Hylea: „Langfristig hat sich an unserer Perspektive nichts verändert“

Hylea

Paranuss-Spezialist Hylea leitet aufgrund der seit 1. Juni überfälligen Zinszahlung eine Anleiherestrukturierung in die Wege. BondGuide sprach mit CEO Aimé Hecker über den aktuellen Status, die Perspektive und natürlich die Hintergründe zur Anleihegläubigerversammlung in wenigen Wochen.

Herr Hecker, gleich zum Auftakt: Wie ist denn aktuell der Status-quo bei Hylea?
Wir hatten in den vergangenen beiden Jahren mit allerhand einmaligen Sondersituationen zu tun, die wir versucht haben, mit aller Kraft zu bewältigen. Das waren interne Aufgabenstellungen wie die Inbetriebnahme unserer Fabrik in Fortaleza, aber auch externe Faktoren mit Corona und die Einschränkungen, die die Pandemie mit sich brachten. Die Anleihegläubigerversammlung Ende Juni, zu der wir jetzt einberufen haben, findet statt aufgrund unserer Liquiditätslage, die es uns leider nicht erlaubte, die am 1. Juni fällig Zinszahlung fristgemäß zu leisten.

Fiel denn erst einen Tag nach Fälligkeit auf, dass die Zinszahlung nicht würde erfolgen können?! Ihre Meldung dazu erfolgte am 2. Juni.
 Ja, dies war sehr knapp, und zu knapp. Wir waren bis zuletzt davon ausgegangen, dass Ware von uns so pünktlich bei Kunden eintrifft, dass wir entsprechende Zahlungseingänge verbuchen können – was aber nicht erfolgte. Aber natürlich hätten wir grundsätzlich viel früher reagieren und mit den Anleihegläubigern einen Dialog starten müssen. Denn die angestrebte Anpassung der Anleihebedingungen soll ja insgesamt die langfristige Basis für die Entwicklung von Hylea während und nach der Corona-Krise schaffen. Wir waren hier zu unerfahren bei der Kommunikation mit dem Kapitalmarkt, haben das Problem aber erkannt und Lösungsschritte eingeleitet.

Wie sieht denn der Restrukturierungsplan konkret aus?
Unser Plan sieht vor, die Laufzeit der Anleihe 2017/22 um sieben Jahre bis 2029 zu verlängern. Zugleich bitten wir unsere Anleger, den Zinskupon von derzeit 7,25% auf 4,25% zu reduzieren. Von der Liquidität her sind wir aktuell so aufgestellt, dass wir den reduzierten Kupon dann auch kurzfristig für den ursprünglichen Termin am 1. Juni zahlen könnten. Insgesamt würden wir die notwendigen Finanzspielräume bekommen, um unsere Strategie auf Basis unseres mehr als 100 Jahren bestehenden Geschäfts weiter umzusetzen. Die Justierung der Anleihebedingungen würde uns in die Lage versetzen, mit ruhiger Hand bei Hylea an erfolgreiche Jahre vor COVID-19 anzuknüpfen. Unserer Verantwortung als Anleiheemittent, traditionsreiches Familienunternehmen und Basis des Broterwerbs für rund 1.500 Familien in Bolivien sind wir uns vollauf bewusst – wir brauchen jedoch mehr Zeit als ursprünglich geplant.

BondGuide hatte schon im August 2020 auf Verlängerung der Laufzeit plus Zinsreduzierung hingewiesen als wahrscheinlich beste Option. Wann haben Sie denn das Thema Restrukturierung der Anleihe in Angriff genommen?
Wir hatten schon bei der Zinszahlung im Juni vor einem Jahr die ersten Schwierigkeiten. Ich selbst konnte zu der Zeit aufgrund der COVID-19 Pandemie Bolivien nicht verlassen und die Weltmarktpreise für Paranüsse kollabierten temporär als Folge der Pandemie. Die fälligen Zinsen ließen sich erst mit zehn Tagen Verzug bewerkstelligen. Da kam die erste Überlegung auf, ob wir die Anleihe nicht möglicherweise restrukturieren sollten. Die Ausmaße von Corona habe ich ehrlich gesagt in diesem Umfang nicht so eingeschätzt – ich war damals noch davon ausgegangen, dass sich das Thema nach Ende des ersten Lockdowns in Richtung Normalisierung erledigen würde. Doch zusätzlich kamen steigende Ausgangskosten und sinkende Abnahmepreise für unsere Paranüsse dazu – das war natürlich keinerlei Teil unserer ursprünglichen Kalkulationen. Im Dezember haben wir die halbjährlich fälligen Zinszahlungen wieder regulär vorgenommen, was im Nachhinein betrachtet als Fehler bezeichnet werden muss.

Hylea

Warum?
Zu dem Zeitpunkt war die gesamte Welt wiederum im Lockdown und dieses Mal mit unklar absehbarem Ende. An diesem Punkt hätten wir gleich die Restrukturierung in die Wege leiten sollen, also ein halbes Jahr früher als jetzt. Stattdessen haben wir schon da unsere Liquidität überbeansprucht und gleichzeitig nahm der weltweite Lockdown bis erst vor kurzem einfach kein Ende.

Bisher gibt es nur einen vorläufigen 2019er Geschäftsbericht. Das war ein Jahr vor Corona. Woran hakt es denn dort?
Den hatten wir im März 2020 veröffentlicht, direkt vor Corona. Anschließend war die Welt im Ausnahmezustand. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir dann ganz andere Problemstellungen als den vorläufigen Abschluss in eine endgültige Version zu überführen. Im Vorfeld der Anleihegläubigerversammlung werden wir aber den geprüften Abschluss 2019 und auch den Abschluss 2020 vorlegen.

In dem vorläufigem Report 2019 fällt auf, dass es fast überall signifikante Abweichungen zwischen Plan und Ist gibt. Wie kommt das?
Das ist richtig, die Planungen konnten wir teilweise nicht erfüllen. 2019 hat die witterungsbedingte Verzögerung bei der Inbetriebnahme unserer neuen Fabrik Spuren in unserem Zahlenwerk hinterlassen. Wir haben zudem begonnen und sind derzeit noch dabei, konzernweit auf eine SAP-Software umzustellen, ferner ein Warenwirtschaftssystem einzuführen, das uns hilft, unsere Warenströme viel besser kontrollieren zu können. Auch beim Forderungs- und Liquiditätsmanagement mussten wir nachrüsten. Ferner wollen wir, eher früher als später, einen probaten CFO einstellen, der neben den Finanzen auch Verständnis vom Handel hat. Und vom Kapitalmarkt darf er natürlich auch etwas Erfahrung mitbringen. Wir führen bereits entsprechende Gespräche, die hoffentlich noch im dritten Quartal 2021 zum erfolgreichen Abschluss kommen.

Wie war denn die Trennung von Mario Ebel im vergangenen Jahr – der schien mir bis dahin doch durchaus wichtig im Vertrieb.
So viel möchte ich dazu gar nicht sagen. Wir als Gründerfamilie in vierter Generation verfolgen einen klar formulierten Ansatz, der offenbar abwich von dem seiner Vertriebsgesellschaft. Denn wir möchten mit unseren Produkten für einen wirklichen Einfluss, einen Impact, in der Nahrungsmittelversorgung sorgen.

Hylea

Der Anleihegläubigerversammlung möchten wir nicht vorausgreifen, aber geht denn der Ausblick für 2021 wieder in die richtige Richtung für die Hylea Gruppe?
Ich denke wirklich, dass dieses Jahr noch kein normales Jahr sein kann – alles steht irgendwie unter Sondereffekten aufgrund der Pandemie. Die Preise haben sich indes schon wieder erholt. Mit Blick auf 2022 sollte dieses Thema vom Tisch sein. Die Themen Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung sind Trends, die über das aktuelle Zeitgeschehen hinaus bestehen bleiben. Der Lebensmitteleinzelhandel war sogar ein Gewinner der Coronakrise – wären da unsere Lieferketten nur nicht unterbrochen gewesen! Auch der asiatische Markt nahm zuletzt schon am Trend zu gesünderer Ernährung Teil. Mittel- und langfristig hat sich an unserer Perspektive rein gar nichts verändert. Und mit Wildparanüssen leisten wir zudem einen aktiven und signifikanten Beitrag zum Schutz des Regenwalds in Südamerika.

Bleiben Sie Ihrem Produkt Paranüsse – einem Nischenprodukt – also treu?
Natürlich, wir möchten einen wirklichen Unterschied bieten mit unseren Paranüssen. In diesem Sinne erfolgte auch unsere Kooperation mit der Technischen Universität Köln. Wir möchten herausfinden, welche vielversprechenden Produkte oder Anwendungen überhaupt möglich sind auf Basis der Paranuss, d.h. auch über die Lebensmittelbranche hinaus. Da sprechen wir also über mögliche Patentanmeldungen.

Was betrachten Sie als größtes Einzelrisiko für Ihre Gesamtunternehmung: Ist es das Klima in Südamerika, wo die Paranüsse angebaut und geerntet werden, ist es die Coronapandemie oder sind es möglicherweise die Unwägbarkeiten des Kapitalmarktes?
Das ist eine sehr gute Frage. Ja, an erster Stelle und am dringlichsten würde ich unsere finanzielle Restrukturierung nennen. Die ist sowohl wichtig als auch dringlich. Operativ haben wir weiterhin keine Zweifel am Geschäftsmodell. Aber es muss offenbar an ständig wechselnde Gegebenheiten wie jüngst mit der Pandemie angepasst werden, ohne gleich in Bedrängnis zu geraten. Sie müssen auch eine weitere Motivation für eine robuste Aufstellung im Hinterkopf behalten: Hylea als Unternehmen ist über 100 Jahre alt, geführt in vierter Generation und mit rund 1.500 Arbeitsplätzen in Bolivien innerhalb unserer Lieferkette.

CEO Aimé Hecker

Das ist nachvollziehbar. Ist es auch ein Argument für Anleiheinhaber, die sich jetzt natürlich große Sorgen um Ihren Fortbestand machen?
Diesen nachhaltigen Aufbau über ein Jahrhundert hinweg sollte man doch zu bewahren versuchen. Hylea hat sich deshalb auch schon der Stärkung und Erweiterung des Aufsichtsrats gewidmet. Wir haben ja bereits eingeräumt, dass in der Vergangenheit nicht alles optimal lief und wir haben auch in puncto Kapitalmarkt nicht alle Aufgaben optimal bewältigt. Diese Problemstellungen sind erkannt und jetzt widmen wir uns mit aller Kraft ihrer Bewältigung.

BondGuide: Herr Hecker, ganz herzlichen Dank für das kurzfristig eingeräumte Gespräch und Ihre Einblicke im Vorfeld der ersten AGV.

Interview: Falko Bozicevic