Zunehmende Rezessionsgefahren für die globalen Finanzmärkte

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Nachdem eine Rezession in den USA noch bis vor kurzem eine Konsenserwartung war, ist ein deutlicher Meinungsumschwung erfolgt. ‚Soft landing‘ oder sogar ‚no landing‘ sind jetzt die Hauptszenarien. Und tatsächlich bleibt die US-Konjunktur vorerst noch robust. Eine aktuelle Schätzung (GDPNow) signalisiert deutlich anziehendes Wachstum im laufenden Quartal. Gründe für diese Entwicklung sind wieder steigende reale Einkommen durch Zinserträge sowie starkes Lohnwachstum, massiv höhere Staatsausgaben mit 5% des BIP und hohe Überschussersparnisse dank Pandemie-Hilfsprogrammen. Beat Thoma, CIO bei Fisch Asset Management in Zürich, äußert sich zur aktuellen Marktsituation:

Die Wirkung dieser stützenden Faktoren nimmt jetzt aber schnell ab. Insbesondere sind die hohen Überschussersparnisse der privaten Haushalte bald aufgebraucht. Zudem verschärfen die Banken die Kreditvergabebedingungen bei weiterhin restriktiver Geldpolitik der Zentralbank und steigenden Realzinsen. Inflationsgeschützte Anleihen (TIPS) handeln auf einem 16-Jahreshoch.

Ein weiter kritischer Faktor für die globale Wirtschaftsentwicklung ist die Abschwächung in China. Die Probleme am Immobilienmarkt verschärfen sich weiter und sind größer als bisher angenommen. Zudem stieg die Jugendarbeitslosigkeit auf über 20%, wobei ab sofort keine weiteren Daten mehr veröffentlicht werden. Diese Zensur ist bedenklich und unterstreicht den Ernst der Lage.

Auch die im März in den USA mit viel Notfall-Liquidität vordergründig eingedämmte Krise der US-Regionalbanken schwelt weiter. Der Abfluss von Kundengeldern setzt sich unvermindert fort. Die Profitabilität, Liquidität und Kreditvergabekapazität vieler Institute verringern sich schnell. Die Verluste auf großen Staatsanleihenspositionen in den Bilanzen der Regionalbanken sind noch lange nicht abgeschrieben. Insgesamt ist das System weiterhin hochgradig auf die Hilfe der Regierung und Notenbank (Federal Home Loan Banks) angewiesen. Damit trägt diese Entwicklung zu einer zusätzlichen konjunkturellen Bremsung in den USA, aber auch global bei.

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Trotzdem bleibt die Geldpolitik restriktiv, da sich bei der Inflationsentwicklung für die kommenden Monate aufgrund des Wegfalls von Basiseffekten ein leichter Wiederanstieg abzeichnet. Die hohe Kreditaufnahme der US-Regierung (aber auch europäischer Staaten) sowie Verkäufe von US-Staatsanleihen durch China und Japan, um die zunehmend schwachen Yuan und Yen zu stützen, entziehen dem Finanzsystem zusätzlich Liquidität. Zudem treibt dies die langfristigen Staatsanleihenszinsen in die Höhe. Insgesamt ergibt sich daraus eine für die globalen Finanzmärkte gefährliche Kombination aus zunehmenden Rezessionsgefahren bei gleichzeitig restriktiver Geldpolitik, fallenden Geldmengen, steigenden langfristigen Zinsen und rückläufiger Kreditvergabe. Damit herrscht ein gefährlicher Optimismus vor.

Aus unserer Sicht sind die erläuterten Gefahren an den Aktien- und Kreditmärkten in den Industrieländern nicht beziehungsweise unzureichend eingepreist. Wir bleiben daher sehr wachsam und realistisch bei der Beurteilung der Gesamtlage.

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Für unsere Wandelanleihen– und High-Yield-Strategien bedeutet dies eine weiterhin defensive Positionierung. Allerdings bietet der High-Yield-Kreditmarkt aktuell eine ansprechende laufende Rendite (dank dem hohen Zinsniveau) und die Ausfallraten sind noch auf einem moderaten Level. Die High-Yield-Kreditmärkte in den Emerging Markets beurteilen wir aufgrund höherer Credit Spreads und weiterhin stabiler konjunktureller Entwicklung in vielen Ländern (mit Ausnahme Chinas) etwas positiver und positionieren uns neutral.

Beat Thoma, Fisch AM

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