. Ein fehlendes CMS kann sich dagegen sanktionsschärfend auswirken.

Internal Investigations

Die Sanktion kann gemäß § 18 I VerSanG-E gemildert werden, wenn nach der Begehung einer Verbandstat eine interne Untersuchung (Internal Investigation) durchgeführt wird, die dazu beiträgt, dass Verbandstat und Verbandsverantwortlichkeit aufgeklärt werden.

Wenn eine interne Untersuchung, die die Voraussetzungen des § 18 I VerSanG-E erfüllt, durchgeführt wird, wird die Verbandsgeldsanktion durch einen Sanktionsbescheid ohne die Durchführung einer ggf. öffentlichkeitswirksamen Hauptverhandlung durchgeführt.

Dr. Lutz Pospiech und Tobias Reichenberger, GÖRG

Fazit

Das Unternehmenssanktionsrecht samt drakonischem Sanktionsrahmen wird kommen. Zwei Jahre nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt soll das VerSanG in Kraft treten. Unternehmen haben jetzt noch die Zeit, ihre internen Strukturen anzupassen und ein wirksames CMS einzurichten bzw. auszubauen. Dieses Zeitfenster gilt es zu nutzen!

In gelayouteter Fassung in BondGuide #15-2020 vom 24. Juli 2020