Law Corner von Dr. Christian Becker, Partner, Dr. Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München
Das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) als Kernelement ist zum 1.1.2021 in Kraft getreten. Die am 17.12.2020 vom Bundestag beschlossene und am 19.12.2020 vom Bundesrat gebilligte Gesetzesfassung hat auf der Zielgeraden noch einige Änderungen zum Regierungsentwurf (zum RegE-StaRUG vgl. bereits BondGuide #21/2020, S. 45–47, #22/2020, S. 44–45 und #25/2020, S.39–40) erfahren. Dabei handelt es sich insbesondere um folgende Änderungen:
• keine Neuregelung der Geschäftsleiterpflichten bei drohender Zahlungsunfähigkeit,
• Streichung der Regelungen zur Vertragsbeendigung und
• Schaffung eines Gläubigerbeirats.
Keine Neuregelung der Geschäftsleiterpflichten bei drohender Zahlungsunfähigkeit
Das StaRUG verpflichtet Geschäftsleiter ausdrücklich zur Einrichtung eines Krisenfrühwarnsystems und zum Ergreifen erforderlicher Gegenmaßnahmen bei den Fortbestand des Unternehmens gefährdenden Entwicklungen (§ 1 I StaRUG). Eine wesentliche Neuerung für Geschäftsleiter, die noch im RegE vorgesehen war, ist in der verabschiedeten Gesetzesfassung allerdings aufgegeben worden: Nach dem RegE sollten die Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Gesellschaften noch dazu verpflichtet werden, die Geschäftsführung ab Eintritt drohender Zahlungsunfähigkeit primär am Interesse der Gläubiger und nur nachrangig an dem der Gesellschafter, aber auch anderer Stakeholder auszurichten (Shift of Fiduciary Duties).
Diese Regeln zum Vorrang der Gläubigerinteressen und die daran anknüpfende Organhaftung (§§ 2 und 3 StaRUG-E) hat der Gesetzgeber ersatzlos gestrichen. Der Grund hierfür ist, eine hieraus entstehende offensichtliche Konfliktlage für die Geschäftsleiter, ihr Handeln am Interesse der Gesellschafter und am Interesse der Gläubiger auszurichten, zu vermeiden.
Allerdings wird zu der bereits geltenden Rechtslage in der Literatur zum Teil vertreten, dass Geschäftsleiter ab drohender Zahlungsunfähigkeit verpflichtet seien, Sanierungsmaßnahmen zu prüfen und gegebenenfalls auch gegen den Widerstand der Gesellschafter durchzusetzen (vgl. Hölzle, ZIP 2013, 1846). Gemäß Art. 19 der Restrukturierungsrichtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Geschäftsleiter bei einer „wahrscheinlichen Insolvenz“ u.a. die Interessen der Gläubiger, Anteilsinhaber und sonstiger Interessenträger zu wahren und die notwendigen Schritte einzuleiten haben, um eine Insolvenz abzuwenden.
Es sprechen somit gute Gründe dafür, dass eine richtlinienkonforme Auslegung der allgemeinen Geschäftsleiterpflichten (insb. § 43 I GmbHG, § 93 I 1 AktG) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Geschäftsleiter in einer Unternehmenskrise – und damit auch bei drohender Zahlungsunfähigkeit – die Unternehmensführung vorrangig an den Gläubigerinteressen auszurichten hat. Unterstellt man die Richtigkeit dieser Auslegung, entstehen erhebliche Rechtsunsicherheiten bezüglich des Weisungs- und Abberufungsrecht der Gesellschafter.
Streichung der Regelungen zur Vertragsbeendigung
Der RegE-StaRUG beinhaltete noch die Möglichkeit einer Vertragsbeendigung. Die Regelungen hierzu sahen vor, dass Unternehmen im Zusammenhang mit einem Restrukturierungsplan bei dem Restrukturierungsgericht beantragen können, langlaufende, noch nicht gegenseitig erfüllte Verträge (insb. Miet- und Lieferantenverträge) zu beenden. Auf Vorschlag des Rechtausschusses des Bundestages wurde die Möglichkeit zur Vertragsbeendigung in letzter Sekunde gekippt. Dies erfolgte nachdem dieser Eingriff in die Gläubigerrechte zuvor von Interessenverbänden der Insolvenzverwalter und der Immobilienbranche heftig kritisiert worden war.
Ein wesentlicher Kritikpunkt war dabei, dass eine solche Regelung dem Grundsatz der Vertragstreue (pacta sunt servanda) entgegenstünde und das Vertrauen in die Vertragstreue der Vertragsparteien und somit das deutsche Rechtssystem erschüttere. Damit bleibt das Instrument der einseitigen Vertragsbeendigung dem Insolvenzverfahren (§§ 103 ff. InsO) vorbehalten.
Gläubigerbeirat
Durch eine weitere Änderung des Gesetzentwurfs wurde die mögliche Einsetzung eines Gläubigerbeirats neu eingeführt (§ 93 StaRUG). Dieser kann durch das Restrukturierungsgericht eingerichtet werden, wenn durch den Restrukturierungsplan alle durch das StaRUG vorgesehen Forderungen des Schuldners gestaltet werden sollen und die Restrukturierungssache gesamtverfahrensartige Züge aufweist. Der Gläubigerbeirat ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss im Insolvenzeröffnungsverfahren nachgebildet. Er hat die Aufgabe, die Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen. Das Verhältnis des Gläubigerausschusses zu den Rechten und Pflichten der Anteilseigner ist vollkommen ungeklärt.
Fazit
Die in letzter Minute eingeführten Änderungen der Gesetzesvorlage des StaRUG-Entwurfs waren interessengetrieben und haben den klaren und stimmigen Gesetzesentwurf verwässert. Damit wurden Chancen verpasst und erhebliche Unklarheiten geschaffen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber zeitnah reagiert, um die erforderliche Rechtsklarheit für Geschäftsleiter in Krisensituationen zu schaffen. Dessen ungeachtet eröffnet das StaRUG immer noch erhebliche Restrukturierungsmöglichkeiten für Unternehmen außerhalb der Insolvenz. Dabei dürften die Gläubiger regelmäßig deutlich besser wegkommen als bei einem Insolvenzverfahren.
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