Andreas Blassy : „Beitrag für eine regenerative Wirtschaft leisten“

Immobilienunternehmen gerieten in diesem Jahr in eine teilweise auch existenzbedrohende Zwinge aus Materialknappheiten, Fachkräftemangel und zu guter Letzt Anforderungen an neue Umweltauflagen – und das war nur eine verkürzte Auswahl der ‚Mängelliste‘. BondGuide sprach mit Experte Andreas Blassy *.

BondGuide: Herr Blassy, auf welche Umsetzungsprobleme stoßen Immobilienunternehmen und Gebäudetechniker heute trotz der gegenwärtig hohen Relevanz von regenerativen Maßnahmen zur Einsparung von Energie?
Blassy: Der Dreh- und Angelpunkt der Anwendungsprobleme ist aus täglichen Gesprächen mit Unternehmen im gesamten Jahr erkennbar gewesen: Der spürbare Mangel an Material und Personal erweist sich auch hier als große Behinderung. Neben dem schon seit Jahren bestehenden Fachkräftemangel kamen 2022 erschwerend die Materialengpässe durch gestörte Lieferketten hinzu. Projekte konnten deshalb entweder gar nicht erst begonnen oder nur mit großen Verzögerungen abgeschlossen werden. Auf die Kosten hat das ebenfalls einen großen Einfluss sind somit auch auf den Return on Investment, ROI. Diese Herausforderung wird auch in 2023 weiter bestehen und der Wirtschaft erneut operative Grenzen aufzeigen.

BondGuide: Haben viele falsch geplant oder zu spät umdisponiert?
Blassy: Hinzu kommen auch ungenaue oder fehlerhafte Planungen mit langfristigen Folgen. Anfängliche kleine Fehler können eine Kaskade an sich kumulierenden negativen Effekten verursachen. Das wirkt sich in der Regel negativ auf gesamte Projekte aus. Mit anderen Worten muss gleich zu Beginn geklärt werden, für welchen Ablauf die Immobilienunternehmen und für welchen die Gebäudetechniker zuständig sind. Oft blockieren sich Immobilienunternehmen und Gebäudetechniker dabei gegenseitig, worunter die Umsetzung massiv leidet.

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BondGuide: Setzen sich Energiesparmaßnahmen beim Bau als Goldstandard langsam durch?
Blassy: Selbstverständlich schrecken enorm viele Marktteilnehmer leider noch zu häufig vor vermeintlich hohen Kosten zurück, die für Maßnahmen zum Energiesparen heute aufgerufen werden. Viel zu oft wird auf einen möglichst kurzen ROI geschaut und Entwicklungen im Bereich Regulative, Politik und Gesellschaft als nicht relevant bewertet. Das ist sehr kurzfristig gedacht. Nicht zu handeln, wird sich allerdings auf lange Sicht als größerer Kostenfaktor mit weitreichenden Folgen für Wirtschaft und Umwelt auswirken, die sich nicht nur auf das Finanzielle beschränken, sondern auch die Folgen des Klimawandels weiter vertiefen würden. Hier müssen Unternehmen zwingend ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen.

BondGuide: Welche Hinweise und Tipps leiten Sie daraus für börsennotierte Unternehmen ab?
Blassy: Meiner Meinung nach sollten Unternehmen ähnlich wie für bereits etablierte Segmente, also Personal, Entwicklung oder auch Marketing, einen regelmäßigen, langfristigen und messbaren Posten für die Implementierung von regenerativen Maßnahmen einstellen. Dazu kann beispielsweise die Fernwärme-, Beleuchtungs- oder Betriebsoptimierung gehören. Eine effektive Unternehmenssteuerung, die die Entwicklung regenerativer Maßnahmen kontinuierlich vorantreibt, kann so spürbar vereinfacht werden.

BondGuide: Und das reicht bereits?
Blassy: Zudem braucht es – ähnlich wie im Falle eines Chief Finance Officers, Chief Marketing Officers oder Head of Investor Relations – extra zugeteilte Entscheider und Fachpersonal, das langfristig für diesen wichtigen Bereich zugeteilt wird. So bleibt Energieeinsparung nicht irgendein Fachthema, sondern das, was es auch sein sollte: Die DNA von Unternehmen, die ihren Beitrag für eine regenerative Wirtschaft leisten wollen bei gleichzeitiger Implementierung eines hochprofitablen Geschäftszweigs mit messbaren Querschnittseffekten.

BondGuide: Was entgegnen Sie dann Vorständen und Managern, die heute zu hohe Kosten und damit auch potenziell gefährdete Arbeitsplätze als Proargumente für den Gebrauch fossiler Brennstoffe anführen?
Blassy: Aus Kostengründen wirkt das Argument unter gewissen Gesichtspunkt vielleicht nachvollziehbar. Dennoch bin ich persönlich fest davon überzeugt, dass dieser Gedanke viel zu kurz greift und nicht die langfristige Dimension aufzeigt. Denn eines ist klar: Zukünftig kann es sich kein Wirtschaftszweig erlauben, auf den Einsatz von regenerativen Technologien zu verzichten. Das gilt insbesondere für den Gebäudesektor, auf den Stand heute mehr als ein Drittel des Endenergieverbrauchs entfällt. Sämtliche Maßnahmen, die im Hier und Jetzt nicht umgesetzt werden, bleiben insofern nur aufgeschoben – was mit mehrfachen Kosten bei zu später Reaktion verbunden wäre. Bei gleichbleibender Abhängigkeit gegenüber den Produzenten der fossilen Energieträger, von denen wir heute versuchen, unabhängiger denn je zu werden.

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BondGuide: Ab wann werden sich die aktuell noch sehr hohen Kosten für regenerative Energieträger Ihrer Einschätzung nach so austarieren, dass sie auch mit den aktuell günstigen Rohstoffen konkurrieren können?
Blassy: In Ausnahmefällen ist dies schon heute möglich. Allerdings nur, wenn dabei auf Eigenproduktion gesetzt wird, was praktisch bei den wenigsten Unternehmen möglich ist. Dennoch kann in circa fünf Jahren eine Art Gleichstand zwischen den fossilen und regenerativen Trägern prognostiziert werden, sollte die Preisentwicklung von heute auf einem konstanten Niveau verbleiben und eine realistische CO2-Bepreisung durchgeführt werden. Setzen Unternehmen aus dem Immobiliensektor danach weiterhin auf effiziente Anlagetechnik und Energiemanagement, wird der ROI bei entsprechender Preisstabilität in den kommenden fünf bis zehn Jahren bei Regenerativen entscheidend größer sein als bei Fossilen.

BondGuide: Und inwiefern steigern Unternehmen, die die Dekarbonisierung des eigenen Geschäftsmodells erfolgreich vorantreiben, auch ihre Attraktivität als Investitionsobjekt?
Blassy: Sie sprechen damit bewusst Kundengruppen an, die aktiv nach regenerativen Erneuerungen für Geschäftsmodelle suchen. Insofern geht der Impact einer solchen Maßnahme weit über den internen Kreis des eigenen Unternehmens hinaus, das zeitgleich von niedrigeren Energiekosten und eingespartem CO2 profitiert.

Andreas Blassy

BondGuide: Wird eine Mindest-Energieeffizienz künftig Grundvoraussetzung für Wertsteigerungen sein?
Blassy: Speziell für Immobilien gilt: Je energieeffizienter das Objekt, desto eher wird auch eine Wertsteigerung beschleunigt. Hier findet meiner Meinung nach sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich ein regelrechter Run auf Lösungen statt, die zur energetischen Sanierung eines Objektes beitragen können. Dekarbonisierung bedeutet nicht zwingend, dass am Ende höhere Energiekosten zu Buche stehen. Es bedeutet, dass der Energiebedarf deutlich gesenkt wird und der verbleibende Bedarf CO2-neutral bereitgestellt wird. Teilweise hat dies auch zur Folge, dass die gesamten Verbrauchskosten gegenüber vorher sogar deutlich gesenkt werden. Wer in dem Kontext nicht proaktiv auf Anbieter zugeht, die in diese Prozesse eingreifen, wird als Unternehmer, aber auch als Privater mit erhöhten Kosten in naher Zukunft rechnen müssen.

BondGuide: Herr Blassy, besten Dank an Sie für die detaillierten Erläuterungen!

Interview: Falko Bozicevic

*) Andreas Blassy ist Head of Digital- & Energy Services der Caverion Deutschland GmbH

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