Zukunftsfinanzierungsgesetz zur Stärkung des Kapitalmarkts

Dr. Anne de Boer, Heuking Kühn Lüer Wojtek
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Law Corner von Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Nachdem sich die EU bereits auf die Fahne geschrieben hat, den Kapitalmarkt zu stärken und Anpassungen der kapitalmarktrechtlichen Regelungen durch den EU Listing Act plant, haben nun auch das Bundesfinanz- und das Bundesjustizministerium Eckpunkte eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes in Bezug auf den Kapitalmarkt vorgelegt.

Ziel ist es, den deutschen Finanzmarkt und den Standort Deutschland für internationale Unternehmen und Investoren attraktiver zu machen. Insbesondere Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) soll der Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtert werden. Dies soll vor allem durch Digitalisierung, Entbürokratisierung und Internationalisierung erreicht werden. Aktien sollen als Kapitalanlage attraktiver und die Anzahl börsennotierter Unternehmen in Deutschland erhöht werden.

Ausgewählte Punkte sind:

Digitalisierung und Standardisierung:
– Streichung von Schriftformerfordernissen.
– Digitale Kommunikation mit der Behörde und zudem auf Englisch.
– Standardverträge im Finanzdienstleistungsbereich zwischen professionellen Vertragsparteien, die keiner weiteren AGB-Kontrolle unterliegen.
– Ausweitung der elektronischen Wertpapiere auf Aktien
– Regelungen für den rechtsicheren Erwerb und Übertragung von Kryptowerten

Förderung von Aktieninvestments
– Einführung eines Freibetrags für Veräußerungsgewinne aus Aktien- und Aktienfondsgeschäften und Abschaffung der gesonderten Verlustverrechnungskreise
– Anhebung von Arbeitnehmer-Sparzulagen

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Verbesserung der Investmentstrukturen und der kapitalmarktrechtlichen Regelungen
– Erleichterung bei den Börsenzulassungsanforderungen und bei den Zulassungsfolgepflichten mit einem differenzierten Ansatz für KMU und Wachstumsunternehmen
– Möglichkeit von Mehrstimmaktien (dual class shares)
– Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für moderne Transaktionsformen zur Erleichterung eines Börsengangs u.a. in Bezug auf Optionsrechte und SPACs
– Erleichterungen und Rechtssicherheit hinsichtlich des Ausgabebetrag bei Kapitalerhöhungen sowie Erleichterungen zum Bezugsrechtsausschluss und beim Bedingten Kapital in bestimmten Konstellationen
– Verlängerung des INVEST-Zuschusses

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz soll noch in der ersten Hälfte der Legislaturperiode in Kraft treten.

Zu beachten ist, dass die Kapitalmarkt-Compliance weitgehend durch EU-Recht reguliert wird. Insofern wird Deutschland sich vor allem bei der Umsetzung des EU Listing Acts einbringen müssen, wenn eine Erleichterung für Start-ups und KMU erreicht werden soll. Es ist ein Spagat zwischen einerseits Integrität und Stabilität und andererseits leichterem Zugang zum Kapitalmarkt, u.a. indem weniger bzw. einfachere Folgepflichten für Emittenten bestehen.

Erhebliche Rechtssicherheit und Vereinfachung könnte erreicht werden, wenn der irrationale Flickenteppich an Regeln vereinheitlicht werden würde. Als Beispiel: Die Regelung zu Pflichten und entsprechenden Ausnahmen der Veröffentlichung von Prospekten, Wertpapierinformationenblättern sowie Basisinformationenblättern/Priips sowie Anforderungen an den Vertrieb von Finanzprodukten scheinen keiner Logik zu folgen. Ebenso stellt sich die Frage, ob die Regelungen über Fonds wirklich ergänzend zu den kapitalmarktrechtlichen Regelungen anzuwenden sein müssen.

Es ist begrüßenswert, dass im Hinblick auf AGBs bei Verträgen unter professionellen Parteien Rechtssicherheit geschaffen werden soll. Wieso gilt dies nicht entsprechend in Bezug auf AGBs, Fernabsatzrecht und Widerrufsrechte beim Erwerb von Wertpapieren durch Verbraucher? Deren Investition in Aktien, Anleihen, Genussscheine etc. sollte auch für alle Beteiligten rechtssicher erfolgen.