Inflation: nur temporäres oder längerfristiges Phänomen?

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„Vertrauen ist der Anfang von allem“, hieß einst ein berühmt gewordener Werbeslogan aus dem Bankensektor. Damit lässt sich auch die derzeitige Haltung vieler Anleger gegenüber der Geldpolitik der führenden Notenbanken treffend beschreiben. Das Vertrauen der Investoren in eine Fortsetzung der expansiven Geldpolitik scheint grenzenlos zu sein. Ein Kommentar von Michael Winkler, Leiter Anlagestrategie bei der St. Galler Kantonalbank Deutschland AG

Auf steigende Inflation reagieren die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen mit einem Rückgang
Anders lässt sich die Reaktion der Rentenmärkte auf die aktuelle Inflationsrate in den USA kaum begründen. Mit sage und schreibe 5% liegt diese so hoch wie seit gut 30 Jahren nicht mehr. In der Vergangenheit reagierten die Renditen der zehnjährigen US-Staatsanleihen auf solche Zahlen mit einem Anstieg auf 5 bis 8%. Doch diesmal ist alles anders: Statt von ihrem historisch gesehen ohnehin vergleichsweise geringen Niveau von rund 1,6% zu steigen, sind die Renditen nach der Bekanntgabe der neuesten Inflationsrate sogar nochmals weiter gesunken: auf nur noch rund 1,45%. Damit liegt die Realrendite (Zins minus Inflation, also 1,45% minus 5%) in den USA bei minus 3,55%. In der Eurozone liegt der Wert bei minus 2,28%.

Die deutlich steigende Inflation scheint die Anleger also nicht zu kümmern: Sie gehen ganz offenbar davon aus, dass die Notenbanken mit ihrer Geldpolitik weiter Vollgas geben.

Aktienmärkte überraschend widerstandsfähig
Entsprechend robust zeigen sich mit Ausnahme Asiens viele weltweite Leitindizes. Teilweise erklimmen sie wie der MSCI World sogar neue Höchststände. Und selbst defensive Sektoren wie die Pharmaindustrie stabilisieren sich und steigen jüngst in Relation zum Gesamtmarkt sogar an.

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Sowohl die Federal Reserve als auch die EZB tun alles dafür, damit das Vertrauen der Anleger unverändert erhalten bleibt. Sie setzen ihre expansive Politik ungebremst fort und betonen bei jeder sich bietenden Gelegenheit, bei den gegenwärtigen Inflationsraten handele es sich lediglich um ein temporäres Phänomen.

Überraschungen nicht ausgeschlossen
Ob es sich dabei eher um Pfeifen im dunklen Wald handelt, bleibt abzuwarten. Tatsache ist: Das große Vertrauen der Anleger in die aktuelle Geldpolitik birgt Risiken. Denn sollte sich in wenigen Monaten zeigen, dass die Inflation eben doch keine temporäre Erscheinung ist, und die Notenbanken würden ihre massiv expansive Geldpolitik zumindest zurückfahren, könnte das beim einen oder anderen Anleger für unangenehme Überraschungen sorgen. Um solche zu vermeiden, sollten Investoren das weitere Marktgeschehen sehr engmaschig beobachten, um je nach ihrem individuellen Risiko-Rendite-Profil zügig reagieren zu können.

Michael Winkler, SGKB

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