
Der neue globale Infrastruktur-Investitionszyklus ist ein Megatrend, der uns mindestens für die nächste Dekade begleiten wird. Von Birgitte Olsen*
Die letzten Jahrzehnte waren durch einen stetigen Abwärtstrend von Kapitalinvestitionen gekennzeichnet, besonders in Europa und den USA. Wuchsen die Investitionsausgaben der US-Industrie in den Jahren 1980 bis 2001 noch über 5% p.a., fielen sie in den darauffolgenden zwei Dekaden auf unter 3% zurück. Wir hatten es nach der globalen Finanzkrise von 2007/08 in vielen Sektoren sogar mit einer extremen Phase der Unterinvestition zu tun. Diese Tendenz erfährt nun eine Kehrtwende. Für die Jahre 2019 bis 2024 wird mit einer überdurchschnittlichen Steigerung der Kapitalinvestitionen in Höhe von 8.7% p.a. gerechnet.
Ein neuer Megatrend
Aufgrund der massiven US-Investitionsprogramme kann man mittlerweile von einem neuen Megatrend sprechen. Dazu trägt insbesondere der im August 2022 verabschiedete Inflation Reduction Act (IRA) bei. Darüber sollen in den USA in den nächsten zehn Jahren etwa 300 Mrd. USD in den Defizitabbau und 369 Mrd. USD in Energiesicherheits- und Klimaschutzprogramme investiert werden. Hinzu kommen der CHIPS and Science Act im Umfang von mehr als 50 Mrd. USD sowie zusätzliche, beinahe ebenso hohe private Investitionen für die Forschung, Entwicklung und Herstellung von Halbleitern. Demnach dürfte der aktuelle Investitionszyklus noch am Anfang stehen. Der Marktstratege und Historiker Russell Napier spricht von einem zu erwartenden Boom bei den Kapitalinvestitionen und der Reindustrialisierung der westlichen Volkswirtschaften.
Zeitenwende auch in Europa
Auch in der EU werden massive Investitionsprogramme auf den Weg gebracht. Hier sind vor allem der Europäische Green Deal und das Europäische Chip-Gesetz zu nennen. Allein der umfassende Green Deal beinhaltet dabei den Zugriff auf EUR 600 Mrd., mit denen der Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft angestrebt wird. Das europäische Chip-Gesetz im Umfang von mehr als EUR 43 Mrd. soll dagegen die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz hinsichtlich Halbleitertechnologien und -anwendungen forcieren und dabei der starken Abhängigkeit von Asien und China entgegenwirken. Langfristig werden zusätzliche private Investitionen in ähnlicher Höhe erwartet. Mit ebenfalls milliardenschweren Investitionen wird für die neuen Gigafactories im Batteriebereich gerechnet. Hier ist gemäß einer Analyse von McKinsey bis 2025 mit einer Verdoppelung des Investitionsvolumens zu rechnen. Denn schon im Jahr 2030 wird einer PwC-Studie zufolge fast jedes zweite verkaufte Auto ein batteriebetriebenes bzw. elektrisches Fahrzeug sein.
Investitionsopportunitäten
Die Dynamik und das Ausmaß dieser Entwicklungen bieten aus Anlegersicht vielfältige Investitionschancen, auch für schweizerische und europäische Unternehmen. Für uns als fundamental orientierte Stockpicker spielt die globale Infrastrukturtransformation eine wesentliche Rolle in der Positionierung unserer Bellevue Entrepreneur Fonds. Im Bellevue Entrepreneur Swiss Small & Mid Fonds sind bis zu 30% der Zielunternehmen direkte oder indirekte Nutznießer dieses langfristigen Trends. Dazu zählen VAT, Inficon, Belimo, LEM, Gurit und Huber + Suhner, um einige zu nennen.

Jährliche Wachstumsrate (CAGR) der Investitionsausgaben in der US-Industrie in verschiedenen Perioden US-Kapitalinvestitionen *Schätzung Bank of America: 8-1-9.3% Grafik: themarket.ch – Quelle: Bank of America Global Research
Fazit
Wir erleben im Westen einen neuen strategisch und politisch motivierten Capex-Boom. Dieser globale Infrastruktur-Investitionszyklus ist ein Megatrend, der uns mindestens für die nächste Dekade begleiten wird. Dabei werden Unternehmen besonders profitieren, die in diesem neuen ‚Goldrausch‘ Schaufeln verkaufen im Sinne von innovativen Technologien, unverzichtbaren Dienstleistungen und allgemeinen Lösungen – darunter auch Logistikanbieter, Energieinfrastrukturspezialisten und IoT-Lösungsentwickler.
*) Birgitte Olsen, CFA, ist Senior Portfolio Manager Aktien Europa und trat 2008 bei Bellevue Asset Management ein. Davor war sie über neun Jahre bei Generali Investments in Köln als Stellv. Leiterin für das Portfoliomanagement Aktien Europa zuständig.
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