Neuemission Noratis: „Wir kaufen Cashflows“

BondGuide im Gespräch mit Vorstand André Speth von der Noratis AG, über das aktuelle Emissionsvorhaben. Die Eschborner sind in einer interessanten Marktnische unterwegs und bieten für ihre 50-Mio-EUR-Emission einen jährlichen Kupon von 5,5%.

Herr Speth, zum Auftakt vielleicht einmal kurz in eigenen Worten das aktuelle Anleihevorhaben der Noratis AG.
Speth: Bei der Emission geht es um unsere erste Kapitalmarktanleihe. Die unbesicherte Anleihe hat eine Laufzeit von fünf Jahren und einen Kupon von 5,5% p.a. Das Emissionsvolumen beläuft sich auf bis zu 50 Mio. EUR. Die Stückelung liegt bei 1.000 EUR.

Wer oder was ist denn die Noratis, in welchem Real-Estate-Sektor sind Sie aktiv?
Speth: Wir selbst bezeichnen uns als Bestandsentwickler. Noratis kauft deutschlandweit Immobilien in Sekundärlagen, und zwar solche, die Entwicklungsbedarf haben. Erworbene Objekte müssen aber in der Regel von Beginn an oder kurz nach Übernahme ihre Betriebs- und Kapitalkosten decken. Wir kaufen sozusagen Cashflows. Die Rendite für die Noratis kommt dann über den späteren Verkauf, wenn wir die Objekte saniert oder modernisiert haben. Oft sind es auch Themen wie Asbest- oder Legionellenbelastungen, die wir beheben müssen, damit die Immobilie wieder ihren vollen Marktwert erreicht. Bei allen Objekten sprechen wir von bezahlbarem Wohnraum, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle deutlich unter 10 EUR pro Quadratmeter Miete pro Monat.

Noratis in Zahlen

Was wären denn nach Ihrer Definition derartige Sekundärlagen?
Speth: Kleinere Städte in der Nähe von Ballungszentren oder Großstädten beispielsweise. Wichtig ist aber, dass wir nicht in strukturschwache Regionen gehen – gegen den demografischen Wandel oder strukturelle Leerstände anzukämpfen, ist nicht so klug. Dormagen, Ratzeburg oder Riedstadt wären typische Standorte auf unserem Radar.

Und die Erlösverwendung der Anleiheemission?
Speth: Grundsätzlich verfügt die Noratis über eine Innenfinanzierungskraft, da wir ja auch fortlaufend Objekte wiederverkaufen. Mit externem Kapital könnten wir allerdings schneller wachsen. Sehr geholfen hat in diesem Zusammenhang sicherlich der Einstieg unseres Großaktionärs, die Merz Real Estate, Anfang des Jahres. Merz Real Estate hält heute 47,7% an Noratis und hat sich zudem beim Einstieg verpflichtet, bis Ende 2024 insgesamt bis zu 50 Mio. EUR im Rahmen von Kapitalmaßnahmen zu investieren.

geografische Schwerpunkte

Also keine Rückzahlung irgendwelcher alter Schuldscheine oder dergleichen, der Erlös würde Ihnen vollumfänglich zugutekommen?
Speth: Die Erlöse aus der jüngsten Kapitalerhöhung von knapp 17 Mio. EUR sind bereits wieder voll verplant für die Objekte, die wir schon vertraglich gesichert hatten. Mit dem Emissionserlös aus der Anleihe könnten wir die nächsten Objekte in unserer Pipeline angehen. Der Emissionserlös dient also der Ausweitung unseres Immobilienbestandes.

Objektfindungsprozess

Ist es die vergangenen Jahre deutlich schwieriger geworden, im Einkauf an passende Objekte zu kommen, die sich noch rechnen?
Speth: Egal in welcher Marktphase: Der Einkauf ist immer am schwierigsten! Trotzdem hatten wir historisch gesehen im ersten Halbjahr 2020 unsere besten Einkäufe. Der Preisauftrieb ist bei unseren Standorten natürlich nicht so wie in Top-Lagen, aber nichtsdestotrotz profitiert auch die Noratis im Verkauf wiederum davon. Es ist teurer geworden, ja – aber leicht war es ohnehin nie, passende Immobilien als Teil unserer Wertschöpfung einzukaufen. Unser Zielmarkt ist über all die Jahre liquide gewesen, mit einem hohen Umschlag an Objekten – auch in der Finanzkrise 2008 übrigens. Ich bin deshalb sehr zuversichtlich, dass wir weiter passende Objekte finden.

Und wann qualifiziert sich ein Objekt bei der Noratis wieder für ihren Verkauf?
Speth: Um den IRR, den internen Zinssatz, zu optimieren, ist der optimale Zeitpunkt eines Verkaufs natürlich von Bedeutung. Bisher lag unser Investitionszyklus bei zwei bis drei Jahren. Käufer sind dann wiederum institutionelle Investoren, die einen Anlagezeitraum von zehn Jahren oder mehr haben – natürlich mit weniger Renditeanspruch als wir, denn die Modernisierung und die Behebung von Leerständen hat ja die Noratis bewerkstelligt. Das ist der berühmte Proof of Concept, den ein Investor sehen möchte. So haben wir wiederkehrende Käufer, wiederkehrende Verkäufer und zufriedenere Mieter in den Objekten – die Grundlage für wiederkehrendes Geschäft in unserer Nische.

Die Merz-Gruppe ist wie angeschnitten jetzt zu knapp 48% beteiligt. In welchem Umfang darf Ihr Großaktionär denn operativ mitreden?
Speth: Die Merz-Gruppe verfügt über zwei Sitze im fünfköpfigen Aufsichtsrat. Mit dem Einstieg wurde niemand ausgetauscht, der Aufsichtsrat wurde nur ergänzt. Ziel von Merz ist es gar nicht, operativ bei der Noratis mitzureden – sondern, für die Familiengesellschaft eine laufende Rendite aus Immobilienanlagen zu generieren. Also im Prinzip nichts anderes, als was wir auch all unseren anderen Eigenkapitalinvestoren in Aussicht gestellt haben.

Das Jahr 2020 ist nun ja ein besonderes. Wie sind bei Ihnen die Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit durch Corona?
Speth: Im ersten Halbjahr hat man gesehen, dass sich praktisch alle Prozesse verlangsamten. Hinderlich war insbesondere, dass Objektbesichtigungen grundsätzlich schwieriger durchzuführen waren. Die Auswirkungen auf unsere Mieteinnahmen waren aber nur sehr moderat. Wir hatten aber sicherlich auch deshalb unser bisher bestes erstes Halbjahr bei den Ankäufen, da einerseits einige Mitbewerber etwas zurückhaltender im Markt agierten bzw. agieren mussten und wir andererseits mit dem Einstieg der Merz-Gruppe an unserem Business-Plan festhalten konnten.

Interviewpartner André Speth

Wie sieht es mit einer Art Abbruchkriterium für den Fall der Fälle aus? – vor wenigen Tagen erst hatte PANDION seine Anleiheemission auf Eis gelegt.
Speth:  Wir haben hier nach meiner Einschätzung ein sehr attraktives Produkt am Markt und ich gehe deshalb davon aus, dass die Anleiheemission ein Erfolg wird. Wir sind aber glücklicherweise nicht auf den Mittelzufluss angewiesen, da die geplanten Gelder aus der Anleihe nur ein Baustein unserer Finanzierung darstellen.

Herr Speth, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und uns Rede und Antwort zu stehen für die aktuelle Emission!

Interview: Falko Bozicevic

Fotos / Schaubilder: @Noratis AG