Weidmann versus Draghi kann wie 1 : 16 sein

Klaus Stopp, Leiter Skontroführung Renten, Baader Bank AG

Die Botschaft der Konditionalität der Anleihenkäufe hört man wohl, allein es fehlt der Glaube.

Jens Weidmann ist ein kluger Mann, der die Worte sorgfältig abzuwägen weiß. So im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Der Bundesbank-Präsident stimme mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, in vielen geldpolitischen Fragen überein. Aber er halte den Ankauf von Staatsanleihen grundsätzlich für problematisch. Ja, hier habe er, der Bundesbank-Präsident, eine andere Meinung als Draghi. Dennoch Draghi habe beim Ankauf von Staatsanleihen nicht von unbegrenzten Käufen gesprochen. Vielmehr habe der EZB-Präsident gesagt, die EZB werde „alles tun, was notwendig ist“. Immerhin vor dem Bundesverfassungsgericht hat die EZB ihr Ankaufprogramm beschränkt, auf maximal 524 Mrd. €. Das ist doch was! Das Programm OMT, mit dem die EZB seit Spätsommer 2012 unbegrenzte Anleihenkäufe unter Auflagen in Aussicht stellt, wird bekanntlich derzeit vom Bundesverfassungsgericht auf seine Rechtmäßigkeit hin geprüft. Eine Entscheidung wird nach den Bundestagswahlen im Herbst erwartet.

Draghi wiederum hat prompt auf Weidmanns Einlassungen reagiert, in Berlin, vor dem Wirtschaftsrat der CDU. Das Anleihenkaufprogramm OMT sei im Sommer 2012 notwendig geworden – alternativlos würde die Kanzlerin sagen -, weil der Verlust der Kontrolle über die Geldpolitik gedroht habe, argumentierte der EZB-Chef. In diesem Umfeld sei die EZB zum Handeln gezwungen gewesen. Die Initiative der EZB sei allen zuträglich: Banken, Unternehmen, Verbrauchern – und sie habe sowohl der Peripherie als auch den Kernstaaten genutzt. Er betonte immerhin, dass die Anleihenkäufe an Bedingungen geknüpft seien – sie stünden unter „strikter Konditionalität“. Das heißt im Klartext, Anleihenkäufe und damit geringere Risikoaufschläge für die betreffenden Länder gibt’s nur gegen Reformen. Nur wer sich einem ESM-Programm unterwirft, kann damit rechnen. Und so forderte Draghi die Staaten des Währungsraumes zu wirtschaftlichen Strukturreformen und zur Konsolidierung ihrer Staatshaushalte auf. Schuldenfinanzierte Staatsausgaben seien kein Weg zu Wachstum. Soweit, so gut. Die Botschaft hören wir wohl, allein mir fehlt ein wenig der Glaube. Zu oft wurden Reformen oder Reformziele in der Euro-Zone immer wieder gedehnt oder ganz aufgegeben.

So auch in Sachen lockerer Geldpolitik. Die will die EZB im Gegensatz zu ihrem Pendant in den USA, der Fed, auf absehbare Zeit noch nicht aufgeben. Man sei vom Exit noch weit entfernt, ließ das französische EZB-Direktoriumsmitglied Benoit Coeure in Paris verlauten. Dass man es im Eurosystem bei solchen Fragen eben mit 17 Staaten und 17 Stimmen zu tun hat, sieht auch Weidmann. Da mag man freilich noch so gute Argumente dafür haben, vom Ankauf von Staatsanleihen grundsätzlich die Finger zu lassen. Wenn einen die anderen überstimmen, kann‘s schon mal 1 : 16 ausgehen.

Klaus Stopp
Leiter Skontroführung Renten, Baader Bank AG