Anleihen heute im Fokus: Air Berlin, SAG, SeniVita, Strenesse, DFAG, Metalcorp

Air Berlin hätte früher Insolvenz anmelden müssen

Nach den zuletzt nachrichtentechnisch eher unspektakulären Tagen beginnt die neue Woche mit Neuigkeiten von Air Berlin, S.A.G. Solarstrom, SeniVita etc. deutlich rasanter: Die 2013 tief unter Radar geflogene Air Berlin stellte noch gestern Abend ein umfassendes und anscheinend dringend notwendiges Rekapitalisierungsprogramm vor, S.A.G. fasst 3,5 Mio. EUR aus der Freigabe geblockter Mittel ab und SeniVita kassiert im aktuellen Folgerating einen Downgrade. Ganz frisch heute Morgen gibt e.n.o. energy die Verschiebung des Jahresabschlusses 2013 und die Aussetzung des Corporate Ratings bekannt.

Erneut in heftige Turbulenzen geriet im Vorjahr Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft Air Berlin: Unterm Strich flog die Airline 2013 einen deutlichen Konzernverlust von über 315 Mio. EUR ein, nachdem 2012 u.a. dank des Verkaufs des Vielfliegerprogramms an Großaktionär Etihad nach zuvor vier Verlustjahren in Folge noch ein Miniplus von rund 7 Mio. EUR stand. Trotz zahlreicher Spar- und Restrukturierungsprogramme schmolz der Gruppenumsatz auf 4,15 Mrd. EUR (-4% ggü. 2012), das Konzern-EBIT brach überproportional von über 70 Mio. EUR im Jahr 2012 auf knapp -232 Mio. EUR ein. Eine unerwartet schwache Sommersaison gefolgt von einem schwierigen Winter wären laut Air Berlin ursächlich für den Zahlenabsturz 2013 gewesen.

Unterdessen hat die Fluglinie gestern Abend eine „fundamentale Neustrukturierung“ des Air-Berlin-Konzerns angekündigt. Ohne bereits konkrete Details zu nennen, soll als ein erster Schritt Etihad mit einer weiteren Finanzspritze nachhelfen. Vorgesehen ist die Ausgabe einer nachrangigen, unbegrenzt laufenden Wandelanleihe über 300 Mio. EUR und einem jährlichen Kupon von 8% p.a. Der Wandler wird in drei Tranchen zu je 100 Mio. EUR begeben. Das Bezugsrecht der Altaktionäre in Bezug auf die bei Wandlung zu emittierenden Aktien ist ausgeschlossen. Ferner ist die Laufzeit des von Etihad zur Verfügung gestellten Gesellschafterdarlehens über 255 Mio. USD, von dem aktuell 135 Mio. USD in Anspruch genommen seien, vom 31. Dezember 2016 auf den 31. Dezember 2021 verlängert worden.

Außerdem beabsichtigt der Carrier weitere neue Schuldverschreibungen auszureichen, um 1.) den Anleihegläubigern von Air-Berlin-I (2010/15, 8,5%-Kupon, 200 Mio. EUR Emissionsvolumen) und der am 1. November 2014 endfälligen 11,5%-Air-Berlin-III über 150 Mio. EUR ein Umtauschangebot zu unterbreiten und 2.) weitere Fremdmittel in Höhe von 150 Mio. EUR oder dem Gegenwert in CHF aufzunehmen. Das neue Bondangebot soll Gläubigern ermöglichen, die bestehenden Bonds in neue von Air Berlin auszureichende Teilschuldverschreibungen mit einer Laufzeit bis 2019 umzutauschen. Vorbehaltlich einer vorzeitigen Beendigung läuft die Umtauschfrist bis einschließlich 6. Mai. Weitere Details zum Umtauschangebot sind auf der Air-Berlin-Webseite hinterlegt.

wo_re.SAGSOALRSTROMjpgNeuigkeiten gab es vergangenen Freitag von der insolventen S.A.G. Solarstrom AG: Wie das Solarunternehmen mitteilte, sei eine Vergleichsvereinbarung mit der BBV Beteiligung, Beratung und Verwaltung GmbH, deren Alleingesellschafter S.A.G.-CEO Dr. Karl Kuhlmann ist, und einer beteiligten Bank hinsichtlich verpfändeter Guthaben im Zusammenhang mit der Wandelanleihe 2007/14 abgeschlossen worden. Aus dieser Vereinbarung werden liquide Mittel über 3,5 Mio. EUR frei, über die die Gesellschaft nun verfügen kann. Die übrigen Gläubiger des Wandlers seien nicht von der Vergleichsvereinbarung betroffen. Daneben haben die BBV und die finanzierende Bank eine gesonderte Vereinbarung abgeschlossen, nach der die BBV ihre S.A.G.-Aktien an die Bank zu übertragen hat. Die Vereinbarung sei vor dem Hintergrund geschlossen, dass die Bank im Wege der S.A.G.-Insolvenz angekündigt hatte, die Finanzierung des Aktienpakets fällig zu stellen. Unabhängig davon werde Kuhlmann den Restrukturierungs- und Investorenprozess weiterhin maßgeblich als S.A.G.-Vorstandsvorsitzender begleiten (zur letzten News).

Ebenfalls am Freitag informierte die SeniVita Sozial gGmbH ein neues Corporate Rating erhalten zu haben. Danach ging es für den privaten Betreiber von Einrichtungen zur Alten- und Behindertenhilfe um zwei Stufen von zuvor BBB auf jetzt BB+ nach unten. Das Downgrade ergibt sich nach Angaben von Creditreform aus dem Umstand, „dass die SeniVita weiterhin eine zwar plausible und langfristig erfolgversprechende Strategieänderung vorgenommen hat, die nachhaltige langfristige Chancen beinhaltet und deren Umsetzung trotz diverser Hindernisse und Verzögerungen nachvollziehbar vorankommt, die jedoch aufgrund der im Vergleich zum Umsatzwachstum überproportionalen Kapitalintensität, der Erhöhung der verzinslichen Finanzierung und zu einer Ergebnisverschlechterung geführt hat, die höher als zum letzten Rating (im April 2013) angenommen, ausgefallen ist“. „Die neue, niedrigere Rating-Einschätzung von Creditreform ist aus unserer Sicht sehr konservativ und reflektiert noch nicht die neuesten Entwicklungen sowohl bei uns im Unternehmen wie auch im politischen Umfeld“, kommentiert dagegen SeniVita-Geschäftsführer Dr. Horst Wiesent das neue Bonitätsurteil. Zuletzt präsentierte das gemeinnützige Unternehmen seinen finalen Jahresabschluss 2013 und kündigte zur weiteren EK-Stärkung die Platzierung von neuen Genussscheinen an der Frankfurter Börse noch im zweiten Quartal an (BondGuide berichtete).

topnews1-25081-orgNach einem zwischenzeitlichen Kursplus verabschiedete sich die 9%-Schuldverschreibung der Strenesse AG am Freitag mit einem Tagesverlust von knapp 8% auf 17,55% ins Wochenende. Die Nachricht, wonach die bisherige Eigentümerfamilie Strehle neben der eingeleiteten Sanierung offenbar auch einen Teilverkauf der Modefirma in Betracht ziehe und somit künftig auf ihre Mehrheit verzichten könne, sorgte zuletzt für reichlich Bewegung in der 12 Mio. EUR großen Anleihe. Der Markt scheint offenbar auf einen tieferen Wandel bei dem seit Jahren defizitären Modelabel zu setzen. Lesen Sie die jüngsten Ereignisse noch einmal im Rückblick.

Den größten Verlierer im Entry Standard für Anleihen stellte zu Wochenschluss mit einem Abschlag von intraday über 7% auf jetzt 49% die 7,875%-Unternehmensanleihe der DF Deutschen Forfait AG. Der Forfaitierungsspezialist lädt kommenden Mittwoch zur kürzlich aufgeschobenen Bilanzpresse- und Analystenkonferenz nach Frankfurt am Main. Auf der Konferenz wird der DFAG-Vorstand über die Geschäftsentwicklung 2013 und den Stand des OFAC-Delistings informieren sowie über die Strategie der Gesellschaft und das erwartete Marktumfeld für Außenhandelsfinanzierungen 2014 berichten (zur News).

Ohne neue offizielle Unternehmensnachrichten verbuchten die Schuldverschreibungen der RENA GmbH am Freitag erneut satte Kursgewinne. Zu Wochenabschluss ebenfalls auf der Gewinnerliste im Frankfurter Mittelstandssegment zu finden, waren die Bonds von René Lezard (+5% ggü. Vortag), Travel24 (+4%) und MIFA (+3%). Die im Juni 2013 begebene 8,75%-Metalcorp-Anleihe (2013/18), deren aktuelles Volumen nach dem Abschluss einer Privatplatzierung inzwischen bei knapp 21 Mio. EUR liegt, verbuchte gegen Wochenschluss ein Miniplus von 1%. Nachdem der Spezialist für den physischen Handel von Stahl und Nichteisen-Metallen zuletzt seinen finalen Jahresabschluss 2013 mit deutlich verbesserten Ertragskennzahlen präsentierte (BondGuide berichtete), kündigte Scope nun an, das aktuelle „BB-“-Rating der Metalcorp Group B.V. auf „under review“ für eine mögliche Heraufstufung zu setzen.

Kurse- und Chartverlauf der genannten Mittelstandsanleihen finden Sie hier. Zum BondGuide-Musterdepot geht’s hier.

Sind Sie Privatanleger UND BondGuide-Abonnent? Dann schicken wir Ihnen die soeben wie gewohnt Ende Februar erschienene Sonderausgabe “Anleihen 2014″ (4. Jg., ca. 100 Seiten) kostenlos per Post zu, wenn Sie uns einfach Ihre Adresse mailen! Hier geht es zum e-Paper zum Online-Durchblättern. Einfach eine E-Mail an info@bondguide.de, Betreff: “Special Anleihen 2014″ und Ihre Postanschrift.

! Bitte nutzen Sie für Fragen und Meinungen Twitter – damit die gesamte Community davon profitiert. Verfolgen Sie alle Diskussionen & News zeitnaher auf Twitter @bondguide !