Plenum Investment: „Risikoprämien im Versicherungssektor absolut attraktiv“

Sippenhaft ist ein bekanntes Phänomen. So auch im Bereich Insurance Bonds. Sehr zu Unrecht, reklamiert Credit-Spezialist Rötger Franz von Plenum Investments. Investoren sollten noch einmal genauer hinschauen.

Herr Franz, vielleicht zum Einstieg kurz zu Ihnen selbst und zu Plenum einige Worte bitte?
Seit 2020 bin ich als Credit-Research und Portfolio-Manager für unsere neuen Anlagestrategien im Bereich Nachranganleihen von Versicherern verantwortlich. Diese vervollständigt das innovative Anlageangebot der auf Versicherungsrisiken spezialisierten Plenum Investments.

Wie wird man zehn Jahre in Folge bester Sell Side Credit Analyst – muss man dazu seine Seele verkaufen oder gab es keine Konkurrenz?!
Konkurrenz gab es mehr als genug, und nicht zu knapp. Mein Credo ist, die berühmte Extra-Meile zu gehen. Zum Credit-Research kam ich wie die Jungfrau zum Bade, es hieß: Hier ist Dein Desk, dort drüben ist Sales – Du hast ein Jahr für ein gutes Ranking. Ich kann Ihnen garantieren: Das war viel und harte Arbeit. In meinen aktivsten Jahren habe ich bis zu 150 Publikationen im Jahr veröffentlicht.

Anfang des Jahres verglichen sie das Dasein von Insurance Bonds mit Schrödingers Katze – weder tot noch lebendig. Was meinten Sie da genau?
Versicherungsanleihen hatten sehr stark gelitten, quasi tot. Dann kam noch die Ukraine-Krise. Was aber nicht passte, waren die weiter guten Fundamentaldaten der Versicherer: Die hatten sich sogar verbessert. Was wir ausdrücken wollten: Die Kurse sind wie tot, aber die Ertragslage quicklebendig.

Inzwischen habe sich die Situation jedoch geändert, so Ihr jüngstes Whitepaper zu Insurance Bonds. Wie ist die Ausgangslage aktuell?
Bei den Quartalszahlen war bereits zu sehen, dass die Solvenzquoten der Versicherer vielerorts zulegten – wie wir es auch erwartet hatten. Dividenden wurden erhöht, Aktienrückkäufe angekündigt. Das klingt aus Sicht von Anleiheinhabern zunächst einmal nicht toll. Vergessen wir aber nicht, dass das die First Line of Defence ist: Falls sich die Ertragslage von Unternehmen verschlechtern sollte, werden Rückkäufe und Ausschüttungen als erste kassiert oder gekürzt.

Was ist der Unterschied zwischen T1, T2, also auf Englisch Tier 1, Tier 2, und dergleichen?
Es gibt sogar drei Kategorien, von Tier 1 bis Tier 3 Nachranganleihen. Am wichtigsten sind Restricted Tier 1, RT-1, und Tier 2. Bei Tier 2 ist die Besonderheit, dass falls die Solvenzquote eines Versicherers für eine bestimmte Zeit unter 100% fällt, auch der Kupon aussetzt – allerdings ist der kumulativ, kann also wieder aufgeholt werden. Bei RT-1 steht man weiter oben in der Kreditlinie, in einem Solvenzereignis wäre hingegen der Kupon endgültig weg. Das will also alles genau durchgerechnet und abgewogen werden.

Klingt selbst für mich als halbwegs vorbereiteter Gesprächspartner noch kompliziert, daher die Frage: Und welche Konstruktion ist aktuell die attraktivste aus Investorensicht?
Weiterhin RT-1, also Restricted Tier-1. Solvenzereignisse börsennotierter Versicherungsgesellschaften sind sehr, sehr selten. Die durchschnittliche Solvenzquote liegt bei 190%. Der Versicherungssektor hat ohnehin die niedrigsten Ausfallraten. Gemessen daran halten wir die Risikoprämien für überaus attraktiv.

Wer sind denn typische Investoren in diesen Fonds, sind das ausschließlich institutionelle Investoren?
Ja, vorrangig schon. Pensionskassen, Privatbanken, Family Offices, Fund of Funds.

Wie war die Performance der Fonds?
Das erste Halbjahr war geprägt von Zinserhöhungen und Inflation. Mit dem Bonds-Fonds lagen daher auch wir mit über 10% im Minus. Aber nochmal: Wir sind der Meinung, dass die Kursentwicklungen bei Insurance Bonds nicht deren gute Fundamentaldaten widerspiegeln. Wir gehen sogar davon aus, dass wir in absehbarer Zeit im Fixed Income Segment eine „Flight to Quality“ erleben werden, sobald Ausfallraten im Gesamtmarkt steigen. Institutionelle Anleger werden in der Folge Sektoren mit niedrigen Ausfallwahrscheinlichkeiten und attraktiven Renditen wie Nachranganleihen von Versicherern übergewichten.

Welcher Versicherer ist am besten aufgestellt Ihrer dezidierten Analyse nach – vielleicht gar ein deutscher wie Allianz oder Münchener Rück?
Die deutschen Versicherer sehe ich alle recht gut kapitalisiert, am besten aktuell die Münchener Rück. Bei den Münchnern wie auch bei der Allianz ist doch derzeit eher die Frage, wie man überschüssiges Kapital sinnvoll verwendet als sich nach unten abzusichern. Nur fürs Protokoll: Erwähnte Einzeltitel sind keine Empfehlungen oder Anlageratschläge, sondern ich spreche allgemein, da Sie mich gefragt haben.

Richtig, Emittenten werden eigentlich nicht damit beauftragt, Cash zu horten.
Deswegen die Aktien-Rückkaufprogramme. Als etwas unter dem Radar empfand ich stets SCOR – inklusive dem ‚Problem‘ der Überkapitalisierung. Immerhin unter den größten weltweit. Interessant finde ich auch italienische Versicherer wie Generali. Die Vorbehalte gegen italienische Versicherungen sind übertrieben und Ratings beeinflusst vom Länder-Rating Italiens. Die Fundamentaldaten sind sehr gut.

Ich habe mal gelernt, Aktien-Rückkäufe macht man als Emittent nur, wenn man wirklich keine besseren Ideen hat. Das ist eigentlich kein Gütesiegel für Vorstände. Gilt das nicht mehr?
Das muss man differenziert betrachten. Im Erstversicherungsbereich gibt es noch hier und da Akquisitionsmöglichkeiten. Aber derzeit ist man vorsichtig, die Zeiten sind unsicher. Im Rückversicherungsbereich wie bei Hannover Re, Swiss Re oder SCOR: Wo sollen die noch akquirieren? – da gibt es kaum noch einen Grenznutzen. Daher sehen wir dort kaum M&A-Aktivitäten.

Rötger Franz, Plenum Investments

Generell: Wie wird der Ukraine-Krieg verarbeitet?
Aus Versicherersicht ist die Entwicklung handhabbar. Kaum eine Versicherung hat eine bedeutende Exponierung in der Region. Kriegsschäden sind ohnehin aus Versicherungsereignissen weitestgehend ausgeschlossen – da kann ja jeder mal in seine Hausratsversicherung schauen. Auch in der Industrieversicherung sind die versicherten Schäden überschaubar. Etwas anderes sind z.B. Luftfahrtversicherungen: Von russischen Fluggesellschaften von ausländischen Leasinggesellschaften geleaste Flugzeuge werden in Russland festgehalten, dürfen nicht zurück. Was ist mit denen und wer springt da ein? Der Krieg dauert jetzt schon über vier Monate und die Rechtslage ist äußerst komplex. Momentan sieht es nach Versicherungsfällen im Bereich von 10 bis 20 Mrd. USD für die gesamte Versicherungsbranche aus, eher Richtung 10 Mrd. USD. Das ist die Größenordnung einer mittelgroßen Naturkatastrophe.

Herr Franz, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und die überaus spannenden Erläuterungen!

Interview: Falko Bozicevic

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Hintergrund Insurance Bonds

Anders als die meisten anderen Sektoren profitieren Versicherer und insbesondere Lebensversicherer von steigenden Zinsen. Schlüsselfaktoren für diese Zinssensitivität sind das traditionelle garantierte Lebensversicherungsgeschäft und diskontierte langfristige Verbindlichkeiten. Viele europäische Versicherer zeichnen immer noch Lebensversicherungspolicen mit einer Art garantierter Rendite für die Versicherungsnehmer oder halten beträchtliche Altbestände an solchen Geschäften. Bei steigenden Zinsen sind diese Garantien leichter zu erfüllen und erfordern daher weniger regulatorisches Kapital. Gleichzeitig werden langfristige Verbindlichkeiten mit einem höheren Zinssatz abgezinst, der den steigenden Marktzinsen entspricht. Diese Neubewertung der Verbindlichkeiten nach unten stützt den Net Asset Value weiter. Beide Effekte werden nur teilweise durch sinkende Anleihebewertungen in den Vermögensportfolios der Versicherer ausgeglichen.

Rötger Franz verfügt über mehr als 20 Jahre internationale Erfahrung in der Coverage von Versicherungen. Franz wurde als Sell Side Credit Analyst bei Société Générale zehn Mal in Folge im Euromoney Fixed Income Research Survey als bester Versicherungsanalyst in Europa ausgezeichnet. Er stieß im April 2020 zur Plenum Investments AG und ist verantwortlich für Insurance Bonds.